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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Schnütgen, Alexander: Zwei Flügelgemälde im städtischen Museum zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0088

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139

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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vollziehen sich in ganz zarten Abstufungen.
Das Bestreben, zu individualisiren, gibt sich
deutlich zu erkennen im Gesichtsausdrucke
und in der ganzen Haltung. In Bezug auf
letztere entspricht die Figur des hl. Paulus
noch mehr der herkömmlichen Art durch ihre
Bewegung und namentlich durch die durchaus
plastische Art, wie die Falten geordnet sind,
die nicht nach der Natur, also nach keiner
zurechtgelegten Draperie, sondern nach, man
möchte sagen, architektonischen Gesetzen ge-
bildet sind, welche die nur für die Bauwerke
arbeitenden und deshalb mit Recht von ihnen
abhängigen Bildhauer konstruirt hatten. Daher
würde auch gerade diese
Figur des hl. Paulus mit
Leichtigkeit und Sicherheit
genau in Holz oder Stein zu
übertragen sein. Viel weni-
ger gilt dieses von der Figur
des hl. Johannes, bei der die
Bewegung eine viel weniger
gebundene, der Faltenwurf
ein viel freierer, so kühn
und selbständig ist, dafs er
die Vermuthung nahe legt,
einem Modelle gefolgt zu
sein. In der Technik ist der
Schöpfer dieser Bilder als
ein grofser Meister zu be-
trachten, der Gold und Farbe
vollständig beherrscht, letz-
tere ebensogut zu lasiren
wie zu decken versteht und
die Gravirnadel zum Aus-
punzen des Grundes mit der
Sicherheit des geübtesten Goldschmiedes hand-
habt. Die Blatt- und Thierörnamente, die den
Goldfond beleben, sind zwar hingehaucht, aber
von vorzüglicher Stüisirung und erstaunlicher
Bestimmtheit, dazu noch heute so glanzvoll und
klar, als wären sie erst vor Kurzem ausgeführt,
in jeder Hinsicht durchaus musterhafte Vor-
bilder.

Fragen wir nach der Bestimmung dieser
beiden Flügel, so lassen die Male der mit
Lilienendigungen versehen gewesenen Bänder
und der beiden Schlöfschen auf den übrigens
noch in ihrer ursprünglichen Färbung erhal-
tenen Rückseiten nicht den geringsten Zweifel,
dafs sie die Thüren eines Schrankes oder
Schreines gebildet haben, vielleicht eines Sakra-

mentshäuschens, da das Spruchband in der Hand
des hl. Johannes mit der Stelle Apoc. VII, 14
auf das Waschen im Blute des Lammes, das-
jenige in der Hand des hl. Paulus, Hebr. XI, 39,
auf die Bewährung durch das Zeugnifs des Glau-
bens hinweist.

Wird endlich nach dem Alter dieser Bilder
gefragt, so kommen wir in eine gewisse Ver-
legenheit, da die zahlreichen Eigenthümlich-
keiten, die sie mit den frühgothischen Tafel-
bildern der kölnischen Schule theilen, ihre
Zurückführung in den Anfang des XIV. Jahrh.
zu erfordern scheinen, manche Umstände aber,
und zwar nicht nur die entschiedenen Fort-
schritte, die sie jenen gegen-
über bekunden, zu einer
erheblich späteren Datirung
nöthigen, bis an die Zeit
von Meister Wilhelm.
Von ihm meldet bekanntlich
die Limburger Chronik, dafs
er „der beste Mahler in allen
deutschen Landen", dafs
„er mahlete einen jeglichen
Menschen von aller Gestalt,
als hätte er gelebt". Ihn er-
wähnen bekanntlich kölner
Urkunden öfters von 1358
bis 1378 (in welchem Jahre
er als bereits gestorben be-
zeichnet wird), und wenn
die „pictwa super domo
civium", also die Malerei
oben im Rathhause, die er
urkundlich für 290 Mk. aus-
führte, noch in einigen aus
dem Hansasaale stammenden, jetzt im Kreuz-
gange des Museums aufbewahrten Resten von
Wandgemälden erhalten ist, so können wir uns
von seiner Malweise eine begründete Vorstellung
machen, obwohl diese Reste arg verletzt sind
und daher die photographische Wiedergabe seht"
erschweren. Es handelt sich hierbei namentlich
um die lebensgrofsen Brustbilder (vielleicht Pro-
pheten), von denen Schnaase: „Geschichte der
bildenden Künste" Bd. VI S. 393, bereits zwei
in kleinen, recht mangelhaften Abbildungen ge-
bracht hat. Vielleicht lassen die drei hier zum
Abdrucke gelangten Zinkographien, denen sehr
sorgfältige photographische Aufnahmen zu
Grunde liegen, die Eigenart des Meisters hin-
reichend erkennen, um das oben angeführte
 
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