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188'J.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.
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bekanntlich die ganze katholische Kirche diesen
ihren Weihetag. — An diese Tafel schliefsen sich
die beiden noch übrigen an, welche in sehrfiguren-
reichen Gruppen die Geschichte Jobs vor-
führen, seines Unglückes und seines endlich
wiedergewonnenen Glückes. Die Darstellungen
folgen dem biblischen Berichte in der Weise, dafs
die erste Tafel als genauer Kommentar des I. Ka-
pitels des Buches Job erscheint, die zweite Tafel
mit der Schilderung der im II. Kapitel erzählten
Prüfungen beginnt, um mit Ueberschlagung der
weiteren die Unterhaltung Jobs mit seinen
Freunden enthaltenden 39 Kapitel, dem Schlüsse
des Buches, welches den wiedergewonnenen
Segen in Kürze berichtet, die letzten Motive
für die Darstellung zu entnehmen. Bei der ganz
ungewöhnlichen Mannigfaltigkeit der Scenen
mag es nicht überflüssig sein, ihren Inhalt etwas
genauer zu bezeichnen. Auf der ersten Tafel links
der Reichthum Jobs (Job I, 3), in der Mitte
als Hauptbild das Mahl seiner sieben Söhne
und drei Töchter (I, 4 u. 5), oben links in der
Ecke der Herr und Satan (I, 6—12), rechts
und oben hoch der Verlust der äufseren Güter
(I, 14—17), in der Ecke der Verlust seiner
Kinder (I, 18 u. 19). — Auf der zweiten Tafel
oben links wiederum der Herr und Satan
(II, 1—6), links als die eine Hauptdarstellung:
Satan schlägt Job mit Aussatz (II, 7), oben
rechts: Jobs Frau versucht ihn zu lästern (II, 9),
in der Mitte schickt sie (was in der Bibel nicht
ausdrücklich gesagt wird) die drei Freunde zu
ihm, diese besuchen und versuchen ihn (11,13);
sie erscheinen hier in der andern Hauptdar-
stellung, abweichend von der hl. Schrift, als
Musikanten, als welche sie aber auch auf andern
Gemälden wiederkehren, so (nach gütiger Notiz
des Herrn Dr. Scheibler) auf dem bekannten
Dürer des Kölner Museums, wie auf einem
Bilde in der Gallerie von Douai (Nr. 44 von
einem unbekannten Niederländer um 1600), auf
dem sie ihm eine wirkliche Katzenmusik bringen,
während die Ehefrau im Begriffe steht, ihn mit
einem Schlüsselbund zu bearbeiten. Die oberen
Darstellungen zeigen Job in seinem wieder-
gewonnenen Glück (XLI1,10—16), der Gesund-
heit des Leibes, der Liebe seiner Frau, mit
sieben neuen Söhnen und drei Töchtern. —
Von den die Aufsenseiten der Flügel schmücken-
den grisailleartig behandelten Standfiguren sind
der hl. Petrus und die Muttergottes weniger
gut in Zeichnung und Bewegung, desto besser
die beiden anderen: Maria Magdalena und Job
mit der Läuterungsflamme in der Rechten. —
Schon aus dieser knappen Beschreibung mag der
überaus reiche und tiefe Inhalt dieser merk-
würdigen Bildertafeln sich ergeben haben.
Fragen wir noch nach der Schule, aus
der sie hervorgegangen sind, so dürften hier
die herrliche Landschaft und die prächtige
Architektur, die Behandlung des Kolorits und
der Figuren den Weg zeigen. Dafs sie nieder-
ländischer Herkunft sind, beweist zunächst
die Architektur, welche sich in der Eigenart
der Festungsbauten, der Kirchenanlagen, der
Häuser und ihrer äufseren wie inneren Gestal-
tung mit Sicherheit als solche zu erkennen gibt,
als ein Strafsenbild, wie es einige flandrische
Städte in abgeschwächter Form noch heute
darbieten. Auch die mit grofser Sorgfalt und
Liebe durchgebildete Landschaft zeigt nament-
lich in der Behandlung der Bäume, der Sträucher
und des Grases einen niederländischen Charakter.
