1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.
10
Die Heiligen der Kirche werden — wir
folgen hier Kreuser in seinem „Christlichen
Kirchenbau" IL S. 129 u. f. — eingetheilt in
1. Märtyrer, 2. Bekenner, 3. Jungfräuliche. Den
Märtyrern, die aus Liebe zum Heiland das
Leben opfern, gebührt die erste Stelle, durch
sie besteht die neue Lehre ihre Probe. — Als
dann das Christenthum staatlich anerkannt war
und aus der verfolgten Kirche eine herrschende
ward, hörte natürlich das Märtyrerthum auf.
Die Kirche setzt darum nach der. Märtyrern
die confessores, die das Christenthum vor der
Welt und ihren Mächtigen in Schrift und Wort
bekannten. — Die letzte Stufe endlich nehmen
die Jungfräulichen ein, denn die Tugend der
Herzensreinheit ist zwar die höchste, aber nicht
der That des Märtyrerthums und des Gott-
bekenners vor aller Welt, vorzuziehen.
Diese Dreitheilung findet also in den Wand-
bildern des Chores ihren Ausdruck.
Zuerst erblicken wir zur Rechten, über dem
Chorgestühl von Nr. 58—72, die Reihe der Mär-
tyrer; es beginnen 11 Halbbilder der Diakonen
und Ritter, abwechselnd gereiht, von denen auf
der hier beigegebenen Lichtdrucktafel zu oberst
drei abgebildet sind, auch St. Stephanus (Nr. 58),
der allein mit St. Laurentius (Nr. 60) durch ein
besonderes Attribut (Rost, resp. Steine) gekenn-
zeichnet ist; daran schliefsen sich 4 Märtyrinnen
in ganzer Figur (69—72).
Um den Altar erscheinen sodann in lSBogen-
feldern (73—91) die Gestalten der Bekenner
feierlich geschaart; sie tragen abwechselnd das
Gewand des Bischofs und des Abtes und sind
theils in jugendlichen Zügen gehalten, theils
als ehrwürdige Greise; diese Gestalten sind
vornehmlich von hoher Schönheit und zeigen
die sorgfältigste technische Ausführung wie auf
der L;chtdrucktafel die beiden unteren Stand-
figuren (74 und 75) überzeugen werden.
Am dritten Wandtheil des Chores, den
Märtyrern gegenüber, findet die Jungfräulichkeit,
die dritte Stufe heiliger Verdienstlichkeit ihre
Darstellung. Zunächst — den vier Märtyrinnen
gegenüber — vier hohe Frauengestalten (91—94),
die leider fast völlig vernichtet vorgefunden
wurden; dann klingt in den 11 kürzeren Bild-
feldern, den Rittern und Diakonen gegenüber,
der Bildreihen aus in dem bedeutsamen Gleich-
nifs des Herrn von den klugen und thörichten
Jungfrauen, Hier also endet der Faden. —
Was die christliche Kirche weiter lehrt von dem
jüngsten Tag und den künftigen Dingen finden
wir berücksichtigt auf der Westwand. Diese
ist in einer von den übrigen Wänden abweichen-
den Weise architektonisch ausgebildet. Es be-
findet sich dort eine Empore, entstanden durch
einen kräftigen Rücksprung und tiefe Aus-
nischungen der oberen Mauer. Eine reiche,
durchbrochene Brüstung aus Kalkstein begrenzt
vorn die Empore und aus der Mitte springt
mit 5 Seiten des Achtecks ein kanzelartiger
Bau vor, der in reicher Mafswerküberdachung
endet. Die Empore diente dem Kirch engesang,
eine Bestimmung, welche sehr deutlich durch
die Köpfe der Sänger, die sich auf die Brüstungs-
platten gemalt finden, ausgedrückt ist.
Auf den fünf Wänden nun des erwähnten
Emporenvorbaues sind die figurenreichen Bilder
des jüngsten Gerichtes gemalt. Im Mittelbilde
thront Christus zwischen Engeln, welche die
Zeichen der Gerichtsbarkeit tragen (106). Im
Bilde zur Linken des Herrn sehen wir St. Michael
die Seelen wägen und die zu leicht befundenen
sondern von den treuen (107) und weiter wie
die Verdammten auf den 7 Laster-Ungethümen,
von Teufeln gequält, dem Höllenrachen zu-
jagen (108).
Zur Rechten des Herrn breitet Maria den
Gnadenmantel aus über die Erlesenen (109)
und das letzte Bild zeigt uns die Versammlung
der Seligen (HO).
In dem Wandstreif unter dem jüngsten Ge-
richt sind die vier grofsen Propheten einerseits
und die vier Evangelisten anderseits gemalt,
jedoch liegt dieser letzteren Anordnung ein
bei der Restaurirung zur Geltung gebrachter
Gedanke zu Grunde, da hier von den alten
Bildern nur Umrisse übrig waren, welche auf
die Bedeutung kein Licht wanen.
(Was sonst übrigens bei Herstellung und
Erhaltung der Bilder bis jetzt geschehen ist,
wurde unter der gewissenhaftesten Beachtung
und Festlegung des alten Befundes und ohne
Schonung von Mitteln und Zeit durchgeführt.
Ganz Neues ist entsprechend gekennzeichnet.
Des aufopfernden Fleifses des Malers Leopold
Weinmeyer, dem diese Aufgabe anvertraut
war, mufs hier in dankbarer Anerkennung Er-
wähnung geschehen.)
