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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Mängel der gegenwärtigen kirchlichen Kunstthätigkeit in Deutschland, [2]
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1889. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

354

Mängel der gegenwärtigen kirchlichen Kunstthätigkeit in Deutschland

n.

lie Besprechung verschiedener Man-
gel, welche auf Seite der Besteller
liegen, hat bereits einige Fehler an-
gedeutet, für welche die Künstler
verantwortlich zu machen sind. Diese Fehler
heischen jetzt eine etwas eingehendere Prüfung,
bei der es sich selbstverständlich nur um Grund-
sätze, gar nicht um Personen handeln kann. Bei
einem im Dienste der Kirche arbeitenden Künstler
müssen Wollen und Können noch viel mehr als
sonst sich die Hand reichen, wenn etwas Wür-
diges zu Stande kommen soll.

Die kirchliche Kunst, welche wegen ihres
viel höheren Inhaltes und ihrer durchaus er-
habeneren Ziele wesentlich über die Profan-
kunst hinausgeht, stellt auch dem Künstler, der
ihr dienen, d. h. in der Ausgestaltung ihrer
Ideen helfen will, wesentlich andere Aufgaben,
welche selbst durch den Begriff der religiösen
Kunst bei Weitem noch nicht erschöpft werden.
Was er schafft, soll in einer dem Berufe des
betreffenden Kunstzweiges angemessenen Weise
die übernatürliche Bedeutung des Christenthums
zum Ausdrucke bringen nach Mafsgabe der
kirchlichen Bedürfnisse, Ueberlieferungen, Vor-
schriften. Die Gesinnung des Künstlers mufs
daher auch in dieser Richtung sich bewegen,
seine künstlerische Ausbildung ihr ent-
sprechen. Wer von den christlichen Wahrheiten
nicht durchdrungen ist, vermag ihnen auch
keinen befriedigenden Ausdruck zu geben, wie
ihn die Bedeutung und Würde des Gotteshauses,
die Erbauung und Erhebung seiner Besucher
verlangen. Die Anleitung dazu aber können
die allgemeinen Kunstschulen allein nicht ge-
ben, weil sie andere Zwecke verfolgen, ihr
Ziel so weit nicht reicht. Zu den elementaren
Begriffen und Fertigkeiten, die zunächst den
Zöglingen geboten werden, mufs schon bald
die spezifisch kirchliche Unterweisung hinzu-
kommen. Wird sie zu lange hinausgeschoben,
so lange, bis der Lehrling den Kursus der pro-
fanen Kunstgeschichte, welche fast nur die
Erzeugnisse der Antike und der Renaissance
kennt resp. empfiehlt, durchgemacht hat, dann
ist ihm in der Regel die Unbefangenheit ab-
handen gekommen, welche der Geschmack an
manchen mittelalterlichen Gebilden voraussetzt.
Auch die Werkstätte vermag ihn dann über die

Berechtigung derselben nicht mehr zu beruhigen.
Er hat nicht mehr Innerlichkeit, nicht mehr
Naivetät genug, um sich mit diesen eigenartigen
Erscheinungen zu befreunden, die ihm befremd-
lich, ja unnatürlich vorkommen, weil er für
ihren übernatürlichen Inhalt und die diesem
entsprechenden Formen durch die fast aus-
schliefsliche Beschäftigung mit der Natur und
ihren Gebilden den Geschmack verloren, bezw.
kein Verständnifs gewonnen hat. Wer also der
kirchlichen Kunst sich weihen will, der trete so-
fort in ihren Dienst und treffe darnach die Wahl
der Werkstatt, welche dann auch in Bezug auf
den sie ergänzenden theoretischen Unterricht,
vor Allem des Zeichnens, die Direktive geben,
d. h. die entsprechende Anstalt anweisen mufs.

Der Besuch der Akademien ist durchaus
ungeeignet, auf die kirchliche Kunstthätigkeit
vorzubereiten, weil jene vielfach zu Anschau-
ungen erziehen und an Auffassungen gewöhnen,
welche mit der ernsten kirchlichen Kunst und
dem- Geiste wahrer Frömmigkeit, die ihre Ge-
bilde durchwehen mufs, nicht vereinbar sind.
Defswegen gelingt es auch aus diesem Kreise
nur äufserst Wenigen, der Kirche sich wahrhaft
nützlich zu machen, nur denjenigen nämlich,
welche Einsicht und Selbstverläugnung genug
besitzen, um zu „verbrennen, was sie bis dahin
angebetet haben", den Naturalismus, und „anzu-
beten, was sie bis dahin verbrannt hatten", die
idealen Formen des Mittelalters. Wer dann zu
diesen vollständig sich zu bekennen vermag,
dem mögen seine früheren Studien und der
durch sie gewonnene Geschmack sogar Mittel
werden, jene noch zu vervollkommnen und zu
veredeln.

Es ist eine auffallende Erscheinung, dafs,
während auf dem Gebiete der profanen Malerei
eine wahre, sogar eine bedenkliche Ueberpro-
duktion von Künstlern und Kunstwerken sich
geltend macht, die kirchliche Malerei mancherlei
Aufgaben stellt, für deren Lösung es an den
erforderlichen Kräften fehlt. Das Bedürfnifs, die
Wände des Heiligthums mit Darstellungen zu
schmücken, den Altären bemalte Aufsätze und
Flügel zu geben, ist erfreulicherweise wieder
neu erwacht. Zahlreich sind die in jeder, auch
in finanzieller Beziehung befriedigenden Auf-
gaben, welche für diese wie für ähnliche Zwecke
der Maler harren, aber gering und unzulänglich




 
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