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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Schnütgen, Alexander: Spätgothische Silber-Agraffe in der Pfarrkirche zu Burgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0141

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237

188'J. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 7.

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menten noch mehr Leben und Charakter zu
geben. Diese einzelnen Blattzüge gehen von
einem, mit dem Stichel grob gerauhten runden
Dratlie aus, der in der Hohlkehle liegt, und
schwingen sich von einem der in Kasten ge-
fafsten viereckigen Steine, (als welche Smaragde,
Saphire, Amethyste mit einander abwechseln)
zum anderen.

So komplizirt die Anlage zu sein scheint, so
einfach ist sie in Wirklichkeit. Drei Schablonen
haben hingereicht, um aus der dünnen Silber-
platte das vielgestal-
tige Blattwerk zu ge-
winnen, welches seine
so reiche und mannig-
faltige Wirkung vor-
nehmlich seinen küh-
nen, über den hohlen
Hintergrund muster-
haft sich vertheilen-
den Windungen ver-
dankt. Die Ruhe, die
an ihnen vermifst
werden möchte, wird
durch die eingestreu-
ten Steine wiederher-
gestellt, die wie sich
öffnende Knospen
wirken und farbige
Punkte schaffend den
Farbenwechsel her-
beiführen, den der
Unterschied der mat-
ten und polirten Ver-
goldung allein nicht in
ausreichendem Mafse
zü bewirken vermag.
Die Hohlkehle leuch-
tet nämlich im Lichte starker Glanzvergol-
dung durch die Lücken der mattvergoldeten
"lattzüge hindurch, um einen reizenden Effekt
hervorzurufen, eine von den glücklichen Dis-
positionen, über welche namentlich die Gold-
schmiede der spätgothischen Epoche mit Vor-
liebe verfügten.

Sehr glücklich ist auch die Anordnung,
welche für das Tragen der Agraffe an einer
*vette getroffen ist. Die oberste Spitze bekrönt

|nänilich anstatt eines Knopfes eine ebenfalls
11111 dem Stichel rauh gemachte Kugel. Eine
'ünffheilige Rosette, den Blättern ähnlich be-

handelt, umfängt sie; durch ein profilirtes Knäuf-
chen steht sie mit dem Dreipafs in Verbindung,
der als Oese dient. Mit Leichtigkeit und Sicher-
heit läfst er sich in der Kugel hin- und her-
drehen, um das Tragen der Agraffe von der
einen wie von der anderen Seite zu ermöglichen,
ohne Manipulationen mit der Kette.

Aus allem diesem ergibt sich, dafs das ele-
gante Schmuckstück nicht nur einen hohen
alterthümlichen: ästhetischen und technischen,
sondern auch einen bedeutsamen vorbildlichen

Werth hat, aber nur in
der Hand des Gold-
schmiedes, der frei u.
selbständig zu schaf-
fen vermag. Aengst-
lichesKopiren würde
am wenigsten bei dem
vorliegenden Stücke
angebracht sein, wel-
ches seinen Reiz nicht
zum geringstenTheile
der manuellen Fertig-
keit des Künstlers
verdankt, dem Ge-
schmacke und der
Sicherheit, mit denen
er in freier Hand-
thätigkeit die Blätter
zu gestalten, zu wer-
fen, zu gruppiren ver-
stand. — Für eine (na-
türlich auf der Rück-
seite glatte) Chor-
mantelschliefse würde
es ein in Bezug auf
Zeichnung, Ausfüh-
rung, Preis sehr em-
pfehlenswerthes Muster bieten.

Als ein kaum verdientes Glück ist es zu
betrachten, dafs der Uhrmacher (!), dem das
im Ganzen gut erhaltene Kleinod vor Jahren
zur Restauration übergeben war, auf diese (aller-
dings aus schlechten Beweggründen) verzichtet
hat, und dafs es auf allerlei Umwegen (die leider
für das Berliner Kunstgewerbe-Museum einen
unverschuldeten erheblichen Nachtheil zur Folge
gehabt haben), in die Pfarrkirche zu Burgen
an der Mosel zurückgelangt ist, welcher es
wohl von Anfang an und auf Grund einer
Stiftung angehört. S«Urningen.
 
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