Mit diesem kurzen Abrifs des Bemalungs-
planes für jetzt genug: — Es wird dem Leser
nicht schwer werden, sich vorzustellen, welch'
reiche Quelle der Belehrung sich hier für die
10
Die Heiligen der Kirche werden — wir
folgen hier Kreuser in seinem „Christlichen
Kirchenbau" IL S. 129 u. f. — eingetheilt in
1. Märtyrer, 2. Bekenner, 3. Jungfräuliche. Den
Märtyrern, die aus Liebe zum Heiland das
Leben opfern, gebührt die erste Stelle, durch
sie besteht die neue Lehre ihre Probe. — Als
dann das Christenthum staatlich anerkannt war
und aus der verfolgten Kirche eine herrschende
ward, hörte natürlich das Märtyrerthum auf.
Die Kirche setzt darum nach der. Märtyrern
die confessores, die das Christenthum vor der
Welt und ihren Mächtigen in Schrift und Wort
bekannten. — Die letzte Stufe endlich nehmen
die Jungfräulichen ein, denn die Tugend der
Herzensreinheit ist zwar die höchste, aber nicht
der That des Märtyrerthums und des Gott-
bekenners vor aller Welt, vorzuziehen.
Diese Dreitheilung findet also in den Wand-
bildern des Chores ihren Ausdruck.
Zuerst erblicken wir zur Rechten, über dem
Chorgestühl von Nr. 58—72, die Reihe der Mär-
tyrer; es beginnen 11 Halbbilder der Diakonen
und Ritter, abwechselnd gereiht, von denen auf
der hier beigegebenen Lichtdrucktafel zu oberst
drei abgebildet sind, auch St. Stephanus (Nr. 58),
der allein mit St. Laurentius (Nr. 60) durch ein
besonderes Attribut (Rost, resp. Steine) gekenn-
zeichnet ist; daran schliefsen sich 4 Märtyrinnen
in ganzer Figur (69—72).
Um den Altar erscheinen sodann in lSBogen-
feldern (73—91) die Gestalten der Bekenner
feierlich geschaart; sie tragen abwechselnd das
Gewand des Bischofs und des Abtes und sind
theils in jugendlichen Zügen gehalten, theils
als ehrwürdige Greise; diese Gestalten sind
vornehmlich von hoher Schönheit und zeigen
die sorgfältigste technische Ausführung wie auf
der L;chtdrucktafel die beiden unteren Stand-
figuren (74 und 75) überzeugen werden.
Am dritten Wandtheil des Chores, den
Märtyrern gegenüber, findet die Jungfräulichkeit,
die dritte Stufe heiliger Verdienstlichkeit ihre
Darstellung. Zunächst — den vier Märtyrinnen
gegenüber — vier hohe Frauengestalten (91—94),
die leider fast völlig vernichtet vorgefunden
wurden; dann klingt in den 11 kürzeren Bild-
feldern, den Rittern und Diakonen gegenüber,
der Bildreihen aus in dem bedeutsamen Gleich-
nifs des Herrn von den klugen und thörichten
Jungfrauen, Hier also endet der Faden. —
Was die christliche Kirche weiter lehrt von dem
jüngsten Tag und den künftigen Dingen finden
wir berücksichtigt auf der Westwand. Diese
ist in einer von den übrigen Wänden abweichen-
den Weise architektonisch ausgebildet. Es be-
findet sich dort eine Empore, entstanden durch
einen kräftigen Rücksprung und tiefe Aus-
nischungen der oberen Mauer. Eine reiche,
durchbrochene Brüstung aus Kalkstein begrenzt
vorn die Empore und aus der Mitte springt
mit 5 Seiten des Achtecks ein kanzelartiger
Bau vor, der in reicher Mafswerküberdachung
endet. Die Empore diente dem Kirch engesang,
eine Bestimmung, welche sehr deutlich durch
die Köpfe der Sänger, die sich auf die Brüstungs-
platten gemalt finden, ausgedrückt ist.
Auf den fünf Wänden nun des erwähnten
Emporenvorbaues sind die figurenreichen Bilder
des jüngsten Gerichtes gemalt. Im Mittelbilde
thront Christus zwischen Engeln, welche die
Zeichen der Gerichtsbarkeit tragen (106). Im
Bilde zur Linken des Herrn sehen wir St. Michael
die Seelen wägen und die zu leicht befundenen
sondern von den treuen (107) und weiter wie
die Verdammten auf den 7 Laster-Ungethümen,
von Teufeln gequält, dem Höllenrachen zu-
jagen (108).
Zur Rechten des Herrn breitet Maria den
Gnadenmantel aus über die Erlesenen (109)
und das letzte Bild zeigt uns die Versammlung
der Seligen (HO).
In dem Wandstreif unter dem jüngsten Ge-
richt sind die vier grofsen Propheten einerseits
und die vier Evangelisten anderseits gemalt,
jedoch liegt dieser letzteren Anordnung ein
bei der Restaurirung zur Geltung gebrachter
Gedanke zu Grunde, da hier von den alten
Bildern nur Umrisse übrig waren, welche auf
die Bedeutung kein Licht wanen.
(Was sonst übrigens bei Herstellung und
Erhaltung der Bilder bis jetzt geschehen ist,
wurde unter der gewissenhaftesten Beachtung
und Festlegung des alten Befundes und ohne
Schonung von Mitteln und Zeit durchgeführt.
Ganz Neues ist entsprechend gekennzeichnet.
Des aufopfernden Fleifses des Malers Leopold
Weinmeyer, dem diese Aufgabe anvertraut
war, mufs hier in dankbarer Anerkennung Er-
wähnung geschehen.)
Mit diesem kurzen Abrifs des Bemalungs-
planes für jetzt genug: — Es wird dem Leser
nicht schwer werden, sich vorzustellen, welch'
reiche Quelle der Belehrung sich hier für die