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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Reichensperger, August: Die Restaurirung von Kirchen betreffend, [2]
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145

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

N.. 5.

146

Die Restaurirung von

IL

n Bezug auf die Restaurirung des
Inneren alter Kirchen hat als
Regel zu gelten, dafs im Zweifel
alles darin Vorhandene möglichst
zu erhalten, möglichst schonend zu behandeln
sei. Wie einfach und natürlich diese Regel
auch lautet, so ergeben sich doch, wo sie zur
Anwendung kommen soll, oft nicht geringe
Schwierigkeiten, welchen es denn auch, wenig-
stens theilweise, beizumessen ist, dafs sie er-
fahrungsmäfsig oft unbefolgt blieb, nicht ganz
selten sogar das gerade Gegentheil davon geübt
ward. So geschah es nicht blofs während der
Periode des Kunstverfalls, sondern auch zu einer
Zeit, auf deren Schöpfungen wir bewundernd hin-
blicken — wir meinen die Periode der Gothik.
In der begründeten Ueberzeugung, dafs diese
Kunstweise eine höhere, wenn nicht gar, wenig-
stens dem Prinzip nach, die höchste Entwicke-
'ungsstufe der Architektur erstiegen habe, drängten
deren Meister vielfach durch Eigenes früher
Geschaffenes zurück, dessen Verschwinden wir
Mit Recht beklagen, selbst wenn es durch
Vollendeteres ersetzt ward. Wie rücksichtslos
demnächst die Förderer der, von der Tradition
und dem Volksgeiste sich abwendenden sog.
Renaissance und weiter, in verstärktem Mafse,
des in französischer Hofluft aufgeschossenen
barock- und Zopfstiles in unseren mittelalter-
lichen Kirchen gewirthschaftet haben, bedarf
fticht erst näherer Darlegung. Die auf das
Delirium des Roccoco gefolgte Revolution
konnte nur zerstören. Soweit nach Ablauf der-
selben die wieder erwachte altchristliche Ge-
sinnung, in Verbindung mit der Romantik, auf
dem Kunstgebiete die Oberhand gewann, machte
laturgemäfs der Drang sich geltend, wieder gut
zu machen, was während der letzten Jahrhunderte,
Namentlich an den mittelalterlichen Kirchen,
gesündigt worden war. Leider artete dieser
■•Tang vielfach in einen gewissen Uebereifer aus,
welcher sich hauptsächlich durch Zerstören oder
Beseitigung von Solchem kundgab, was dem
W oder dem ursprünglichen Plan der alten
Kirche zuwiderlief, dessen Stelle dann meisten-
!,ls leer blieb. Solchem Vorgehen gegen-

über

wie es auch heutzutage noch, bald

6röfserem, bald in geringerem Mafse, vorkommt,
etonen wir die oben aufgestellte Regel. Für

Kirchen betreffend.

dieselbe treten schon im Allgemeinen Rück-
sichten der Pietät ein, welche wir von dem
Vorfahren zur Ehre Gottes Errichtetem, meist
im Laufe der Zeit Vielen Liebgewordenem, dann
wenigstens schulden, wenn es sich um Gegen-
stände von technischem und materiellem Werth
handelt. Stellt sich die Beseitigung solcher
Gegenstände auf Grund höherer Rücksichten als
nothwendig heraus, worüber erst bewährte Kunst-
kenner gehört werden sollten, so ist möglichst
für deren Aufbewahrung an irgend einem geeig-
neten Orte Sorge zu tragen. Stets bedenke man,
dafs Zerstören, Wegschaffen gar leicht ist, nicht
so aber, das Beseitigte durch schlechthin Muster-
gültiges, dem betreffenden Baue in jeder Hin-
sicht sich Anpassendes zu ersetzen. Insbesondere
gilt dies dann, wenn es sich um die Beseitigung
von Altären aus der Zeit der Stilentartung
handelt. Selbst in dem nicht selten sich dar-
bietenden Falle, dafs ein schwulstiger Altar-
kolofs aus der Zopfzeit den hinteren Theil eines
gothischen Chores, dessen Schlufsfenster ver-
deckend, zur Ungebühr ausfüllt, soll man den-
selben so lange fortbestehen lassen, als man
sich nicht in der Lage befindet, stilgerechte
Farbenfenster und einen kunstreichen, scharfer
Kritik Stand haltenden Hochaltar herzurichten.—
Beim Restauriren alter Kirchen pflegt durch-
gängig die Altarfrage eine Hauptrolle zu
spielen, da seit dem Vordringen der Renaissance
ein sozusagen systematischer Vernichtungskrieg
gegen die alten, für barbarisch beziehlich für
dem Kindesalter der Kunstübung angehörend
erachteten Altäre geführt wurde. Wir unserer-
seits sollen nun nicht, wie schon gesagt, Namens
des Mittelalters Wiedervergeltung üben; wo
aber die obwaltenden Verhältnisse dazu drängen
oder wenn überhaupt die Beschaffung eines
neuen Altars sich als nothwendig erweist, fragt
es sich, welcher Art und Gestalt derselbe werden
soll. Hierorts können nur wenige Bemerkungen
in Bezug auf diese, der Erörterung gar viele
Seiten darbietende Frage Platz finden. Verhält-
nifsmäfsig leicht ist deren Beantwortung, wenn
der Altar in einer Kirche gothischen Stils auf-
gerichtet werden soll. Ein mit bemalten Flügeln
versehener Holzschnitzaltar verdient da, unseres
Erachtens, unbedingt den Vorzug. Reichen zu
einem solchen die Mittel nicht aus, so bieten
sich einfachere alte Muster in so grofser Zahl
 
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