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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Loersch, Hugo: Hans Memling's Heimath und Todestag
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0175

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301

1889. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

302

Entstehung und Ueberlieferung etwas genauer
zu berichten.

In der Lieferung 148 des Bulletin historique
der societe' des antiquaires de la Morinie (Saint-
Omer, 1888) hat Pater Henri Dussart S. J. auf
S. 286—304 die Handschrift Nr. 730 der Bib-
liothek von Saint-Omer sorgfältig beschrieben.
Seine gründliche und scharfsinnige Untersuchung
liefert den Beweis, dafs diese Handschrift ihre
Entstehung verdankt dem bekannten flämischen
Geschichtsschreiber Jakob Meyer, dessen Haupt-
werk, neben seinen Rerum Flandricarum tomi X,
das Compendium chronicorum Flandriae (in
zweiter Auflage: Commentarii sive Annales rerum
Flandricarum) ist. Er starb als Pfarrer von
Blankenberghe am 5. Februar 1552 zu Brügge.2)
Während des letzten Jahres seines Lebens hat er
in der von P. Dussart beschriebenen Handschrift
eine umfassende Sammlung von Abschriften und
Auszügen aus überwiegend handschriftlichen
Werken und Aufzeichnungen vereinigt, welche
unzweifelhaft Grundlage und Vorarbeit für eine
Fortsetzung der geschichtlichen Werke des bis
zum Lebensende thätigen Mannes sein sollte.
Ein ganzer Abschnitt dieser Kollektaneen ist
dem handschriftlichen Tagebuch des Priesters
und Notars Rombold de Doppere entnommen,
welcher Kustos des Kapitels von S. Donatian
zu Brügge war und hier nach Meyers Angabe
1501 gestorben ist.

Rombold de Doppere nun hat zum Jahre
1494 folgende (von Meyer Bl. 109 a der Hand-
schrift) offenbar wörtlich aufgenommene Notiz
in sein Diarium eingetragen:

Die XI Augusti Brugis obiil magisler
Joannes Memmelinc, quem praedicabant peri-
tissimum fuisse et excellentissiinum pictorem
totius tunc orbis christiani. Oriundus erat
Magunciaco, sepultus Brugis ad Aegidii.

Dafs in der That hier der 11. August des
Jahres 1494 gemeint sei, beweist ein anderer sich
unmittelbar anschliefsender Eintrag, in welchem
der folgende 23. August ausdrücklich als ein
Samstag bezeichnet wird, was für 1494 zutrifft.

Das Original des Tagebuchs Meister Rom-
bolds ist bis jetzt nicht zum Vorschein ge-

2) Vgl. die längere Anmerkung im angeführten
Bulletin S. 292 f. und aufserdem Jöcher „Gelehrten-
Lexikon", Bd. III S. 498 und dessen Fortsetzung,
Bd. IV Sp. 1617; Biographie universelle (Michaud),
Bd. XXVIII S. 1G4.

kommen. Meyer klagt schon am Schlüsse seiner
Auszüge, dafs er von den vier Büchern, aus
denen es bestand, die beiden ersten nie habe
finden können; auf sein Dasein weisen aber
auch einige Stücke des Brügger Stadtarchivs
ausdrücklich hin. Rombold de Doppere, dessen
Geschlecht sich zu Brügge über das XV. Jahr-
hundert hinaus verfolgen läfst, ist überhaupt in
den Urkunden dieser Stadt und ihrer Umgegend
nicht selten in seiner amtlichen Eigenschaft
nachweisbar.8) Er konnte auch offenbar über
Memlings Todestag und Herkunft genau unter-
richtet sein und mochte um so mehr Antheil
an dem Heimgang des grofsen Malers nehmen
als gerade er, wie die Rechnungen des Brügger
Johanneshospitals beweisen, im Jahre 1489 zwei
Urkunden angefertigt hatte, welche aus Anlafs
der Uebertragung der Reliquien der elftausend
Jungfrauen in den neuen, mit Memlings lieb-
lichen Malereien gezierten Schrein ausgestellt
worden sind.4)

So steht es denn durch zuverlässigstes Zeug-
nifs fest, dafs Memling am 11. August 1494
gestorben ist und dafs er aus Mainz stammte.
Es wird nun Sache der Mainzer Lokalforschung
sein, dem Namen in Urkunden wie in Kirchen-
und Zunftbüchern nachzugehen und wenn mög-
lich, das immer noch zweifelhafte Geburtsjahr
und sonstige Lebensnachrichten zu ermitteln.
Die Kunde von P. Dussarts Abhandlung ver-
danke ich Herrn James Weale in London, ein
Exemplar des Bulletins stellte mir Herr Prof.
G. Kurth in Lüttich freundlichst zur Verfügung,
über Meister Rombold de Doppere unterrichtete
mich in liebenswürdigster Weise Herr Stadt-
archivar Gilliodts van Severen in Brügge; ich
erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich auch
hier für die mir gewährte Unterstützung meinen
verbindlichsten Dank ausspreche.

Bonn. Loersch.



3) Vgl. van den Bussche in der Zeitschrift „La
Flandre" Bd. II S. 135 Nr. 5 und 68, Gilliodts
van Severen das. S. 80 ff. und 221 ff.

4) Es heifst in der Rechnung des Jahres 1489
Bl. 53v: Betaelt meester Rombout de Doppere van
twee Instrumenten ter cause van der translacie van de
nieuwe rive van den xj duust maegden; daer of be-
taelt iiij Ib. xvj s. par. Vgl. Gilliodts van Severen,
Inventaire des Charles de la ville de Bruges, Intro-
duetion S. 96. —■ Rive, flämisch = Reliquienschrein;
vergleiche Kiliaen, der es mit hierotheca, feretrum
übersetzt.
 
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