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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Sommer, Gustav: Die alten Stuckreliefs in der Klosterkirche zu Westgröningen bei Halberstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0201

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3-11

188Ü

ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

348

artige Wulst darüber sind durch zierliche Leist-
chen getrennt und eingefafst, einen ruhigen
Sockel bildend iür das reiche Figurenband dar-
über. Das Deckgesims dagegen enthält über
einer Hohlkehle eine romanische Zierleiste von ge-
wundenen Blattranken und kleinen Fruchtkolben.

Die Brüstungsvvand war ursprünglich er-
füllt von dem auf einem Regenbogen sitzenden
Heiland und zu dessen rechter wie linker Seite
von je sechs auf Bänken sitzenden Aposteln,
sämmtlich mit Heiligenscheinen hinter den vor-
tretenden Köpfen. Der Heiligenschein hinter
dem Christuskopf ist durch ein Kreuz von den
übrigen Nimben unterschieden.

Christus brei-
tet (der hier ab-
gedr. Abbildung
gemäfs) seine Ar-
me kreuzförmig
und segnend aus,
die Nägelmale u.
die Seitenwunde
sichtbar lassend,
sonst ist dessen
Körper fast ganz
bekleidet; die Ar-
me sind mittelst
übergeschlagener
Tücher (bezw. der
Zipfel des Ueber-
wurfes) bedeckt.

Die Apostel,
mit geringen Zwi-
schenräumen auf
Bänken neben-
einander sitzend,
sind ebenfalls in vollständiger antiker Tracht und
jeder mit einem aufgeschlagenen Buche versehen,
indem sie sich paarweise einander zuwenden
und sich zu unterhalten scheinen. Die üblichen
Sinnbilder zu ihrer Charakterisirung und Er-
kennung fehlen, aber es dürfte die Vermuthung
nahe liegen, dafs die Flächen der aufgeschlage-
nen Bücher vor dem Vandalismus öfterer Ueber-
tünchung durch fingerdicke Kalkmilch mit Schrift
versehen waren, und zwar mit den Worten des
in zwölf Theile zerlegten apostolischen Bekennt-
nisses, wie dem Verfasser dieses bereits zweimal in
der Provinz Sachsen begegnet ist: in Niedereich-
stedt (Kreis Querfurt) und in der Marienkirche zu
Gardelegen, worüber Herr Oberpfarrer Wernicke
in dem „Christlichen Kunstblatt" (1887 u. 1888}

eine ausführliche und vortreffliche Abhandlung
niedergelegt und durch Nachträge erweitert hat.8)
Von hoher Bedeutung sind auch die langen
Bänder, die von den Armen Christi nach den
Füfsen der dem Heilande zunächst sitzenden
Apostel (? Petrus u. Paulus) herabflattern. Wahr-
scheinlich stand auch hierauf ursprünglich ein be-
deutungsvoller Text, wodurch der ganzen Brü-
stung weihevolle Wirkung auf die Kirchenbesucher
noch erhöht wurde.

Leider entgeht der Jetztzeit dieser Effekt fast
ganz und verschwindet bis auf ein leises Ver-
muthen des ursprünglich gewifs sehr schönen
Bildes. Dem Ende des XI. Jahrh. wohl ange-
hörig, hat diese
Empore von der
ursprünglichen
Pracht im Laufe
von8Jahrhunder-
ten schon zuviel
eingebüfst, und es
ist ein Wunder,
dafs überhaupt
noch etwas vor-
handen ist, weil
Brände, Zerstör-
ungssucht, Nicht-
achtung, Frevel
u.Muthwillen zu-
sammengewirkt
haben, dafs aui
unsere Zeit nur
ein Theil gekom-
men ist. Zwei der
Apostelgestalten

sind sammt ihrer
Rückwand gänzlich beseitigt und jede Spur ver-
wischt: die erste von der Südseite her und d'e
zehnte auf der Nordflanke, um von der vor-
gebauten hölzernen Orgelempore aus mittelst
einigerStufen nach jener früheren (wüst liegenden;
Empore gelangen zu können. Gegenwärtig ist der
linke (südliche) Auf- oder Durchgang nicht mein
vorhanden, nur noch der nördliche, daher ist a«
der Südseite an den Apostel-Figuren verhältnifs-
märsig weniger Schaden geschehen, als auf de
Nordseite. Ebenso hat. das dicht vorgebaute

8) Vergl. auch zwei Abhandlungen vom Direkt«1
des Germanischen Museums, Herrn Prof. Dr. A-
Essen wein (1881): „Der Bildschmuck der L'e "
frauen-Kirche zu Nürnberg" und „Die Wandgema1
im Dome zu Urämischweig".
 
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