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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Wiethase, Heinrich: Entwurf zu einem auf mehrfache Erweiterungen angelegten Kirchenbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0216

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373

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

374

Entwurf zu einem auf mehrfache Erweiterungen angelegten Kirchenbau.

Mit 6 Abbildungen.

gesehenen Weiter- und Ausbau gelangt, so bleibt

iur Lösung dieser höchst wichtigen
und zeitgemäfsen Frage liefert ein
mir vom Herrn Baumeister Wiet-
J| hase vorgelegter und in einem Pri-
vatbriefe erläuterter Entwurf einen so schätzens-
werthen Beitrag, dafs ich nicht glaube unterlassen
zu dürfen, Beides zur Kenntnifs unserer Leser
zu bringen, mit dem Ausdrucke des Wunsches
und der Hoffnung, dafs die hier gebotene An-
regung weitere Beiträge herbeiführe.

Der Herausgeber.

Sehr geehrter Herr Domkapitular!

Angeregt durch unsere kürzliche Unterhaltung
betreffs des Kirchenprojektes für S. habe ich
wiederholt darüber nachgedacht, ob die seither
üblichen Verfahren bei der Planfeststeliung von
solchen Kirchen, die voraussichtlich in späterer
Zeit erweitert werden müssen, die richtigen sind.
Wie in dem Orte S., können auch Fälle ein-
treten, wo eine Erweiterung überhaupt fraglich
ist, man aber den Gedanken daran nicht aus-
schliefsen will. In vielen Orten der Industrie-
gegenden ist man zum Bau von Nothkirchen
übergegangen, die 25- bis 50 000 Mk. gekostet
haben, und von denen manche heute schon
verschwunden sind, womit das betreffende Ka-
pital fortgeworfen ist. Weiter ist zu bedenken,
dafs es immerhin eine gefährliche Sache ist, bei
Gemeinden, die gröfstentheils aus Industriearbei-
tern bestehen, den Weg der Anleihe zu betreten,
dafs es vielmehr räthlich erscheint, sich mit frei-
willigen Beiträgen, so gut es geht, durchzuhelfen,
womit ein stückweises Bauen nothwendig wird.
Baut man nun in dieser Weise, so ist das bisherige
Verfahren derartig, dafs man entweder zuerst den
Chortheil der Zukunftskirche baut oder das Schiff
mit provisorischem Choranbau oder beide Theile,
also Schiff und Chor mit Berücksichtigung später
anzusetzender Kreuzflügel bezw. Seitenschiffe.

Man ist dabei aber genöthigt, in allen Fällen
sofort die für die Gesammtkirche erforderlichen
Höhenverhältnisse einzuhalten, die natürlich zu
dem vorläufig zu erbauenden Theil des Ganzen
in keinem Yerhältnifs stehen. Die Folge ist, dafs
das Provisorium unschön wird und man ihm
überhaupt den bleibenden Stempel des Unvoll-
endeten und Unvollkommenen aufdrückt. Tritt
nun der Fall ein, dafs man nicht zu dem vor-

der unproportionirte Bautheil mit seinen un-
schönen für einen Fortbau bestimmten Ansätzen
ein bleibendes Aergernifs, das Bild einer ver-
fehlten Spekulation und zerstörter Hoffnungen
vergangener Tage. Für den denkenden Beschauer
wird der Anblick jedenfalls alle Gedanken an
die Monumentalität des Gebäudes verscheuchen,
und lediglich das Bewufstsein irdischer Ver-
gänglichkeit in seiner Seele wachrufen. Es wird
sich demnach das Bedürfnifs ergeben, einen
Theilbau zu konstruiren, der von Anfang an das
Ansehen des für sich Abgeschlossenen, Fertigen
darbietet, dieses Ansehen auch später, nach Fertig-
stellung der einzelnen Vergröfserungen möglichst
bewahrt, und dessen Innenwirkung keine zu
groben Verstöfse gegen die allgemeine Harmonie
der Verhältnisse zeigt.

Mein Vorschlag geht nun dahin, für den
ersten Anfang ein besonders gestaltetes Quer-
schiff, im Plane mit I bezeichnet, zu nehmen
und den ganzen Aufbau in seiner für immer
bleibenden Gestaltung fertigzustellen. Hierbei
soll indessen so verfahren werden, dafs der
Mitteltheil einem sog. Centralthurm ähnlich be-
handelt wird, derartig, dafs event. im Dach-
stuhl auch eine oder zwei gröfsere Glocken Platz
finden können. Der Hochaltar würde an der
Nordwand des Kreuzflügels aufgestellt werden,
die abgetrennte Seitenhalle daneben vorläufig
die Sakristei bilden; im südlichen Kreuzflügel
würde eine geräumige Orgelbühne und Empore,
darunter der Haupteingang anzubringen sein. In
der perspektivischen Ansicht habe ich mich be-
müht, skizzenhaft ein besser verständliches Ge-
sammtbild zu geben. Ein solcher Bau bietet aus-
reichenden Raum für 210 Sitzplätze und 80 Steh-
plätze, sowie für 80 Kinderplätze, im Ganzen also
für 370 Kirchenbesucher, könnte mithin schon
einer Gemeinde von 500 bis 700 Seelen genügen.
Seine Ausführungskosten betragen nach ziemlich
genauer Berechnung bei Annahme vollständiger
Wölbung 30 000 Mk., bei der Flerstellung einer
flachen Decke 32000 Mk. Zu dieser Summe
treten noch etwa 7000 Mk. für die nothwen-
digste Möblirung und einigen Dekor hinzu.

Mit dem Bauabschnitte, den ich im Plane
mit 11 bezeichnet habe, wird die innere Ein-
richtung der Kirche in seitheriger Weise belassen.
 
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