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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Effmann, Wilhelm: Die Pfarrkirche zu Geistingen a. d. Sieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0133

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221

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 7.

222

Die Pfarrkirche zu Geistingen an der Siep;.

Mit 5 Abbildungen.

er von Siegburg aus auf der Deutz-
Giefsener Eisenbahn thalaufwärts
fährt, sieht schon bald auf der
rechten Seite der Bahnlinie einen
Thurm auftauchen, der durch seine Mächtigkeit
den Blick auf sich lenkt. Es ist der Thurm der
Pfarrkirche von Geistingen, eine Kirche, die bis
jetzt nicht einmal dem Namen nach verzeichnet
ist in den Büchern der Kunstgeschichte. Die hell-
leuchtenden Merkmale eines schon weit voran-
geschrittenen Abbruches, welche sich an dem
Bauwerke zeigten, gaben mir, als ich im Jahre
1885 jene Strecke fuhr, Veranlassung, in dem
freundlich gelegenen Hennef die Fahrt zu unter-
brechen und die in ihrem alten Bestände be-
drohte Kirche zu besuchen. Der Zufall erwies
sich insofern günstig, als der Abbruch noch
nicht einen solchen Umfang angenommen hatte,
dafs die Aufnahme dadurch unmöglich gewor-
den war; was ihm bereits verfallen war, liefs
sich zudem, namentlich durch die Angaben
der dabei thätig gewesenen Personen leicht und
sicher ergänzen. Zum Abbruche bestimmt war
die ganze Chorparthie; er war bedingt durch
die Absicht, die Kirche durch Anlage eines
Querschiffes zu vergröfsem.

Das Ergebnifs der unter dem Fallen der
Mauern vorgenommenen Messungen liegt in
Fig. 1 —5 in Grundrifs, Schnitten und Ansichten
vor. Dieselben zeigen die Kirche als eine drei-
schiffige Anlage ohne Querschiff, mit einem
Hauptthurm im Westen, einem weit heraus-
gezogenen, in halbrunder Apside schliefsenden
und von zwei Nebenthürmen flankirten Chor
im Osten.

Ueber die Erbauung der Kirche sind uns
urkundliche Nachrichten nicht überkommen; wir
wissen nur, dafs schon um 1064 in Geistingen
eine Kirche bestand, und zwar geht dies hervor
aUs der Stiftlingsurkunde von Siegburg, worin
unter den vom Erzbischof Anno 11. dem neu-
gegründeten Kloster überwiesenen Gütern auch
Geistingen aufgeführt ist (ecclesiae, quae est in
Geistingen, mcdietatem)'). In dem gegenwärtigen
Bestände der Kirche sind aber Reste jener Zeit
picht nachzuweisen; dieselbe gehört vielmehr
•hrer ganzen Gestalt und Formgebung nach

') Lacomblet „Urkundenbuch für die Geschichte

des Niederrheins", I. Bd. 1840, Urk. 202 S. 129.

etwa der Mitte des XII. Jahrhunderts, also jener
Zeitperiode an, in welcher die bis dahin wohl
noch vielfach bestehenden Holzkirchen dem
Steinbau wichen.

Die Kirche stellt bezw. stellte sich vor dem
erwähnten Umbau dar als eine vollkommen
planeinheitliche Anlage, als ein Bau, der wohl
im Laufe der Jahrhunderte einige Aenderungen
erlitten hatte, von denen aber der ursprüngliche
Zustand nur unwesentlich beeinflufst worden
war. Nur dieser soll hier berücksichtigt und
der stattgehabten Umänderungen blofs nebenbei
gedacht werden.

Auf der Westseite des Thurmes, der sich
auf einem Grundquadrate von ca. 9 m Seite
aufbaut, liegt das reich ausgebildete Portal,
welches den Haupteingang zur Kirche bildet.
Die mit einem Kreuzgewölbe überdeckte Thurm-
halle, in der wir uns beim Eintritte befinden,
öffnet sich mit einem 3,70 vi breiten Bogen zum
Mittelschiff, dessen Pfeiler auf ihrer den Seiten-
schiffen zugewendeten Seite mit den Aufsenseiten
des Thurmes fluchten. Mit einer flachen Balken-
decke versehen bildet es den einzigen unge-
wölbten Theil der Kirche; es hat eine Länge
von 14,5 m, eine Breite von 7,5 m und eine
Höhe von 9,25 m\ die Breite steht somit zur
Höhe im Verhältnifs von etwa 5: G. Entsprechend
den 4 Arkadenpfeilern, welche die Hochwände
des Mittelschiffs tragen, werden die Nebenschiffe
durch Gurtbogen, welche beiderseits auf Pfeiler-
bezw. Wandvorlagen aufsetzen, in je 5 mit Kreuz-
gewölben überspannte Joche getheilt. Die Ost-
joche sind mit Nebenaltären ausgestattet, über
welchen in den Stirnmauern wenig tiefe Nischen
ausgespart sind. In den Nischen der West-
joche befinden sich beiderseits Treppenanlagen,
welche zu der ebenfalls gewölbten und in einer
weiten Bogenöffnung sich nach dem Mittelschiff
hin öffnenden Thurmempore führten. Nur die
der Nordseite ist noch vorhanden, die der Süd-
seite hat einer Thüranlage weichen müssen.2)

2) Die Flügel der an dieser Stelle gegenwärtig be-
findlichen Thür tragen noch alte romanische Beschläge,
die indefs ohne Ordnung aufgenagelt sind. Auch eine
Hiiiterthiir des Küsterhauses zeigt solche Beschläge.
Es sind Rund- und Langbänder in der bekannten
Abwechselung; während die Enden in Ranken aus-
laufen, sind die Flächen durch aufgestanzte runde und
kleeblattförmige Muster belebt, die in Verbindung mit den
 
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