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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0034

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1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

38

Bücherschau.

Preufsen zur Zeit der La n dm eiste r. Beiträge zur
Baukunst des deutschen Ritterordens, von C. Stein-
brecht, Regienmgsbaumeister. Mit 40 Tafeln und
zahlreichen in den Text gedruckten Abbildungen.
Berlin, Verlag von Julius Springer. 1.888.

Kunsthandbücher enthalten verhällnifsmäfsig We-
niges über die mittelalterliche Baukunst im Osten un-
seres Vaterlandes. Und doch findet sich in jenen ent-
legenen Gegenden noch eine Menge sehr beachtens-
werter und künstlerisch vollendeter Werke der Ver-
gangenheit, deren Erforschung und Veröffentlichung
um so mehr zu wünschen ist, als sich uuter ihnen
neben kirchlichen auch eine grofse Anzahl weltlicher
Bauten frühgothischen Stiles befindet, an welchen be-
kanntlich nicht gerade Ueberflufs herrscht. Unter diesen
nehmen die Schöpfungen des deutschen Ritterordens,
dessen Landmeister sich um das Jahr 1230 in Preufsen
ansiedelten, die hervorragendste Stelle ein.

Mit dankenswerther Unterstützung des Herrn Kultus-
ministers von Gofsler hat der jetzige Königliche Land-
bauinspektor Steinbrecht zu Marienburg i. Westpr. ein-
gehende Untersuchungen auf dem Gebiet der Baukunst
des deutschen Ritterordens angestellt. Ihre (22) Wohn-
sitze, welche zumeist in Trümmern liegen, hat er auf-
gesucht, erforscht, gemessen, gezeichnet, und das Er-
gebnifs seiner vieljährigen emsigen Arbeit in einem statt-
lichen Bande niedergelegt, dessen reichen Inhalts sichnicht
allein die Baukünstler, sondern auch die Geschichtsforscher
und Alterthumsfreunde nur aufrichtig freuen können.

Was dem Leser geboten wird, besieht nicht etwa
in einer lediglich fachwissenschaftlichen, auf Messungen
und Zeichnungen beruhenden Abhandlung über Zweck,
Bauart, Anlage und Ausstattung der einzelnen Ordens-
bauten, sondern auch in einer an der Hand der Bau-
beschreibung entworfenen Schilderung des bewegten
Lebens und Wirkens der Ritter zu Kriegs- und Frie-
denszeiten innerhalb ihrer Burgen.

Die geschickte Wahl der Baustelle, die Anlage
der Vorburg, Gräben, Mauern, Thürme, Wehrgänge
und Thore gewähren Einblick in die Art der Verthei-
digung, und bekunden die Umsicht, mit welcher bei
Errichtung eines festen Platzes verfahren wurde im
Hinblick auf lange und hartnäckige Kämpfe, die gegen
rohe Kriegesschaaren unablässig zu bestehen waren.
Und anderseits weisen Vorrathsräume, Keller, Stal-
lungen, Gebieterwohnung, Schlafsaal, Konventsremter,
Kapitelsaal und Kapelle darauf hin, dafs das Ritterschlofs
nicht nur kriegerischen, sondern auch wirtschaftlichen,
geselligen u. gottesdienstlichen Zwecken zu dienen hatte.
Die Anordnung der einzelnen Baulichkeiten in
regelmäfsigem Viereck um einen mittleren Hof ist bei
allen Schlofsanlagen feststehend, mit Ausnahme der-
jenigen zu Balga, welche ein unregelmäfsiges Vieleck
zum Grundrisse hat. Remter, Kapitelsaal und Kapelle,
als die vornehmsten Räume des Hauses, sind archi- :
tektonisch stets ausgezeichnet durch reichere Decken-
bildung, gesteigerte, jedoch wohl abgewogene Höhen-
Verhältnisse, sowie durch Feinheit der Gliederungen
und Verzierungen. Mit letzteren sind namentlich die
Kapellen ausgestattet, welche aufserdem noch in sofern
Beachtung verdienen, als deren Altarraum nicht viel-

