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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Merlo, Johann Jacob: Johann von Crane und seine Stiftungen in der St. Ursulakirche zu Köln
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Sommer, Gustav: Die Skulpturen an der St. Bonifatiuskirche, gen. "Marktkirche" zu Langensalza
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0077

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117

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

118

Die Skulpturen an der St. Bonifatiuskirche, gen. „Marktkirche" zu Langensalza.

Mit Abbildung

ie Stadt Langensalza (Reg.-Bez. Er-
furt) birgt zwei Kirchen in ihrem
Weichbilde, welche in ihren Haupt-
theilen aus der besten Zeit der
Gothik stammen, leider freilich auch mannigfache
durch die Kriegszeiten und Bauernunruhen her-
beigeführte Zerstörungen, Verstümmelungen und
unpassende Ergänzungen aufweisen. Doch ist
noch so viel Wesentliches aus dem ursprüng-
lichen Plane vorhanden, dafs dieses zu dem
Beachtenswerthesten der mittelalterlichen Kunst
gehören dürfte.

Während an der etwas älteren St. Stephans-
kirche, genannt „Bergkirche", fast nichts Figür-
liches sich vorfindet, zeigt die Marktkirche
desto mehr, und hat bereits in dem zweiten
Heft der von der historischen Kommission der
Provinz Sachsen herausgegebenen Bau- und
K-Unstdenkmäler, Kreis Langensalza, eine gene-
relle Beschreibung der drei hauptsächlichsten
Skulpturentheile stattgefunden. Sie verdienen
Jedoch eine etwas eingehendere Prüfung ihres
Inhaltes.

Das westliche Portal, überaus reich an-
gelegt und für den Zweck grofser Prachtentfal-
tl'ng in dem feinkörnigen, jedes kleinste Detail
gestattenden Sandstein vom Seeberg bei Gotha
ausgeführt, während die ganze grofse Kirche
sammt ihrem 81 m hohen Thurm sonst in dem
a>n Orte selbst gebrochenen herrlichen Kalk-
tuff erbaut ist, zeigt im Gedankengang der
Anlage eine so nahe Verwandtschaft mit dem
des Westportals der Lorenzkirche zu Nürnberg,
dafs man fast auf denselben Baumeister zu
Schliefsen sich berechtigt halten könnte. Ist ja
auch die Zeit der Ausführung fast genau die
gleiche. Während aber das der Lorenzkirche
Unversehrt auf unsere Zeiten gekommen ist,
hat leider das in Rede stehende Portal der
Marktkirche beklagenswerthe, wüsteZerstörungen
Und Beraubungen in der Zeit des Bauernkrieges,
der hier unter Anführung der Mühlhäuser Rotten
besonders häfslich wüthete, aufzuweisen. Es
'etilen in der Leibung des Spitzbogens sämmt-
lche Statuen, deren Zahl bis zu 50 vermuthet
werden darf, wie aus deren Standörtem und
den noch vorhandenen Dübeln zu schliefsen
lst- Es fehlen die thurmartig angelegten Seiten-
anken und der grofse Wimperg dazwischen

zur Ueberdeckung des Portales selbst und zur
Verdeckung des rohen Mauerbogens dahinter.

Ein Vergleich sei gestattet. Während das
Lorenzportal in der emporsteigenden Leibung
zweinischig war und auf jeder Seite eine Statue
auf hohem Konsol und unter einer Fiale stand,
— stieg das Marktkirchenportal dreinischig in
die Höhe und wurde noch durch eine zwei-
nischig lothrecht aufsteigende Thurmlisene flan-
kirt, deren zwei Nischen durch phantastische
Engelsköpfe und symbolische Thiere getrennt
waren. Allem Vermuthen nach waren auch
hier wie an der Lorenzkirche reich verzierte
Eichenholzthüren vorhanden, die aber durch
eine Feuersbrunst vernichtet wurden, wie man
an desfallsigen Spuren an den Unterstücken
des Mauerwerks recht deutlich sehen kann.
Beide Thüren haben in dem viereckigen Unter-
stück unter dem Spitzbogen ein Verhältnifs von
annähernd 2:3, doch reichten die Langen-
salzaer Thürflügel bis zum Spitzbogen selbst
hinauf, die Nürnberger nur 3/5 so hoch. In
dem letzteren sind die zurückgelassenen 2/s des
unteren Vierecks durch Reliefbilder in Spitz-
bogenblenden und die Zwickel darüber durch
vier erzählende Figuren mit aufgerollten Spruch-
bändern ausgefüllt. Bevor daselbst der Spitz-
bogen des grofsen Bogenfeldes beginnt, sind in
einem friesähnlichen Streifen, überdacht durch
eine in der Mitte für den Crucifixus unter-
brochene Baldachinreihe die Ereignisse der
Charwoche dargestellt, darüber die Auferstehung
der Todten und über ihnen die Sonderung der
guten von den bösen Menschen, ganz oben der
Heiland als Weltrichter, angebetet von den auf
ihre Kniee gesunkenen Maria und Johannes.
Rechts und links zwei Posaune blasende Engel.

Am Langensalzaer Portal ist das reine Giebel-
feld in drei klare Stockwerke getheilt, oben in
einer Mandorla der richtende Christus, auf einem
in der Mitte unterbrochenen, mit Cherubims
besetzten Wolkenstreifen beiderseits ebenfalls
die knieenden Maria und Johannes, hinter ihnen
zwei Posaune blasende Engel (ganz wie in
Nürnberg). In der Mitte der Höhe die zwölf
Apostel, sitzend und einander unterhaltend,
meist an ihren Beiwerken zu erkennen. Der
Querbalken, worauf die Apostel sitzen, ist an
der Unterseite durch ein reiches Ornament ge-
 
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