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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Schnütgen, Alexander: Tafelgemälde aus der Schule des Meisters der Lyversberger Passion
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0214

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371

1881». — ZEITSCHRIFT KUR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

87-2

Tafelgemälde aus der Schule
des Meisters der Lyversberger Passion.

Mit Lichtdruck (Tafel XVIII).

Hälfte eines Flügelgemäldes,
im Kölner Museum wird
durch die hier beigegebene
Lichtdrucktafel veranschau-
licht, welche den Tempel-
gang der kleinen hl. Maria
darstellt, während die andere
Hälfte,von welcher eines
der nächsten Hefte die
Abbildung bringen wird, durch die Dar-
stellung der Verkündigung ausgefüllt ist. Der
andere, ebenfalls zweigeteilte Flügel, zeigt die
Darbringung Jesu im Tempel und seine Ver-
klärung auf Tabor. Die Breite jedes Bildes be-
trägt 50 cm, die Höhe 95 cm. In der Anord-
nung und Gruppirung der einzelnen Figuren
verrathen die Bilder eine geschickte Hand, in
der Farbengebung und -Stimmung einen tüch-
tigen Koloristen, in der Wiedergabe der Stoffe
einen sehr gewandten Zeichner. Die Bewegungen
hingegen lassen Manches zu wünschen übrig,
nicht minder der Ausdruck, und die Perspektive
leidet — auch für diese Zeit — an grofsen Män-
geln. An den Meister der Lyversberger Pas-
sion erinnert die ganze Behandlung; aber es
fehlt die Durcharbeitung des Meisters, seine feine
Charakterisirung, das Leben in den Köpfen,
die Bewegung in den Händen, die Anmuth in
den Linien. — Diese Mängel treten auch auf
der hier beigefügten Abbildung deutlich zu Tage.
Die Mutter Anna scheint theilnahmlos trotz der
ausgebreiteten übrigens sehr schwachen Hände,
Joachim steht in gespreizter, ungeschickter Ge-
berde und sieht träumerisch dem geheimnifs-
vollen Kinde nach, welches schüchtern die
Stufen hinaufschreitet. Auf der Höhe wird es
erwartet von der schlanken Figur des als Bischof
gekleideten Hohenpriesters, bei dem die Ruhe
seiner Haltung zu dem in seiner Rechten pen-
delnden Rauchfasse in einem gewissen Wider-
spruche sich befindet. Joachim und Anna stehen
auf dem quadratisch gemusterten Marmorboden
vor der untersten Stufenreihe. Diese hat Maria
erstiegen und sieht sich im Profil nach ihrem
Vater um, der ebenfalls recht geschickt im
Profil dargestellt ist. Auf der Höhe der zweiten
Stufenreihe steht der Hohepriester im Planum
vor dem Altare. Dieser ist mit einem sehr

schön in Roth und Gold gemusterten Ante-
pendium bekleidet und mit weifsem, bunt be-
fransetem Tuche bedeckt. Auf ihm steht hinten
ein vergoldeter Schrein, der ohne Zweifel die
Bundeslade bedeutet, vor einem Retabulum,
dessen mittlerer wohl die Gesetzestafeln dar-
stellender Erhöhung die sie auf den Ecken flan-
kirenden Standfigürchen von Moses und Aaron
entsprechen. Sie reichen in das mit Butzen ver-
glaste Mafswerkfenster hinein, zu dem die beiden
es einrahmenden Säulen stilistisch nicht passen,
wie überhaupt die Architektur mehrfache Ver-
stöfse und Widersprüche zeigt. Interessant ist
der mit Blattornament gemusterte Goldbrokat-
stoff, der zu beiden Seiten des Altars sich ent-
faltet, interessant auch die Vergitterung, die vor
der zweiten Stufenfolge erkennbar.

Gerade die Gemälde dieser Epoche sind reich
an biblischen, geschichtlichen und legendarischen
Szenen, welche in dem Innern von Kirchen zur
Entfaltung kommen, daher mit den Datails der-
selben ausgestattet sind gemäfs der damals ge-
rade für diese Darstellungen herrschenden Vor-
liebe. Diese Bilder, namentlich die Veranschau-
lichungen einiger der damaligen Zeit besonders
geläufiger, lehrhafter und sinnbildlicher Vor-
gänge, wie z. B. die Messe des hl. Gregor, ent-
halten einen wahren Schatz von vorbildlichem
Material für Kirchenausstattung, der noch viel
mehr durchforscht und ausgenutzt zu werden
verdient, als es bislang der Fall war.

Die profane Kunst hat für die stilistische
Zimmereinrichtung, zu der sie in der neuesten
Zeit zahllose Beiträge geliefert hat, das Material,
welches so manche alte Bilder bieten, vortreff-
lich zu verwerthen gewufst, wie schon ein Blick
in »Hirth's Formenschatz« beweist. Der kirch-
lichen Kunst bleibt nach dieser Richtung noch
Vieles zu thun übrig. Gerade alte Gemälde, wie
Holzschnitte und Kupferstiche, und zwar nicht
blofs solche aus dem Mittelalter, sondern auch
aus den folgenden Jahrhunderten, insofern sie
ältereKircheneinrichtungen wiedergeben,sind eine
wahre Fundgrube für Kirchenmöbel, als Altäre,
Chorstühle, Lettner, Orgelnetc, wie für liturgische
Gebrauchsgegenstände, als Pulte, Leuchter, Para-
mente u. s. w. Möge nur mit Eifer und Verstand
aus ihnen geschöpft werden! Schnütgen.
 
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