seitig, sondern grade abgeschlossen ist. Ausnahme
bildet dagegen die Schlofskapelle zu Reden, welche
die gewifs seltene Gestaltung eines Chors nach zwei
Seiten des Zehnecks und überdies eine eigenthümliche,
durch die Höhenlage des Wehrganges bedingte Aus-
bildung des oberen Fenstermafswerkes aufweist. Die
an der Evangelienseite einzelner Kapellen gelegenen
sehr kleinen Räume, welche vom Kreuzgange aus zu-
gänglich sind, und nur ein kleines nach dem Altar
hin gerichtetes Schauloch besitzen, werden als Büfser-
zellen gedeutet. Das Aeufsere der Gebäude zeichnet
sich durch edle Verhältnisse, eigenartige Umrifslinien
sowie durch ein in Farbe und Bearbeitung gleich vor-
zügliches Ziegelmaterial aus.

Ein weiteres Eingehen auf die Einzelheiten der
Abhandlungen, zu welchen auch eine übersichtliche in
knapper Form gehaltene Darstellung der wichtigsten
Ereignisse der Deutschordensgeschichte vor und nach
der Eroberung Preufsens gehört, gestattet der enge
Rahmen einer Berichterstattung nicht. Es sei nur noch
erwähnt, dafs der gröfste Theil der dem Werke bei-
gegebenen Abbildungen aus Lichtdrucken nach den
Aufnahmezeichnungen des Verfassers besteht, welche
Zeugnifs ablegen von dessen Befähigung, gröfsere Ge-
bäudegruppen nach der Natur treffend zu skizziren,
sowie von der peinlichen Genauigkeit, mit welcher er
die Bauten nicht nur im Grofsen sondern auch in
ihren architektonischen Gliederungen bis zum Einzel-
nen aufgemessen und wiedergegeben hat. Diese Auf-
nahmen bilden für den Fachmann eine Fundgrube von
mustergültigen Vorbildern aus der Blüthezeit der mittel-
alterlichen Baukunst, von welcher der Verfasser sagt: „Wir
sind gewohnt, die Deutschordenskirche St. Elisabeth zu
Marburg (1237 bis 1280) als reinste Schönheit zu ver-
ehren: — Demselben Geist, derselben Kunst entstammen
die Ordensbauten der Landmeisterzeit in Preufsen."

Mit diesem Ausspruch schliefst Steinbrechts Werk.
Wer sich dessen Studium hingegeben hat, wird dem
nicht nur voll zustimmen, sondern auch überzeugt sein,
dafs nach solch eingehenden Forschungen über die
Bauten des deutschen Ritterordens, das Werk der
Wiederherstellung seines hochberiihmten Hochmeister-
Schlosses zu Marienburg i. Westpr., welches der Ver-
fasser seit geraumer Zeit leitet, in bester Hand liegt.

Hildesheim. F. C. H e i m a n n.

F. v. Reber u. Ad. Bayersdorfer: „Klassischer
Bilderschatz". München, Verlagsanstalt für Kunst
und Wissenschaft (vormals Friedr. Bruckmann).
Das Unternehmen der rührigen Bruckmann'schen
Verlagsanstalt, eine „Sammlung sämmtlicher Meister-
werke der bildenden Kunst aller Zeiten und aller
Kulturvölker" in möglichst billigen aber treuen Re-
produktionen herzustellen, hat sich bereits jetzt, nach-
dem die ersten acht Lieferungen erschienen sind, eines
solchen Erfolges zu erfreuen, dafs es fast überflüssig
erscheinen könnte, noch besonders auf diese Publi-
kation aufmerksam zu machen. Schon die Namen
der beiden Herren, denen die Leitung anvertraut ist,
bürgen für eine zu gleicher Zeit vielseitige, von den
weitesten Gesichtspunkten ausgehende und einheitliche,
auf ein scharfes Erfassen des Begriffes „Meisterwerk"
 
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