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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Sträter, Ludwig: Das Tischgebet
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0047

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1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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Das Tischgebet, eine Radirung von Adrian van Ostade.

Mit Lichtdruck (Tafel V).

■uf der angehefteten Lichtdrucktafel
sehen wir eine Bauernfamilie, welche
vor dem Essen betet; der Vater
sitzt links mit unbedecktem Kopfe1)
und ist im Profil zu sehen. Er hält seinen Hut
unter dem rechten Arm; zu seiner linken Seite
sitzt seine Frau, ebenfalls betend, mit ihrem
jüngsten Kinde auf dem Schoofs, welches sich
dem Gebet anschliefst. Auf der rechten Seite
steht ein demüthig gebückter Junge, vom Rücken
gesehen, die Hände in der vom Kopfe abge-
nommenen Mütze vor der Brust haltend. In der
Mitte des Blattes steht auf einem dreieckigen
Stuhl, welcher der Familie als Tisch dient, ein
Topf, in welchem in einer Suppe einige Knödel
schwimmen, so die Mahlzeit der Familie bilden
werden, welche für dieselbe dem Schöpfer dankt.
A. van Ostade, geb. 1610 in Haarlem, hat
dieses Blatt, welches mit der Jahreszahl 1653
bezeichnet ist, auf der Höhe seiner Kunstfertig-
keit geschaffen und zwar so einfach in der Tech-
nik wie möglich, als wenn er gefürchtet hätte,
dafs bei einer feineren Durchführung, die ihm,
dem ausgezeichneten Radirmeister ganz zu Gebote
stand, der Eindruck der Innigkeit leiden könnte.
Es ist mir keine Darstellung des Tischgebetes
aus früherer Zeit bekannt, woran Ostade sich
hätte lehnen können, namentlich nicht aus dem
Mittelalter, wo das sog. Sittenbild, aus naheliegen-
den Gründen, nur selten zur Darstellung kam,
und erachte ich diese Radirung von allen mir
bekannten Bildern des Tischgebetes für das beste.
Wir wissen nicht, ob Ostade ein „Tischgebet"
gemalt hat; dagegen finden sich im Museum von
Amsterdam ein „Tischgebet" von Bega, Ostade's
Schüler; in Privatbesitz ein „Tischgebet" von
Brackenburgh, ebenfalls Schüler von Ostade, und
ein drittes „Tischgebet" von Molenaer, Mitschüler
von Ostade bei Franz Hals, gleichfalls im Amster-
damer Museum. Keines dieser Bilder reicht in
der Tiefe der Empfindung und der Klarheit der
Auffassung an das „Tischgebet" von Ostade.

In Frankreich hat im Jahre 1740 der berühmte
Sittenbildmaler Chardin, der sich an die nieder-

') In späteren Drucken trägt der Familienvater eine
Haube. Diese thörichle Aenderung rührt wahrschein,
lieh von St. Picart her, der noch mehrere Platten von
Ostade verändert und verdorben hat.

ländische Schule des XVII. Jahrhunderts, nament-
lich an Metzu anlehnt, ein „Tischgebet', gemalt,
welches recht elegant und anmuthig ist und
nicht durch unpassendes Beiwerk störend wirkt.
Die Darstellung ist aber nicht klar aufgefafst,
denn auf derselben beschäftigt sich die Mutter,
wahrscheinlich Wittwe, mit der Anrichtung der
Speisen, während sie zu gleicher Zeit dem
jüngsten Töchterchen eine Anweisung zum Gebete
gibt. Niemand aber kann zweien Herren ganz
zu gleicher Zeit dienen.

In Deutschland haben (aufser vielen nicht-
berufenen) drei Maler von grofsem Ruf das
„Tischgebet" behandelt. Zuerst Ludwig Richter,
der gemüthliche, vor einigen Jahren gestorbene
Dresdener Maler, im Holzschnitt von Gaber,
wiedergegeben im „Erbauliches und Beschau-
liches". Auf diesem Bilde betet allerdings der
Hausvater und einigermafsen die Mutter; die
Kinder treiben indefs Allotria mit Katzen und
Hunden, und Vögel fehlen auch nicht. Das ist
ja sehr plaisirlich, aber ein Tischgebet ist es
nicht. Besser ist das „Tischgebet" von dem
feinsinnigen Vautier. Es fehlt der Darstellung
aber die Konzentration des Gedankens und die
im Vordergrunde fressende Katze ist mehr als
überflüssig. Aehnlicher Art ist das „Tischgebet"
von Defregger. Beide Maler haben auf anderen
Gebieten Tüchtigeres geleistet. Ungleich richtiger
hat in neuester Zeit Max Liebermann aus Berlin
das „Tischgebet" dargestellt, reproduzirt No. 22
1889 in der Zeitschrift „Ueber Land und Meer".
Da beten die Leute insgesammt und nichts
stört wesentlich die Betrachtung des Bildes, trotz
der reichen Komposition, die an Millet und
Ostade sich anschliefst.

Das „Tischgebet" bildet unter den 50 Radi-
rungen, die Ostade hinterlassen, das einzige Blatt
sittlich-religiösen Inhalts, wie mir auch von ihm
nur ein Oelgemälde bekannt ist, welches ein
Thema aus dem Neuen Testament behandelt.
Dieses ist die in der Braunschweiger Gallerie
befindliche „Verkündigung an die Hirten", wel-
ches leider nicht mit der Jahreszahl bezeichnet,
aber wahrscheinlich gegen 1640 entstanden ist.
Es schliefst sich an die Rembrandt'sche Radi-
rung desselben Gegenstandes vom Jahre 1634 an.

Aachen. Dr. Sträter.
 
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