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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Humann, Georg: Die Restaurirung kirchlicher Bauwerke betreffend
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Dolberg, Ludwig: Sechs Bildtafeln im ehemaligen St. Claren-Kloster zu Ribnitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0171

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293

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

294

romanischen Schiffes in ernster feierlicher Würde
umgeben werden, so entsteht ein Bild, das unter
Umständen von entzückender Schönheit ist,
einer Schönheit, die gerade in dieser Art und
in diesem Mafse fast nur bei jenen Form- und
Stilgegensätzen zu erreichen ist!

Auch das Münster zu Essen kann man wieder-
um als glänzendes Beispiel anführen, dafs eine
stilistisch zusammengesetzte Kirche von schönster
Wirkung sein kann. In Fig. 1 ist der West- in
Fig. 2 der Ostchor dieser Kirche dargestellt.
Wer möchte behaupten, dafs bei ersterem die
gothischen Formen der runden Säulen und der
sich dem Halbkreis nähernden Gewölbbögen5)
mit den älteren Bildungen des X. Jahrhunderts
nicht in schönster Harmonie ständen? Ebenso-
wenig stören die zwischen dem Ostchor und
dem Schiff beibehaltenen romanischen Theile,
d. h. die Treppe mit dem Eingange zur Krypta,
die romanischen Pfeiler und das rundbogige
romanische Kreuzgewölbe. Im Gegentheil möchte
man diese älteren, von den neueren so verschie-
denen Bautheile als für die Gesammtwirkung
besonders günstige Glieder betrachten. In ge-
wissem Sinne zum Theil an Stelle eines sog.
Triumpfbogens bildeten dieselben den schönsten
Rahmen für die schlanken gothischen Formen
des heller erleuchteten Chores, dessen wirkungs-
volle Raumdispositionen (einschliefslich der en-
geren Säulenabstände) gröfstentheils, wie oben
angegeben, infolge engen Anschlusses an die
Wände und Pfeiler der Krypta erzielt sind.

Soll daher eine aus Bautheilen verschiedener
Stile zusammengesetzte Kirche restaurirt werden,
so ist durchaus nicht immer eine stilistische Ein-
heit anzustreben! Die fast bei jeder Restauration

5) Die Säulen sind infolge des Seitenschubs der
Gewölbe etwas aus dem Loth gewichen. Infolge dessen
haben die letzteren leider eine noch gedrücklere Form
erhalten.

sich geltend machende Sucht zu Uniformiren,
kann weder mit dem Bemerken gerechtfertigt
werden, dafs man im Mittelalter stets derartig
gehandelt habe, noch dafs ästhetische Gründe
eine Stileinheit durchaus erfordern.

Auch wenn eine Kirche infolge Anwachsens
der Gemeinde nicht mehr ausreicht bezw. ein
bedeutend gröfserer Raum für den Gottesdienst
erforderlich, oder eine Kirche bis auf einzelne
Theile baufällig geworden ist, so mag nicht immer
ein vollständiger Neubau zu empfehlen sein!
Viele Baumeister würden zwar aufser sich ge-
rathen, wenn man in derartigen Fällen den Vor-
schlag machen wollte, statt eines vollständigen
Neubaues einzelne alte Theile wieder zu benutzen
oder die zu klein gewordene Kirche nur durch
einen An- bezw. Erweiterungsbau zu vergröfsern.
Und doch dürfte man, wie gesagt, mit dem Hin-
weis auf unzählige' mittelalterliche Kirchen sich
häufig einen derartigen Vorschlag wohl erlauben!
Ja, es können durch solche Um- und Anbauten,
wie dies beim Essener Münster gezeigt ist und
noch an unzähligen anderen Kirche bewiesen
werden könnte, nicht allein sehr eigenartige,
sondern auch vorzüglich schöne Kompositionen
geschaffen werden. Auch hat man bei einem
Erweiterungsbau den grofsen Vortheil, mit viel
geringeren Mitteln die gleiche räumliche Ge-
sammtgröfse wie bei einem vollständigen Neu-
bau oder mit den gleichen Mitteln weit Gröfseres
zu erzielen. Soll nun dabei auch der Schönheit
gebührend Rechnung getragen werden, so wird
ein phantasievoller und mit Schönheitsgefühl be-
gabter Architekt auch diese zu erreichen wissen,
zumal wenn gerade die aus stilistisch verschie-
denen Theilen zusammengesetzten Bauwerke des
Mittelalters, mehr als dies bisher geschehen, in
den Bereich der Studien gezogen und aus ihnen
Anregungen und Belehrungen geschöpft werden.



Essen.

Georg Humann.

Sechs Bildtafeln im ehemaliofen

las derzeitige Fräuleinstift zu Ribnitz
in Meklenburg, ehedem ein von
Fürst Heinrich II. 1323 gestiftetes
Kloster der hl. Clara, birgt auf dem
sog. Chorsaale, welcher sich über zwei Drittel
der Kirche als Empore erstreckt, noch manchen
Kunstgegenstand aus katholischer Zeit. Von dem
Schmuck der früheren Altäre durch Holzschnitz-

St. Claren-Kloster zu Ribnitz.

werk in reicher Farbenpracht zeugen noch
einige Bildwerke, unter denen eine sitzende
Heilige und ein weiblicher Kopf in Lebens-
gröfse von vorzüglicher Arbeit. Ein Retabel
mit einer hl. Katharina in hocherhabener Aus-
führung und mit vier auf ihr Martyrium be-
züglichen Gemälden, ist noch ziemlich erhalten.
Zerbrochen ist eine Monstranz und ein Schau-
 
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