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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Steinbrecht, Conrad: Die mittelalterlichen Wandgemälde der Schloßkirche zu Marienburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0016

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1880. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. i.

Die mittelalterlichen Wandgemälde der Schlofskirche zu Marienburg.

Mit Lichtdruck (Tafel II) und 2 Textskizzen.

in eigenartiges Säkular-Fest könnte
gegenwärtig die Marienburg feiern:
Vor hundert Jahren war es, als der
Architekt Gilly auf einer Reise
nach Preufsen die Marienburg gleichsam wieder-
entdeckte und jene aufsehenmachenden Pro-
spekte des Schlosses zeichnete, welche alsbald
durch die 1797 erschienenen Frick'schen Kupfer-
ätzungen allgemeiner bekannt wurden.

Dies letztere Prachtwerk wirkt mit unwider-
stehlichem Zauber auf den Beschauer und hat
beständig begeisterte Theilnahme für das merk-
würdige Baudenkmal geweckt: welches —
Kloster, Festung und Fiirstensitz zugleich —
die wichtigsten Kultur - Errungenschaften des
Mittelalters in sich vereinte und noch heut
dem Besucher in Erinnerung bringt.

Seit hundert Jahren hat das Suchen und
Forschen in der Marienburg nicht aufgehört
und sie bewährte sich als immer - ergiebige
Fundstätte.

Wir wollen von den Schätzen einen Gegen-
stand auswählen und von der alten Bemalung
der Schlofskirche, welche im sogen. Hoch-
schlosse eingebaut liegt, kurzen Bericht geben.

Diese Kirche ist ein einschiffiger beträcht-
lich langer Raum (z. V. Textskizze 1). Hohe,
schöne Sterngewölbe, welche von reichen Wand-
diensten aufsteigen, überspannen ihn: die Dienste
entspringen aus Bilddächern; die Bilddächer
dienen den Steinbildern der Apostel als Krönung,
und diese Statuen reihen sich auf einem Gurt-
gesims hin, welches die Wände derart theilt,
dafs auf Unten ein Drittel von 4 m Höhe
kommt (z. V. Textskizze II).

Dies untere Wanddrittel ist überaus sorg-
fältig ausgestattet: ein schweres Gestühl aus
Eichenholz, zum Theil noch erhalten, läuft rings-
um, und über demselben gliedert sich die Wand
m Blendbogen, welche eine ununterbrochene
Reihe von Bildrahmen abgeben.

Das Kircheninnere erfuhr in früheren Jahr-
hunderten mehrmals Uebertünchungen. Man
entdeckte etwa vor einem Jahrzehnt, nach Be-
seitigung der Tünche, überall die ursprüng-
liche Bemalung und fand später auf dem Gurt-
gesims die Inschrift, welche Jahr und Tag der
Vollendung der Kirche meldet:

Unsirs herin jare lauf

hisunl drihundirt was zu houf

daruf vir und virzik jar

ich gotis hus vollbracht ward gar

also da der zwelfbotin tag

Philippi und Jacobi gelag.....

(1. Mai 1344!)
Dieser Zeit gehört wahrscheinlich auch die
Bemalung an! —• und zwar die obere so gut
wie die untere, obwohl beide verschiedene Hände
und sehr unterschiedliches Können verrathen. —
Oberhalb kommt es in der Hauptsache auf die
Färbung der architektonischen Gliederungen
hinaus: der Kragsteine, Figuren, Dienste, Ge-
wölbrippen und Schlufssteine. — Unter dem
Gurtgesims dagegen, unter dem Rahmwerk der
Blendbogen, finden sich kunstvolle Tempera-
gemälde, figurenreiche Bilder neben Einzel-
gestalten von Rittern und Geistlichen, Engeln
und Heiligen, Ungethümen und Teufeln. Was
sollen nun diese Darstellungen bedeuten?

Es war daran schon viel geräthselt, man
konnte diese als alttestamentliche Gestalten
erkennen, jene als Apostel oder Märtyrer, —
hier das jüngste Gericht, dort die heilige Fa-
milie — jedoch kam man nicht über die An-
sicht hinaus, dafs eine zufällige oder willkürliche
Zusammenordnung vorläge, welche in der Haupt-
sache ornamental wirken solle, weshalb denn
auch auf die attributale Kennzeichnung der
einzelnen Personen so wenig Gewicht gelegt
sei. — Und dennoch widerstrebte solche An-
nahme einem Jeden, welcher die feste Gesetz-
mäfsigkeit der mittelalterlichen Anschauungen
und Kunstformen kennt und sich durch Ar-
beiten wie die E. aus'm Weerth's hat über-
zeugen können, welche Gedankeneinheit und
Monumentalität die gröfseren Malwerke des
Mittelalters auszeichnet.

Es fand sich denn auch für Marienburg
die Erklärung und sie fiel so einfach aus, dafs
man sich fast schämte, sie nicht gleich ent-
deckt zu haben.

Nichts Geringeres als die Geschichte der
christlichen Kirche, von Anbeginn bis zu den
künftigen Dingen, steht, wie mit Sätzen eines
verständigen Lehrbuchs, ringsum auf die Wände
gemalt! (Der Bemalungsplan soll an der Hand
 
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