Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Zwei Flügelgemälde im städtischen Museum zu Köln
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0090

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ul

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

142

Lob der Limburger Chronik begreiflich zu
machen, denn alle drei Köpfe verrathen ein für
diese Zeit ganz ungewöhnliches Streben nach
Naturwahrheit, verhältnifsmäfsig am wenigsten
Fig. 1, welche die bis dahin gebräuchlichen
geschlitzten Augen und in den Winkel ge-
schobenen Pupillen u. s. w. noch ziemlich stark
zeigt, viel mehr Fig. 2, welche schon eine
gröfsere Freiheit auch in der Augenbildung
offenbart, zumeist aber Fig. 3, welche sogar
auf die Pupille das spielende Licht zaubert und
auf einem modernen Gemälde unter andere ge-
mischt den so frühen Ursprung kaum würde
erkennen lassen. So bestimmt und gut auch
diese Bilder gezeichnet sind, die male-

rischen Vorzüge stehen im Vordergrunde. Die
mächtig gewölbten Stirnen sind sorgsam model-
"rt bis in ihre feinsten Fältchen, die Brauen
ganz durchgearbeitet ohne getüftelt zu sein, die
Lippen schwer, fast etwas trotzig, aber voll Em-
pfindung, die Haare zwar noch ziemlich stark
stilisirt aber fein durchgeführt, die Hände, in-
soweit erkennbar, dem Modell erfolgreich nach-
gebildet; die Farben leuchtend warm und mit
vielem Fleifse abgetönt. Gerade den bis dahin
vorhandenen Wandmalereien gegenüber, also
sPeziell denen des Domchores, die wohl zu
dessen Einweihung (1322) vollendet wurden,
sowie den im Chore der St. Severinskirche
neuerdings entdeckten (vergl. Kölnische Volks-
zeitung 1887 Nr. 104 11. Bl. und Nr. 139 I. Bl.)
bezeichnen diese Reste aus dem Hansasaale eine
grofse Ueberlegenheit. Sie legen aber auch

gerade ihrer sorgsamen Detailausführung wegen
den Gedanken nahe, dafs ihr Urheber mehr
Tafel- als Wandmaler gewesen sei. Es läfst
sich nun nicht verkennen, dafs unsere beiden
Flügel mit diesen Wandmalereien eine gewisse
Verwandtschaft zeigen, welche bereits Dr.Thode
in einem zu Köln gegen Ende des vorigen Jahres
gehaltenen Vortrage angedeutet hat. Wenn sie
von derselben Hand (also von der des Meisters
Wilhelm) herrühren, dann gehören sie ohne
Zweifel zu seinen früheren Arbeiten. Jedenfalls
sind sie jenen Wandmalereien viel ähnlicher,
als die zahlreichen Tafelbilder, die mit seinem
Namen schon Jahrzehnte hindurch allgemein in
Verbindung gebracht werden; wir meinen den

St. Klaraaltar im Kölner Dom, die Madonna
mit der Wickenblüthe im Kölner Museum, die
Madonna mit der Erbsenblüthe im Germanischen
Museum, das Veronikabild in der Münchener
Pinakothek u. s. w. An diesen ist der Fortschritt
in Bezug auf die Tiefe der Empfindung, die An-
muth der Erscheinung, die Weichheit der Model-
lirung, den Schmelz der Farbe so unverkennbar,
dafs sie einen anderen, einen späteren Meister
voraussetzen, dem freilich Wilhelm die Wege
geebnet hat. Wir tragen daher kein Bedenken,
diese zuletzt genannten Bilder und die zahlreichen
ihnen ähnlichen, wenn auch nicht gleich be-
deutenden, in den Ausgang des XIV. und in den
Anfang des XV. Jahrh. zu versetzen. Dadurch
würde auch die Lücke besser ausgefüllt, welche
bis jetzt die Geschichte der kölnischen Malerschule
zwischen Meister Wilhelm und Stephan liefs.
 
Annotationen