Diesen verrathen auch die Köpfe, in denen das
Bestreben nach Naturalismus in ganz ausge-
prägtem Mafse vorwaltet, so dafs fast aus jedem
einzelnen das Modell herausschaut, nach welchem
er gebildet ist. Am schärfsten tritt dieses Be-
streben in der Gruppe der Schlüsselübertragung
an Petrus hervor, in welcher jeder einzelne
Kopf individualisirt ist. Weniger zeigt es sich
in der übrigens am feinsten durchgeführten
Heimsuchungsscene, in welcher die Mutter
Gottes einem etwas älteren Vorbilde folgt. Sehr
stark aber gelangt es wiederum bei dem Mahle
zum Ausdrucke, dessen Theilnehmer, namentlich
die männlichen, in ihren knochigen blöden Ge-
sichtern und in ihren aufgeworfenen Lippen
einen Familientypus verrathen, von dem sich
eine Spur auch bei Job findet. In der Kom-
position verräth der Meister eine ganz aufser-
gewöhnliche Gewandtheit, und vorzüglich weifs
er die Gruppen dem gegebenen Räume anzu-
passen und einzugliedern. Die einzelnen Figuren
sind schlank behandelt und manche gut bewegt;
über den Faltenwurf, der noch nicht allzu
brüchig ist, verfügt der Meister mit grofser
Leichtigkeit und stellenweise, wie bei der Heim-
suchungsscene, mit grofser Eleganz. Dafs ihm
das Nackte nicht recht gelingt, die Körper eckig
und hölzern erscheinen, fheilt er mit den meisten
Malern seiner Zeit resp. Heimath, unter denen
einige freilich Hände undFüfse besser zu gestalten
verstanden. In Bezug auf das Kolorit steht er auf
188'J.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.
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bekanntlich die ganze katholische Kirche diesen
ihren Weihetag. — An diese Tafel schliefsen sich
die beiden noch übrigen an, welche in sehrfiguren-
reichen Gruppen die Geschichte Jobs vor-
führen, seines Unglückes und seines endlich
wiedergewonnenen Glückes. Die Darstellungen
folgen dem biblischen Berichte in der Weise, dafs
die erste Tafel als genauer Kommentar des I. Ka-
pitels des Buches Job erscheint, die zweite Tafel
mit der Schilderung der im II. Kapitel erzählten
Prüfungen beginnt, um mit Ueberschlagung der
weiteren die Unterhaltung Jobs mit seinen
Freunden enthaltenden 39 Kapitel, dem Schlüsse
des Buches, welches den wiedergewonnenen
Segen in Kürze berichtet, die letzten Motive
für die Darstellung zu entnehmen. Bei der ganz
ungewöhnlichen Mannigfaltigkeit der Scenen
mag es nicht überflüssig sein, ihren Inhalt etwas
genauer zu bezeichnen. Auf der ersten Tafel links
der Reichthum Jobs (Job I, 3), in der Mitte
als Hauptbild das Mahl seiner sieben Söhne
und drei Töchter (I, 4 u. 5), oben links in der
Ecke der Herr und Satan (I, 6—12), rechts
und oben hoch der Verlust der äufseren Güter
(I, 14—17), in der Ecke der Verlust seiner
Kinder (I, 18 u. 19). — Auf der zweiten Tafel
oben links wiederum der Herr und Satan
(II, 1—6), links als die eine Hauptdarstellung:
Satan schlägt Job mit Aussatz (II, 7), oben
rechts: Jobs Frau versucht ihn zu lästern (II, 9),
in der Mitte schickt sie (was in der Bibel nicht
ausdrücklich gesagt wird) die drei Freunde zu
ihm, diese besuchen und versuchen ihn (11,13);
sie erscheinen hier in der andern Hauptdar-
stellung, abweichend von der hl. Schrift, als
