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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Schnütgen, Alexander: Hochrelief der Kreuztragung Christi in Bronzeguß
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0213

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Abhandlungen.

Hochrelief der Kreuztragung Christi
in Bronzegufs.

Mit Lichtdruck (Tafel XVII).

err Geheimrath Warnecke in Berlin
besitzt das 26 cm breite, 17 cm
hohe bis zu 4 V2 cm ausladende
ßronzerelief, von welchem
\ die hier beigegebene Licht-
drucktafel eine getreue Ab-
bildung bietet. Die Gruppe
besteht aus siebenzehn Fi-
guren, deren Mittelpunkt
der unter dem gewaltigen Kreuze auf den Knieen
liegende Heiland bildet. In gleicher Ausladung
zieht ihn nach vorn ein Henkersknecht, treibt
von hinten ein mit der Lanze bewaffneter Soldat.
In nur um Weniges geringerer Reliefirung hilft
Simon von Cyrene das Kreuz halten. Ihm gegen-
über treten die Aeltesten, welche den Zug er-
öffnen, wie die Schacher, welche ihn schliefsen,
noch etwas mehr in den Hintergrund, den in
ganz schwacher Erhebung nach rechts einige
Krieger, nach links die frommen Frauen mit
dem hl. Johannes beleben. Diese verschiedenen
Höhenverhältnisse, die sämmtlich auf vorzüg-
licher Modellirung beruhen, geben der Gruppe
etwas sehr Lebendiges, ohne dafs die Klarheit
der Anordnung irgendwie Schaden litte. Obwohl
die Szene eine bewegte und erregte ist, die sich
in dem das Seil führenden Henker zu drastischer
Geberde steigert, trägt das Ganze doch den
Charakter grofser Würde. Die Figuren sind
schlank und edel bewegt, die Gewänder ruhig
und harmonisch geordnet, jeder Kopf in eigen-
artigem Ausdrucke trefflich charakterisirt. Diese
Eigenschaften besonnener Mafshaltung und würde-
voller Kühe sind wohl geeignet, etwas zu über-
raschen, da die Ursprungszeit des Reliefs, welche
um 1600 anzusetzen sein dürfte, in ihren plasti-
schen Gebilden vielfach eine gewisse Manierirt-
heit liebte gerade in Süddeutschland, wo die
Gruppe heimathsberechtigt zu sein scheint, als
das selbständige Werk eines unter italienischem
Einflüsse stehenden Künstlers.

In Bezug auf die Technik bezeichnet das-
selbe einen so hohen Grad der Vollkommen-

heit, dafs wir ihr eine besondere Aufmerksam-
keit schulden. Dafs dieser Bronzegufs aus der
verlorenen Wachsform — ä circ perdue — er-
folgt ist, beweisen sowohl die fehlenden Gufs-
nähte als auch die kleinen Bläschen, die sich
mehrfach auf dem Gufsstück finden. Nachdem
nämlich der Giefser das ganz in Wachs mo-
dellirte Relief auf der Vorderseite mit einer
ziemlich dickflüssigen Formmasse stark über-
gössen und dabei kleine Luftkanülehen vor-
gesehen, diese Masse dann sorgfältig getrocknet
und dadurch fest gemacht hatte, suchte er auf
der Kehrseite das Wachs bis auf eine dünne
Schicht zum Schmelzen zu bringen und wo ihm
auf der Oberfläche zu viel Wachs abgelaufen
war, dieses durch Aufstreichen wieder zu er-
gänzen, wie die Rückseite deutlich erkennen
läfst. Auf ihr befestigte er nunmehr, um eine
grofse Anzahl von Gufskanülen zu möglichst
gleichmäfsiger Vertheilung des flüssigen Metalles
zu gewinnen, bei 3 Dutzend runde, entsprechend
lange Wachsstäbe. Dann gofs er auch auf diese
Rückseite des Modells dieselbe Formmasse in
gleichem Umfange und angemessener Stärke.
Aus dieser nunmehr dicht geschlossenen Form
ragten jetzt nur noch die zu einem Bündel ver-
einigten Wachsstäbchen oben in eine breite Giefs-
mulde hinein und bildeten natürlich, als durch
starke Erhitzung die ganze Wachsmasse, auch
der Rest des noch vom Modell in der ersten
Formmasse gelassenen Modellirwachses, zum
Schmelzen gebracht wurde, ebenso viele kleine
Kanäle, welche das Einfliefsen der glühenden
Bronze in den so unter Verlust des Wachses ge-
wonnenen leeren Raum beschleunigen und diese
gleichmäfsig vertheilen halfen. Auf diese Weise
entstand der dichte feste Gufs, der keinerlei
Ciselirung mehr bedurfte, der sogar den Strick,
mit welchem der Heiland gebunden ist, stellen-
weise ganz frei entstehen liefs und jeden Strich
des Modellirholzes, selbst das kleinste Luft-
bläschen des ersten Aufgusses wiedergibt. Nur
auf diese Weise konnte die verhältnifsmäfsig sehr
leichte, blofs etwas über 1200 Gramm wiegende
Tafel gelingen, ein Meisterstück der Giefskunst,
welches auch als solches höchst interessant und
lehrreich ist. Schnütgen.


 
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