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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Adam, Paul: Ueber geschnittenes Leder
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0160

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Abhandlungen.

Ueber geschnittenes Leder.

Mit Lichtdruck (Tafel XIII) und 4 Abbildungen.

er erste Rohstoff, der — abgesehen
von Muscheln, Knochen, Früchten
und ähnlichen Naturerzeugnissen —
zur Verzierung menschlicher Ge-
brauchsgegenstände verwendet wurde, war Leder.
Bevor man das Bearbeiten der Metalle, das Ge-
webe und gebrannte Erde kannte, wurden die
Felle der Thiere zum Schmuck und zur Beklei-
dung des Körpers wie der Wohnungen benutzt.
Es war bis zur Kenntnifs des Leders, d. h. des
durch Gerbung erzeugten Halbfabrikates noch ein
weiter Schritt; sowie derselbe aber gethan war,
mufste er zur weiteren verzierenden Thätigkeit
herausfordern. In der That ist kaum ein Stoff
vorhanden, der mit äufserst geringen und ur-
sprünglichen Werkzeugen eine so vorzügliche
Verzierung gestattet, als das Leder.

Es liegt in der Natur dieses Rohstoffes, dafs
er zuerst zu Riemen zerschnitten und diese zu
Flechtungen, Bindungen, Schnürungen verarbeitet
wurden. Deswegen stellen auch die ältesten Stücke,
welche uns von geritztem Leder erhalten sind,
und welche diese Arbeitsweise in ihren Anfängen
zeigen, Bandverschi ingungen und Knoten dar.
Diese ältesten bekannten Stücke sind Sandalen,
gefunden in koptischen Gräbern Nordafrikas.
Auf der glatten, sog. Haarseite des Leders finden
sich hier Verzierungen eingeschnitten, die aber
nicht einfach eingeritzt sind, sondern scheinbar in
der Weise hergestellt wurden, dafs man schmale
Lederstreifchen aus der Epidermis herausschälte.
Etwas ganz Aehnliches bewerkstelligen unsere
heutigen Sattler mit dem sog. Schneid- oder Reifs-
Z1rkel, welches Werkzeug dazu dient, 1;;//;/ breite
'jederstreifchen aus der Oberfläche herauszuheben
Zl"' Aufnahme einer Garn- oder Seidennath.

Diese Arbeiten, deren Eindruck durch das
Eintragen von Erdfarben und in Verbindung
ttut hellfarbigen Riemchen noch erhöht wird,
dürften als die Vorläufer des geschnittenen Leders
angesehen werden, obgleich die Arbeitsweise
sich in wesentlich anderer Richtung entwickelte.
*fen verschmähte das Messer, bediente sich des
^inziehpunzens und trieb die Ornamente genau

wie Metall, wodurch die Wirkung eine ganz andere
wurde. Man wird kaum fehlgehen, wenn man
annimmt, dafs diese Arbeiten von Gold- oder
Waffenschmieden, vielleicht auch von jedem Hand-
werker, der mit dem Treiben des Metalles um-
zugehen wufste, hergestellt wurden. Das einzige
dem Verfasser bekannte Beispiel aus dem früheren
Mittelalter ist das Jagdmesser Karls d. Gr. im
Domschatz zu Aachen. Diese Arbeit ist so vor-
züglich in Technik und Ornament, dafs sie von
den besten Stücken aus italienischer Renaissance-
zeit kaum übertroffen wird. Gerade dieses seltene
und wohlerhaltene Stück aber liefert den Beweis,
dafs es von einem Metallarbeiter hergestellt ist.
Der Lederarbeiter würde die Scheide unter allen
Umständen mit Leder oder doch mit Hanf ge-
näht haben; dies ist aber hier nicht der Fall,
sondern der Zusammenhalt ist durch kräftige
kupferne Nieten bewerkstelligt. — Auf diesem
Gegenstande befindet sich auch der Name des
Verfertigers BVRHTZIGE MEC FE CID.

Was das Ornament anlangt, so ist dasselbe
einigen Verzierungen aus karolingischer Zeit so
ähnlich, dafs eine Zurückführung der Scheide
bis in diese Periode nicht unstatthaft erscheint.

Zu bedauern ist nur, dafs aus jener Zeit wei-
tere Beispiele nicht bekannt sind. Sicher dürfte
es sein, dafs nach der Zeit Karls, während der
Kreuzzüge, die Technik zum ersten Male ganz
eingeschlafen und erst in gothischer Zeit nach
Mitte des XIV. Jahrh. zu neuem Leben erwacht
ist, und zwar ebenfalls vorerst unter Anwendung
des Ziehpunzens, dann mit dem Messer geschnit-
ten, als einfache Ritzarbeit und ohne jeden Ver-
such des Treibens.1) In dieser Technik begegnen

') [Auf der diesjährigen Pariser Ausstellung erschien
in der retrospektiven Abtheilung des TroUadero ein be-
reits im II. Bande dieser Zeitschrift Spalte 173 erwähntes
Leder-,,KöfTerchen mit abgeschrägtem Deckel", dessen
„aufseigewöhnlich stark reliefirte Thiergebilde" noch
im roman. Formenkreise gehalten sind. — Das Kunst-
gewerbe-Museum in Berlin besitzt (aus dem Merseburger
Dome stammende" Seitentheile eines Lederkästchens mit
eingeritztem roman. Ornament (Ranken und Palmetten).
Auch aus der frühgothischen Periode fehlt es an ähn-
lichen Arbeiten nicht ganz, so dafs an einer gewissen
Kontinuität dieser Technik (sowohl der geritzten wie der
getriebenen; kaum zu zweifeln ist.] D. II.
 
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