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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Sommer, Gustav: Die alten Stuckreliefs in der Klosterkirche zu Westgröningen bei Halberstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0200

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345

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

346

Die alten Stuckreliefs in der Klosterkirche zu Westgröningen bei Halberstadt.

Mit Abbildung:.

n den kunsthistorischen Werken von
Kugler, Schnaase, Lübke und An-
deren geschieht einer Gruppe von
figürlichen Stuckatur -Arbeiten Er-
wähnung, welche unter den Skulpturen des frü-
heren Mittelalters innerhalb der deutschen Gaue
einzig dastehen und eine um so gröfsere Be-
achtung verdienen, als sie der Zeit erster Blüthe
romanischer Plastik angehören und sich nur auf
einem Landstrich nördlich des Harzes von ge-
ringer Langen- und Breiten-Ausdehnung vor-
finden. Diese merkwürdigen Stuckatur-Arbeiten
finden sich nämlich nur in Klostergröningen,
in Hamersleben, Halberstadt (Liebfrauen-
kirche), Hildesheim (Michaeliskirche) und in
Hecklingen (Herzogthum Anhalt); weitere Bei-
spiele sind nicht bekannt,1) und dafs sie in ge-
ringeren Entfernungen von einander liegen, läfst
fast schliefsen, dafs nur in dieser Gegend das
nöthige .Material hierzu vorgefunden und von
einer Künstlergruppe benutzt wurde, welche vom
Ende des XI. Jahrh. bis Ende des XII. Jahrb.
lebte, deren Namen und Wirkungsort indessen
ganz unbekannt sind.2) Ebenso lassen Chroniken
und Urkunden die nähere Angabe der Ausfüh-
rungszeit vollständig im Dunkel, doch dürfte im
Allgemeinen die vorige Aufzählung der Zeitfolge
entsprechen, wie die Konzeption und die formale
Vollendung schliefsen lassen. Es sei gestattet, in
den nachfolgenden Bemerkungen vorzugsweise
der (wie es scheint) ältesten — des Klosters
Groningen — zu gedenken, von welchen bis jetzt
keine Abbildungen existirten: denn die Christus-
Figur, welche Schnaase in seiner „Geschichte
der bildenden Künste" (IV. Band S. 678) auf
Grund von Puttrich'scher Aufnahme bringt, ist
so flüchtig dargestellt, dafs sie keine zutreffende
Vorstellung ermöglicht.

Die Klostergröninger Stuckaturen befinden
sich an einer seit Jahrhunderten bereits aufser
Gebrauch gestellten und ganz verödeten Empore:

') [wenn man nicht etwa die architektonischen und
ornamentalen Wandverzierungen in der Gruft (Heinrich I.)
in der Krypta der Schlofskirche zu Quedlinburg als die
Vorläufer dieser Technik betrachten möchte] D. Et

2; [Oats diese durchaus selbständigen Stuckarbeiten
(die vielleicht auf ilalienischen Einflufs im Anschlüsse
an die Antike zurückzuführen sind) mit den modernen
Gyps- etc. Surrogaten nichts gemein haben, bedarf kaum
einer Betonung.] D. H.

denn ihre Wandumfassung besitzt keinen Kalk-
putz und der Fufsboden ist weder gedielt noch
gepflastert, bezw. mit keinem Estrich versehen.
Vor der Brüstung befindet sich auch seit 200
bis 300 Jahren eine von Holz konstruirte, etwas
niedrigere, mit einer Orgel besetzte Empore,
welche die alte massive, verlassene Empore fast
ganz verdeckt.

Die alte Empore selbst, die in keiner Hinsicht
sich organisch aus der Architektur der ehemaligen
reinen Basilika entwickelt, indem sie über den
grofsen Vermittelungsbogen der westlichen Vor-
halle um ungefähr 1 m in das Schiff hinaustritt
und keine Rücksicht nimmt auf die Bogenstel-
lungen zwischen Mittel- und Seitenschiff im Erd-
geschofs und auf die durch sie überschnittenen
Gurtgesimse im Obergaden, dürfte ohne Zweifel
einer (wenn auch nicht viel) späteren Zeit ange-
hören als der Kirchenbau selbst. Der darunter
befindliche kryptaähnliche Einbau scheint näm-
lich aus einem besonders regen Bedürfnifs, der
fertig gewordenen Basilika nachträglich eine
Krypta zu verschaffen, entsprungen zu sein,
welche aus irgend einem Grunde an der Ostseite
der Kirche unter dem Hauptaltar nicht ausführbar
erschienen ist. Die Krypta, vom Westen her, wo
die Hauptgebäude des Klosters lagen, zugänglich,
wendet sich mit der kleinen Mittelapsis in das
Mittelschiff der Kirche hinein, spärlich erleuchtet
durch kleine Fensterchen,"" die bis auf eins jetzt
zugemauert sind. Auch vom Schiff aus gelangt
man von beiden Seiten in den Raum der Krypta.
Ueber dieser mit Tonnengewölben versehenen
Krypta nun liegt die Empore, ebenfalls vom
Westen her allein zugänglich, wie zugemauerte
Thüren der ehemaligen Vorhalle darthun. Der
Aufsenkontur ist derselbe wie im Erdgeschofs:
inmitten tritt vor der im Ganzen 6,8 m langen
Brüstung eine Ausbauchung über der unteren
Apsis in Form eines Kreisquadranten vor, an
welchem Christus in der Mitte, je drei Apostel
auf jeder Seite zu sehen, während an jedem der
geraden Schenkel noch drei Apostel sich befinden.

Die ganze Höhe der Emporenwand beträgt
im Deckgesims 21,5 cm, in der Figurenwand
105,5 cm, im Fufsgesims 30,0 cm, im Ganzen
also 1,57 m.

Das Fufsgesims ist in feinen Formen ge-
gliedert: die flache Hohlkehle und der echinus-


 
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