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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Münzenberger, Ernst F. A.: Die mittelalterlichen Altäre in der Mark Brandenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0021

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188'J.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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der Anbetung der Hirten, und ist jetzt in die
Chorbrüstung eingemauert.

Wie die für die Brandenburgischen Altäre
mit Vorliebe gewählten Darstellungen zeigen,
so mufs gerade hier in mittelalterlicher Zeit eine
besondere Liebe zu den Marien-Darstellungen
geherrscht haben. Von den vorhin erwähnten
74 Altären sind uns bei 20 bis jetzt nicht die
Gegenstände der Hauptschreine bekannt ge-
worden. Unter den verbleibenden 54 Altären
befinden sich nun 35 mit dem Bilde der Gottes-
mutter in der Mitte, darunter in 5 Fällen die
Darstellung der Krönung Maria und in 2 die
der Pieta. Beispielsweise finden sich dagegen
unter 51 uns genauer bekannten Flügelaltären
in Westfalen nur 9 mit dem Mittelbilde der
seligsten Jungfrau; hier wie namentlich auch
bei den flämischen Altären wiegen die Passions-
Üarstellungen bei weitem vor, während anderswo
wieder, wie z. B. in Bayern, die Marien-Dar-
stellungen bevorzugt werden. Bemerkenswerther
Weise kommt aber in Brandenburg, wie über-
haupt bei den mittelalterlichen Altären Deutsch-
lands, keine Darstellung der seligsten Jungfrau
Maria allein vor: sie wird immer als Gottesmutter
und als Erste der Erlöseten aufgefafst und trägt
daher das göttliche Kind auf dem Arme oder
den Leichnam des vom Kreuze abgenommenen
Sohnes auf dem Schoofse, oder sie empfängt
von ihm die Krone der ewigen Herrlichkeit.

Gerne scheint man auch in Brandenburg
die Gottesmutter in Verbindung mit den Aposteln
dargestellt zu haben; wenigstens können wir
nach dem uns vorliegenden Material bei 16 Al-
tären dies konstatiren, sowie überhaupt die
Verehrung der hl. Apostel dort eine sehr warme
gewesen sein mufs; fast auf allen Brandenbur-
gischen Altären kommen Bilder derselben vor.
Am liebsten stellte man in hervorragender Weise,
theils rechts und links neben Maria, theils in
grofsen Figuren auf den Flügeln, theils in
Szenen aus ihrem Leben, die beiden Apostel-
fürsten Petrus und Paulus dar. Elf Altäre
weisen in ihrem Mittelschrein die Kreuzigung
auf, andere den Stammbaum Christi, die An-
betung der hl. 3 Könige oder Passionsszenen.
Interessant ist, dafs gerade hier öfters in der
Predella das Bild des hl. Abendmahls sich findet,
das sonst an dieser Stelle bei mittelalterlichen
Altären sehr selten üblich ist: so in Dobistroh,
Schwiebus, Eberswalde, Landsberg a. W., Karow
«nd Senftenberg.

In Bezug auf die Heiligendarstellungen ist zu
bemerken, dafs uns mehrmals die sonst in Deutsch-
land nur hie und da vorkommende mystische
Darstellung der Verlobung des Christkindes mit
der hl. Katharina begegnet. Aufser den allent-
halben in Deutschland im Mittelalter verehrten
und dargestellten Heiligen finden sich hier auch
wiederholt die Bilder der hl. Hedwig, des
hl. Otto, des Apostels der Pommern, und der
hl. Amalburga. — Es ist bekannt, wie selten
in mittelalterlicher Zeit der hl. Joseph in Einzel-
figur dargestellt wurde. Auf einem Branden-
burgischen Altar, dem in Wilkersdorf, aus dem
Jahre 1450 stammend, nimmt er unter den
3 Statuen des Mittelschreins eine Stelle ein,
zur Seite der Gottesmutter, während gegenüber
das Bild der hl. Anna sich befindet.

In Bezug auf die äufsere Gestaltung der
Altäre ergibt sich die Wahrnehmung, dafs die
Altäre in Brandenburg im Allgemeinen reicher
und mannigfaltiger gestaltet sind, als die
sächsischen und pommerschen; so hat eine An-
zahl derselben neben dem beweglichen ilügel-
paar noch feststehende, wie wir solchen so oft
im Frankenlande begegnen, und mehrere sind
auch mit einem doppelten Paar von Flügeln
versehen, wie in St. Katharina zu Brandenburg,
in der Marienkirche zu Frankfurt a. O., Mitten-
walde, Wittstock. Der prächtige, wohlerhaltene
Hochaltar in Bernau hat sogar 3 Flügelpaare
mit 24 Statuen und mit 64 gemalten Dar-
stellungen.

Die meisten Brandenburgischen Altäre
scheinen in alter Zeit einen architektonischen
Aufsatz gehabt zu haben. Es ist dies aus leicht
ersichtlichen Gründen derjenige Theil, der am
ehesten verletzt werden und darum am leich-
testen verloren gehen konnte. Trotzdem haben
sich in Brandenburg noch zwölf solcher Auf-
sätze, die zum Theil als sehr reich zu bezeichnen
sind, erhalten. Bei den meisten findet sich hier
das Kruzifix neben Maria und Johannes, um so
an diesem hervorragenden Orte den König des
Himmels, der in seinem Tode der Welt das
Leben gibt und von dem allen Heiligen Gnade
und Herrlichkeit zufliefst, darzustellen, sowie
die Einheit des Opfers am Altare mit dem
Kreuzesopfer zu versinnbildlichen.

Die Technik der Figuren und des Ornament-
werkes ist durchgehends gut, vielfach vortreff-
lich und die Darstellungen sind individuell und
charaktervoll aufgefafst. Die Gesichter der Hei-
 
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