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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Schnütgen, Alexander: Drei mittelalterliche Aquamanilien im Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0127

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211

188'J. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 7.

212

Schnabel bildet den Ausgufs, während der
prismatisch atifschiefsende Federbüschel des
Schweifes sehr geschickt als Eingiefsröhre ein-
gerichtet ist. Das Ganze ist ein einheitliches,
musterhaftes Gufsstück, und nur die eingravirten
Federungen beruhen auf Handtechnik wie die
Inschrift. Obwohl diese auf eine spätere Hand
zurückzuführen ist, so mag doch die in ihr
verzeichnete Jahreszahl (1155) die Ursprungszeit
annähernd richtig angeben. In seiner der Natur
abgelauschten stolzen Haltung macht der vor-
züglich stilisirte Hahn (zu dem das Germanische
Museum ein etwas kleineres Seitenstück besitzt),
einen vortrefflichen Eindruck.

Fast gleichzeitig dürfte die phantastische
Vogelgestalt (Figur 2) sein, welche 17 cm
hoch, 15 cm lang von etwas plumper Form
ist. Die beiden kurzen Beine geben dem Vorder-
körper den Halt, den die beiden ursprünglich
entsprechend längeren, spitz zulaufenden Unter-
Hügel dem Hinterkörper boten. Nachdem jene
im Laufe der Zeit durch den häufigen Gebrauch
an ihrer Länge eine kleine Einbufse erlitten
hatten, mufste diesem ein anderer Stützpunkt
zu Theil werden, den er in einem rohen mit
Zinn angelötheten Abgufs der Vorderfüfse er-
hielt. Aus dem Hinterkörper entwickelt sich
zwischen den aufstrebenden Flügeln ein als
Henkel zu gebrauchender in einen Hundskopf
auslaufender Hals, der mit dem Rücken des
Thieres eine eiförmige Oeffnung bildet. Die aus
dem Hundskopf herauswachsende Palmette dient
dem sonderbaren Kopfe des Vogels als Bekrö-
nung. Der letztere spendet durch seine runde
Schnauze das Wasser, welches auf dem Scheitel
des Hundskopfes, (der das Deckelcharnier auch
auf der Abbildung erkennen läfst) durch den
Henkel in das Innere Eingang findet. Als Gufs-
stück weniger leicht und fein als das vorige, theilt
es mit demselben die schuppenartigen Gravuren.

Das Aquamanile unter Figur 3 zeigt die
Büstenform, die schon der romanischen
Periode recht geläufig war und bis in die spät-
gothische Zeit begegnet. Es hat eine Höhe von
23 cm, eine Breite von 18 cm und seinen Ur-
sprung wohl am Rhein gefunden in der zweiten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Auf drei kurzen
dünnen Ringel - Füfsen ruht die oval gestaltete
Unterseite, welche folgende auf drei Reihen spruch-
bandartig sich vertheilende tief eingegrabene Ma-

juskel-Inschrift trägt: \ ANC1LLA • BIN • ICH
GENANT • ZE HOVE . WER ■ ICH . GERNE
ERKANT. Sie scheint auf die profane Be-
stimmung dieses Giefsgefäfses hinzuweisen. —
Schulter und Brustansatz sind mit einem gut ge-
zeichneten und kräftig eingravirten Weinranken-
und Blattornament verziert, welches sich von
dem gepunzten Hintergrunde um so wirkungs-
voller abhebt. Ein schmales, in der Mitte durch
ein Dreipafsblatt agraffenartig unterbrochenes
Börtchen bildet den Uebergang zu dem dicken,
ungegliederten Halse, der fast glatt zu dem run-
den Kopf überleitet mit seinen dicken Wangen,
geschlitzten Augen, breiten Nasenflügeln und
geschwungenen Lippen, die einen lächelnd
grinsenden Eindruck machen, wie er manchen
Figuren der altkölnischen Schule in besonderem
Mafse eigenthümlich ist. Die kleine runde Oeft-
nung inmitten des Mundes scheint früher mit
einem Ausgufsröhrchen versehen gewesen zu sein,
während die enge Durchbrechung auf der Höhe
der Stirn, ursprünglich vielleicht mit einem Glas-
flusse verziert, wohl nur einen dekorativen Zweck
hatte. Die trapezförmige durch einen Deckel
verschliefsbare Oeffnung auf dem Scheitel diente
zum Eingüsse. Während das Haar nach vorn in
Bündeln über die Ohren fällt, sie vollständig
verdeckend, bildet es als breites Band unterein-
ander gesteckt, den Abschlufs des Flinterkopfes,
an dessen Fufs ein starker Ring dem Finget
beim Eingiefsen einen Haltpunkt bietet. Ein ganz-
ähnliches Aquamanile hat sich in einer Kirche
von Stendal erhalten, welches die im Mittel-
alter für Metallgegenstände nicht gerade ge-
wohnliche Eigenschaft der Bemalung vor wohl
allen andern Giefsgefäfsen auszeichnet.

Da die letzteren längst aufgehört haben, dem
kirchlichen oder profanen Gebrauche zu dienen,
so kann für sie ein unmittelbarer vorbild-
licher Werth nicht in Anspruch genommen
werden. Aber auch ganz abgesehen von ihren
technischen Vorzügen bieten sie durch ihre viel-
fach lebendige Erfassung der Natur, durch ihren
Reichthum der Phantasie, durch ihre nicht selten
geistvolle Stilisirung, wie durch ihre häufig recht
geschickte Ausstattung eine Fülle dankbarer
Gesichtspunkte, deren Verwendung manchem
modernen Gebrauchs- oder Dekorationsgegen-
stande zu grofsem Vortheile gereichen könnte.

Schnütgen.
 
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