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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Atz, Karl: Beobachtungen über kirchliche Wandmalerei aus alter und neuer Zeit in und außerhalb Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0113

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1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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Daraus aber, dafs man auf eine Mauer, an-
statt auf Leinwand malt, folgt noch nicht, dafs
die Leistung eine monumentale Malerei sei, und
fast alle in unseren Tagen bis in die letzteren
Jahre geschaffenen Wandmalereien sind trotz
der Verschiedenheit der Grundflächen immer
nichts Anderes als einfache Gemälde. Auch
sehen wir stets, dafs diese Malereien nach einer
Einrahmung suchen, da sie in Szenen gruppirt
sind, welche jede einen eigenen Augenpunkt
und eine Fernsicht für sich haben, oder dafs
sie reihenweise nebeneinander zwischen zwei
wagerechten Linien entwickelt sind. Auf solche
Weise verfuhren weder die alten Mosaicisten,
noch die abendländischen Maler des Mittelalters.

Da die einmal gemachten Fehler an den be-
treffenden Gotteshäusern nicht mehr verbessert
werden können, so wollen wir auch nicht einige
derselben nennen, wie es deren von Wien bis in
die Niederlande zur Genüge gibt und wovon die
südlichsten der deutschen Gegenden nicht ausge-
nommen sind. Man sieht jetzt zwar meistens seine
Fehler ein, aber die Warnung vor allerlei neuen
einseitigen Versuchen dürfte nicht überflüssig sein.

Was die Ornamenten-Malerei anbetrifft,
so dienen Zufall, Instinkt und mit wenig Ver-
ständnifs angenommene Nachahmung heutigen
Meistern nicht selten einzig und allein als Weg-
weiser, und neun unter zehnmal würde es schwer
sein zu sagen, weshalb ein Ornament diese statt
jene Form, oder warum es roth und nicht blau
ist. Man besitzt etwas, was man Geschmack
nennt, und dies glaubt man, genügt, um das
Innere eines oft grofsen Raumes mit farbigen
Zeichnungen zu schmücken, oder man sammelt
alle Arten Ueberreste von Verzierungen und ver-
wendet sie nach Belieben und Willkür wie z. B.
das auf einer Säule befindliche Ornament an
einer geraden Oberfläche oder was man auf einem
Schildbogenfeld sieht, auf einem Unterbau u. s. f.

Das Volk, das durch diese buntscheckigen
Malereien nur abgeschreckt wird, findet an den-
selben keine gute Wirkung, allein man beweist
demselben, dafs die Dekorationsmalerei des
Mittelalters dabei sehr sorgsam zu Rathe ge-
zogen worden sei und das Volk schliefst dann
daraus folgerichtig: die mittelalterlichen Künstler
können nur rohe Leute gewesen sein, wenn sie
so was gemacht haben! Und diesem Geschwätze
wird in der That nicht ungern beigepflichtet!

Bezüglich der Dekoration zum Schmucke
der Baukunst mufs man allerdings zugeben, dafs

hierin der Maler eine sehr schwierige Aufgabe
zu lösen hat, die am meisten Berechnung und
Erfahrung erfordert. Aber wie die mittelalter-
lichen Baudenkmale bezeugen, bemalte man
trotz dieser Schwierigkeiten alle inneren Räume
vom reichsten bis zum ärmsten Gebäude. Man
besafs in Folge dieser, meist sehr glücklichen
Lösungen, wohl nothwendiger Weise Angaben
und Regelbücher, die man der Ueberlieferung
gemäfs befolgte, und so konnten selbst die
schwächeren Kräfte unter den Künstlern nicht
fehlgreifen. In unseren Tagen kennt man nur
wenige solcher Malerbücher mehr und selbst
die werden nicht nach Gebühr beachtet. Man
darf somit nicht erstaunt sein, wenn der gröfste
Theil der angestellten Dekorationsversuche nur
ungenügende Ergebnisse hervorgebracht hat.

Die auf die Baukunst richtig angewandte
Kunst der Bemalung bestand einst vornehmlich
darin, dafs die Figuren und die Ornamente einen
und denselben dekorativen Ueberzug bildeten.
Derselbe Geist erdachte die Kompositionen der
bildlichen Darstellungen und des Ornamenten-
schmuckes, dieselbe Hand zeichnete und legte
beide mit Farbe an. Die nun unter solchen Vor-
i aussetzungen geschaffenen Malereien konnten nie
den Anschein von Gemälden haben, die mit be-
maltem Papier eingerahmt waren, wie bei neueren
Leistungen er sich aufdrängt. Wenn die bildlichen
Darstellungen in einem Gebäude nicht wie der
Ornamentenschmuck selbst behandelt sind, so
werden sie von demselben mit Gewalt ertödtet.
Der Ornamentenschmuck mufs selbstverständlich
möglichst flach behandelt auftreten, somit hat
auch das Gemälde mehr den Charakter einer
Zeichnung an sich zu tragen, dann erst
herrscht gute Stimmung zwischen beiden.

Wir sehen auch, dafs diese Prinzipien von
den klugen, wohl berechnenden Alten fleifsig
durchgeführt wurden. Ihre Bilder auf den Wän-
den der Gebäude gleichen sehr einer mit Farben
angelegten und leicht gehaltenen Zeichnung.
Wenn nur die Zeichnung vor anderem schön
ist und die Bemalung gut stimmt, so sagt die
auf die Baukunst angewandte Malerei alles, was
sie sagen soll und überhaupt zu sagen vermag-
Die Schwierigkeit ist immerhin grofs genug,
aber mit Hilfe dieser dem Anschein nach so ein-
fachen Mittel vermag sie jene grofse Wirkung
hervorzurufen, deren Eindruck im Innersten
des Herzens tief eingeprägt bleibt. — Nun, wie
präsentiren sich uns vor anderem die älteren
 
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