Musikanten, als welche sie aber auch auf andern
Gemälden wiederkehren, so (nach gütiger Notiz
des Herrn Dr. Scheibler) auf dem bekannten
Dürer des Kölner Museums, wie auf einem
Bilde in der Gallerie von Douai (Nr. 44 von
einem unbekannten Niederländer um 1600), auf
dem sie ihm eine wirkliche Katzenmusik bringen,
während die Ehefrau im Begriffe steht, ihn mit
einem Schlüsselbund zu bearbeiten. Die oberen
Darstellungen zeigen Job in seinem wieder-
gewonnenen Glück (XLI1,10—16), der Gesund-
heit des Leibes, der Liebe seiner Frau, mit
sieben neuen Söhnen und drei Töchtern. —
Von den die Aufsenseiten der Flügel schmücken-
den grisailleartig behandelten Standfiguren sind
der hl. Petrus und die Muttergottes weniger
gut in Zeichnung und Bewegung, desto besser
die beiden anderen: Maria Magdalena und Job
mit der Läuterungsflamme in der Rechten. —
Schon aus dieser knappen Beschreibung mag der
überaus reiche und tiefe Inhalt dieser merk-
würdigen Bildertafeln sich ergeben haben.
Fragen wir noch nach der Schule, aus
der sie hervorgegangen sind, so dürften hier
die herrliche Landschaft und die prächtige
Architektur, die Behandlung des Kolorits und
der Figuren den Weg zeigen. Dafs sie nieder-
ländischer Herkunft sind, beweist zunächst
die Architektur, welche sich in der Eigenart
der Festungsbauten, der Kirchenanlagen, der
Häuser und ihrer äufseren wie inneren Gestal-
tung mit Sicherheit als solche zu erkennen gibt,
als ein Strafsenbild, wie es einige flandrische
Städte in abgeschwächter Form noch heute
darbieten. Auch die mit grofser Sorgfalt und
Liebe durchgebildete Landschaft zeigt nament-
lich in der Behandlung der Bäume, der Sträucher
und des Grases einen niederländischen Charakter.
Diesen verrathen auch die Köpfe, in denen das
Bestreben nach Naturalismus in ganz ausge-
prägtem Mafse vorwaltet, so dafs fast aus jedem
einzelnen das Modell herausschaut, nach welchem
er gebildet ist. Am schärfsten tritt dieses Be-
streben in der Gruppe der Schlüsselübertragung
an Petrus hervor, in welcher jeder einzelne
Kopf individualisirt ist. Weniger zeigt es sich
in der übrigens am feinsten durchgeführten
Heimsuchungsscene, in welcher die Mutter
Gottes einem etwas älteren Vorbilde folgt. Sehr
stark aber gelangt es wiederum bei dem Mahle
zum Ausdrucke, dessen Theilnehmer, namentlich
die männlichen, in ihren knochigen blöden Ge-
sichtern und in ihren aufgeworfenen Lippen
einen Familientypus verrathen, von dem sich
eine Spur auch bei Job findet. In der Kom-
position verräth der Meister eine ganz aufser-
gewöhnliche Gewandtheit, und vorzüglich weifs
er die Gruppen dem gegebenen Räume anzu-
passen und einzugliedern. Die einzelnen Figuren
sind schlank behandelt und manche gut bewegt;
über den Faltenwurf, der noch nicht allzu
brüchig ist, verfügt der Meister mit grofser
Leichtigkeit und stellenweise, wie bei der Heim-
suchungsscene, mit grofser Eleganz. Dafs ihm
das Nackte nicht recht gelingt, die Körper eckig
und hölzern erscheinen, fheilt er mit den meisten
Malern seiner Zeit resp. Heimath, unter denen
einige freilich Hände undFüfse besser zu gestalten
verstanden. In Bezug auf das Kolorit steht er auf