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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Neumann, W. A.: Beitrag zur Würdigung des Hausaltars König Andreas III. von Ungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0043

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1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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plättchen von Leistchen nach allen vier Seiten
umgeben sind, fällt nicht besonders auf, und
wird von uns nur der Vollständigkeit halber
herangezogen.

Abgesehen von den rothen Jaspisen oder
Carneolen besteht die Aehnlichkeit mit der
Berner Retabel darin, dafs die Bildchen auf
Pergament gemalt, genau in derselben Schule
gemalt sind, wie der Schreiber dieses aus dem
Befunde der Originale mit Beruhigung sagen
kann: ferner darin, dafs die Bildchen auf Gold-
grund gemalt und mit Perlen geziert sind, genau
wie in Bern. Nur die kleinen funkelnden Edel-
steine, welche auf den Pergamentbildchen der
Berner Retabel aufgeklebt sind, fehlen im Braun-
schweiger Buchdeckel; doch ist dieserUnterschied
gegenüber der Gesammtanlage nicht wesentlich.

Schon Pfarrer Stammler hat die eigenthüm-
liche Gestaltung der 2 flügeligen Retabel nicht
einfacher erklären können, als dafs er den Ver-
gleich mit einem grofsen Schachbrette, in dessen
Hohlraum die Figuren gelegt werden können,
heranzog: so stehen die 2 Flügel auf der breiten
Leiste fest, welche von allen 4 Seiten die Bild-
flächen umgiebt.

Wie nun, wenn der Vergleich mit einem
Schachbrette kein Zufall wäre, sondern wirklich,
wenigstens bei dem Braunschweiger Buchdeckel,
ein Schachbrett dem Ganzen zu Grunde läge?
Die weltlichen Darstellungen auf dem Plenar,
sowie die Abfolge von Bildchen und Jaspis:
alles pafst auf ein Damenbrett, nicht in ein Re-
liquiar; aus einem Damenbrette ist mit Weg-
lassung von 12 Bildern ein Buchdeckel gemacht
worden, der mit der Retabel von Bern die
oben bezeichnete Aehnlichkeit hatte.

Wir glauben, dafs dies kein Zufall sei.
War ja doch die Herzogin Agnes, die das Plenar
nach St. Blasien in Braunschweig schenkte, die
Nichte jener Agnes, der Wittwe des Königs
Andreas III. und war der Name, den die Nichte
erhielt, gewifs mit besonderer Rücksicht ge-
wählt worden.*)

*)

Meinrad IV. von Görz

Albrecht v. Habsburg f 1808 x EUi*beffi Otto Herzg.

v. Gorz v. Kärnten

Rudolf Anna mit Agnes 1296

Hermann mit König

v. Brandenb. Andreas IV.

131(1

Agnes geb. 1297

verm. in 2. Ehe mit Otto

d. Milden V. Braunschweig

1319.

Wann das Schachbrett entstanden sei, welches
zu diesem Plenar umgestaltet wurde, lernen wir
aus einem Schachbrette, welches in der IL Gruppe
der Sammlungen des österreichischen Herrscher-
hauses, ehemals Ambraser-Kabinet genannt, sich
befindet. Dieses Schachbrett hat nachweisbar
dem Herzog Otto von Kärnten-Tirol, Bruder
der eben genannten Elisabeth, Oheim der Agnes,
Königin von Ungarn, gehört. Er starb 1310.
Es hat auf der Aufsenseite eine Abfolge von
Feldern so, dafs die 1., 3., 5., 7. Reihe bildliche
Darstellungen unter Bergkrystall (für schwarz)
und dazwischen Elfenbeinfelder haben, während
die geraden Felderreihen wechselnde Elfenbein-
und Jaspisfelder haben. Die bildlichen Dar-
stellungen aber, die unter dem Bergkrystall sicht-
bar sind, bestehen aus Thonfigürchen, mit Deck-
farben gemalt, welche ohne streng erkennbaren
Zusammenhang wahrscheinlich verschiedenen ro-
mantischen Sagenkreisen angehören. Oeffhet man
das Schachbrett, so sieht man ein Trictracspiel
mit Wechsel von Jaspiszungen und Pergament-
bildchen unter Bergkrystallzungen, Bildchen
genau derselben Malermanier angehörend, wie
das Schachspiel von Braunschweig. Die Mar-
j ketteriearbeit führt uns nach Italien; bei
der nahen Beziehung von Görz mit dem vene-
zianischen Gebiete nach Venedig.

Ebenfalls nach Italien weist jenes Schach-
brett im Besitze der Stiftskirche von Aschaffen-
burg, welches Hefner-Alteneck „Trachten"
(2. Aufl. 2. Bd.) abbildet. Auch hier die Abfolge
von rothen 'rothgelben, braunen) Jaspis- (Car-
neol-) und Bergkrystall-Quadraten, unter denen
auf Goldgrund ähnliche romantische Un-
geheuer, Gebilde der Phantasie wie am Wiener
und wie am Braunschweiger Schachbrett, er-
scheinen. — Das Aschaffenburger Schachbrett
hat ebenfalls bemalte Thonfiguren, aber sowohl
in den Feldern der Aufsenseite, als auch in
den Zungen des Trictracspiels.

Nach Italien, speciell nach Venedig, als
Heimathsort, hat Stammler die Altarretabel ver-
legt, ebendahin weist aber entschieden das Wiener
Schachbrett und das Aschaffenburger mit seinem
Email translucide, das auf die ungemein dünnen
Silberplättchen mit einer gewissen Virtuosität auf-
geschmolzen ist; mit seiner stark naturalistischen
Gothik in den Blättern. Aber wir müssen ge-
stehen, dafs wir nicht an byzantinische,
sondern an occidentalische Maler und Bildner
und Goldschmiede zu denken gezwungen
 
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