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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Schnütgen, Alexander: Die retrospektive kunstgewerbliche Ausstellung im Trokadero in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0083

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129

1889. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

130

Die retrospektive kunstgewerbliche Ausstellung im Trokadero zu Paris.



i.

Mit den Welt- wie Landesausstellungen pflegt seit
Jahren eine Abiheilung für alte Kunstgegenstände ver-
bunden zu sein. So hotte Wien eine solche 1873,
Paris !878, München 1876, Düsseldorf 1880, Kassel,
Karlsruhe, Stuttgart 1881, Nürnberg 1885 u. s. w.
Die diesjährige Weltausstellung hat sogar drei der-
artige Abtheilungen eingerichtet, eine in dem Palaste
für die „freien Künste" unter dem Titel: „Expo-
sition retrospective du travail", die zweite in
dem Gebäude des Kriegsministeriunis als Waffen -
Sammlung, die dritte im rechten Flügel des Troka-
dero, der 1878 demselben Zwecke diente und seit-
dem in wahrhaft grofsartiger Anordnung Abgüsse von
'niltelalterlichen Denkmälern des Landes aufnimmt.

Die erstere Abtheilung soll die menschliche
Handfertigkeit zeigen in ihrer Entwickelung von den
ersten Anfängen bis in unsere Zeit, ein überaus lehr-
reiches Bild, nicht lückenlos, aber von unglaublicher
Mannigfaltigkeit und Reichhaltigkeit, in einer unermefs-
kchen Zahl von Räumen, Kabinetten, Schränken sich
entfaltend. Die ersten Steinmetzen, Baumeister, Weber,

I Opfer, Schmiede, Giefser, Emailleure u. s. w. u. s. w.
werden in plastischen Gruppen natürlicher Gröfse
höchst anschaulich vorgeführt; die einzelnen Kunst-
Handwerker haben ihre Werkstätten in alterlhümlicher

"eise mit unzähligen alten Gegenständen eingerichtet:
d'e Goldschmiede, Uhrmacher, Schlosser, Waffen-
schmiede, Schreiner, Bildhauer, Buchdrucker u. s. w.
uer Umstand, dafs einige der hervorragendsten Pariser
Kunsthandwerker seit Jahren alte Kunstgegenslände
aus dem Gebiete ihrer Berufstätigkeit in grofsem
^'fle sammeln, wie die Gebr. Moreau Eisenarbeiten,
Garnier Uhren, Marmuse chirurgische Instrumente,
M°rgand Bucheinbände, hat diese beispiellose Ein-
r'ehtung ermöglicht. Selbst eine alte Küche und ein
A'chemistengemach fehlen nicht; ein Raum mit alten

"'sikinstrumenten, ein anderer mit Jagd- und Fisch-
geräthen war gerade eingerichtet und die gesammte
"ueneinrichtung von dem Ausstellungssaale des Musee
'antin in Antwerpen sollte eben hier wieder zusammen-
gestellt werden. Was aufserdem in Hunderten von
"rillen an alten Scheeren und Messern, mathema-
schen, physikalischen, astronomischen Instrumenten,

II Kämmen und sonstigen Toilettegegenständen, an
'asern, Mosaiken und Krügen, an Geweben und Spitzen,
1 Miniaturen, Druckwerken, Bucheinbänden etc. etc.

' " den oberen Gallerien dieser vorzüglich beleuchteten

■"heihing zusammengetragen und ganz übersichtlich

"gestellt ist, Leihgaben einer langen Reihe von kleinen

'd grofsen Sammlern, ist so zahlreich und theilweise

lch so bedeutend, dafs nur ein mehrtägiges Studium

völlig zu würdigen vermag. Es sei daher diese

tneihing ernster Prüfung angelegentlich empfohlen !

