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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Mengelberg, Wilhelm: Ueber alte Orgelgehäuse
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0118

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193

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 0.

194

Die beifolgende Zeichnung (Fig. i) gibt das
Eingangs angeführte Orgelgehäuse. Die Haupt-
und Kernform desselben ist sehr einfach und
wenig von den gebräuchlichen verschieden.
Jedoch geben die viereckigen durchbrochen ge-
haltenen Thurmspitzen der rechteckigen Anlage
des Ganzen im Abschlufs nach oben etwas
Zierliches und Gefälliges. Die hier zum Aus-
druck gebrachte Form kann überhaupt dem
neueren Orgelgehäusebau zu richtiger Nach-
ahmung nur empfohlen werden. Die noch vor-
handenen Scharniere an den Aufsenkanten zei-
gen, dafs ursprünglich in hergebrachter Weise
Flügelthüren vorhanden waren.

Eine pietätvolle, das Alte, Schöne richtig
erkennende und würdigende Wiederherstellung
hat in neuerer Zeit das gemäfs der gleichfalls bei-
gegebenen Zeichnung
(Fig. 2) überaus zier-
licheOrgelkästchen aus
der Nieuwe Zydts-Ka-
pelle zu Amsterdam ge-
funden. Dasselbe zeigt
in dem Detail klar
und schön die Formen,
welche in den Nieder-
landen bis gegen die
Mitte des XVI. Jahrh.
von den Gothikem all-
gemein noch gehand-
habt wurden. Dieses
Orgelschmuckkästchen
lehnte bis vor wenigen
Jahren in genannter Kapelle unbeachtet an der
Südseite desselben; ihm waren die Flügelthüren
noch eigen. Das zugehörige Orgelwerk befand
sich in einem Nebenraume. Bei Aufstellung
einer neuen Orgel in genannter Kirche wurde
die alte Facade an den Konservator des erz-
bischöflichen Museums zu Utrecht, Herrn van
Heukelum, veräufsert. Dieser überliefs die mit
Malereien aus dem XVII. Jahrhundert von Jan
van Asselin versehenen Flügelthüren, da er das
Orgelgehäuse selbst in seiner Pfarrkirche zu
Jutfaas bei Utrecht aufzustellen beabsichtigte,
dem erzbischöflichen Museum und liefs die alte
Orgelfacade der Reinigung und Restauration
unterziehen. Der mittelalterliche Erbauer dieser
hier abgebildeten Fagade wählte, da dieselbe
s'ch auf einfacher Konsole aufbaut, die dazu-
111 al gebräuchliche Form der Vor- oder viel-
mehr Brüstungs-Fagaden, auch Positiv-Orgel-

kästchen genannt. Der Aufbau selbst ist dann
von hier aus reicher gestaltet. Der hier beigefügte
Grundrifs (Fig.j) zeigt wohl hinreichend klar, wie
die Haupt- und Seitenthürme sich aus dem ganzen
Werke entwickeln. Das ganze Holzwerk dieser
herrlichen Orgelfacade bietet dem Interessenten
ebenso eine Menge vollendet künstlerischer Mo-
tive, wie die schöne und klare Entwickelung
der Baldachine in ihrer Konstruktion jederzeit
nachahmenswerth sein und bleiben werden.

Wir möchten nun bei dieser Gelegenheit
der angebrachten Bitte Ausdruck geben, dafs es
kundiger Hand gelingen möge, nach dem Muster
des vorzüglichen Werkes über Altarbau von
Herrn Stadtpfarrer Münzenberger, auch Ab-
bildungen der künstlerisch hervorragendsten
mittelalterlichen Orgelgehäuse in einem be-
sonderen Werke zu
sammeln. Die in den
verschiedenen Museen
vorhandenen Architek-
turbilder alter Nieder-
länder bieten dabei
gleichzeitig eine uner-
schöpfliche Fundgrube.
Dazu finden wir in
den Niederlanden und
in Norddeutschland1)
noch manche schöne
Orgelfagaden, die ent-
schiedenverdienen, zur
allgemeinen Kenntnifs
gebracht zu werden.
Zeigen sie auch vielfach die Formen des
XVI. und XVII. Jahrhunderts, so ist ihre Kon-
struktion doch durchweg entsprechend jener der
spätgothischen Orgelgehäuse gehalten und zwar
in dem Sinne, dafs sich auf kühn gewölbter Kon-
sole mit reizender Brüstung und kleinen Vor-
örgelchen der gemeinhin reich durchgeführte
Hauptkasten aufbaut, und vielfach künstlerisch
sich bis zu den oberen Abschlüssen in Thürmen
und Pyramiden entwickelt. Dabei ist in der
Regel Alles in Eichenholz ausgeführt. Diese
alten Orgelfacaden sind zumeist gegen Mifshand-
lungen und Verunstaltungen viel mehr geschützt
geblieben, als die anderen Kirchenmöbel.

Utrecht.

Wilh. Menge]berg.

') [Vergl. die wohl vollständige Aufzählung der in
Deutschland noch vorhandenen mittelalterlichen Orgel-
gehäuse bei Ölte „Handbuch der kirchlichen Kunst-
Archäologie", 5. Aufl. l.Bd. S. 327—329.] D. H.
 
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