In ihren Einzelnheiten viel bedeutender ist die in

n grofsen und eleganten Gebäude des Kriegs-

^'Histeriums trefflich aufgestellte Waffensammlung,

e lange und glänzende Reihe von Rüstungen und

Ungstheilen, von Streitkolben und Jagdspiefsen,

Hellebarden und Partisanen, von Schwertern und

el", von Dolchen und Degen, von Armbrüsten und

Gewehren, von Büchsen und Pistolen, von Sätteln und
Schilden, von Decken und Fahnen, kurz von Allem,
was den Inhalt einer berühmten Rüstkammer zu bilden
vermag. Fast Alles kommt aus Privatbesitz, und den
werthvollsten Beitrag hat die Sammlung Spitzer ge-
liefert durch unvergleichliche glatte Rüstungen des
XV., getriebene und geätzte des XVI. Jahrhunderts,
durch ein gothisches Schwert, dessen geschnitzter
Buchsgriff aller Beschreibung spottet, durch einen
runden Lederschild mit auf beiden Seiten getriebenen
figuralen Darstellungen und durch viele andere Waffen-
stücke von hoher Schönheit. Auch dieser Abtheilung
möge also der Besuch nicht vorenthalten bleiben !

Wir wenden uns endlich unserem eigentlichen Ziele,
der retrospektiven Ausstellung im Trokadero
zu, deren Inhalt viel mehr, als der von den beiden
vorigen Abtheilungen, in den Rahmen unserer Zeitschrift
pafst. Der rechte, ebenfalls einen Viertelkreis beschrei-
bende Flügel dieses gewaltigen die Ausstellung nach
der einen Seite abschliefsenden Palastes eignet sich sehr
für eine derartige Ausstellung, weil er aus einer Reihe
grofser lichter Räume besteht, welche auch bestimmt
sind, grofse Gypsabgüsse aufzunehmen und in mehreren
gewaltigen, die einzelnen Abtheihingen miteinander ver-
bindenden Portalen deren bereits besitzen. Durch das
Portal von St. Trophimus in Arles tritt man in den
ersten, durch das zu Moissac in den zweiten, durch das
der Abteikirche von Charlien in den dritten, durch das
von St. Gilles in den vierten Saal und in diesen vier
Sälen paradiren die Kostbarkeiten der Goldschmiede-
kunst und des Emails, der Elfenbein- und Holzschnitzerei,
der Leder- und Eisentechnik, der Stickerei und Weberei,
der Fayence und des Porzellans, welche ein Bild geben
sollen von dem, was Frankreich in unserem Jahrtau-
send auf diesen verschiedenen Gebieten künstlerischen,
vielmehr noch kunstgewerblichen, Schaffens geleistet hat.

Diese Beschränkung auf Kunstgegenstände fran-
zösischen Ursprunges mochte sich empfehlen nicht
nur, weil sie die Auswahl erleichterte. Strenge durch-
geführt werden konnte sie aber nicht, einerseits weil
namentlich in den älteren Perioden die Ausstellung des
Heimathscheines zuweilen unüberwindliche Schwierig-
keilen bietet, anderseits weil einzelne Gebiete, beson-
ders die der mittelalterlichen Weberei, Stickerei und
figuralen Holzplastik sonst wohl allzu dürftig erschienen
wären. So haben sich denn mehrere Grubenschmel.:-
arbeiten von der Maas, sogar einzelne vom Rhein ein-
gefunden, ein Paar kirchliche Gefäfse, die nach Köln
hinweisen, einige Holzgruppen, die niederrheinischer,
manche, die flämischer Herkunft sind, verschiedene
flandrische Gobbelins, mehrere italienische Stickereien,
wohl auch eine spanische. Das Alles aber und wohl noch
das eine oder andere zweifelhafte Stück thut der fran-
zösischen Eigenart der Ausstellung keinen wesentlichen
Eintrag. Ihr Schwerpunkt liegt in der Emailtechnik,
namentlich der frühen (Grubenemail) und späten (Maler-
email) von Limoges, in der Goldschmiedekunst
der romanischen Periode, in der Elfenbeinplastik,
der früh- wie spätmittelalterlichen, in den kleinen ge-
schnittenen Eisenarbeiten, in den Fayencen Palissy's
wie vonNevers undRouen, in den Porzellanen vonSevres.


 
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