Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

DOI article:
Neumann, W. A.: Beitrag zur Würdigung des Hausaltars König Andreas III. von Ungarn
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0046

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Allein damit ist nur unsere Frage abge-
lehnt: wie wenn wir eine Stelle fänden, welche
das Dasein dieser 2 Edelsteine in ihrer
alten Fassung und zwar in deutschen
Landen wahrscheinlich macht:

Wir machen die Kunstgeschichtsforscher auf
folgende Stellein Guntherus Parisiensis, ed.
R-'ant, Genevae 1875 p. 75 aufmerksam. Günther
von Pairis erzählt, welch grofsartige Reliquien-
schätze sein Kloster durch den Abt Martin, der an
dergrofsen Plünderung Konstantinopels 1204 mit-
thätig war, erhalten habe. Von diesen Schätzen
gab das Kloster 1205 etwas sehr Werthvolles
an den König Philipp ab. „De his autem ipsis
celestis gratie donis, que Dominus iam sepissime
dominico famulo suo, abbati Martino, et per
ipsum ecclesie Parisiensi contulerat, eadem eccle-
Sla ad honorem Dei et totius romani imperii
domino Philippo, serenissimo imperatori, lau-
dabilem valde contulit portionem: Tabulam
videlicet quamdam inestimabilis fcre pretii,
auro et gemmis pretiosis operosissime exorna-
tarn, et plurima ss. reliquiarum genera . . . . ibi
t'1hgenter recondita, continentem; quam tabu-
•arn Grecorum imperator in solempnibus festis,
Velut quoddam certum pignus imperii, gestare
c°nsueverat, de collo suo catena aurea depen-
c,entem. Cui tabule, preter aurum vel alias
Sernmas quamplurimas, iaspis unus mire
magnit udinis infixus est passionem Do-
"Uni sibi insculptam et beate Virginis
et Joannis Evangeliste ymagines hinc
lnde as s istentes; est etiam sapphyrus
'bi quidam admirande quantitatis, cui

"Jvina Maiestas...... insculpta est.

l,r dieses prachtvolle Geschenk envies sich
^önig Philipp dadurch dankbar, dafs er das
■Kloster Pairis in seinen besonderen Schutz
ahm und ihm den Besitz der übrigen Re-
gien durch besonderes Privileg bestätigte.
lrn mochten die beiden Juwelen ganz be-
0nders werthvoll sein, da seine Gemahlin
le Tochter des byzantinischen Kaisers Isaak
Angelos war.

An sich hindert uns nichts an diesem Passus,

le 2 Edelsteine des Königes Philipp im Basler

Kabelwerke wiederzuerkennen. Anders verhält

sich mit der Frage: welcher Zeit unsere 2 Edel-

eir>e angehören, und ob wirklich der byzan-

tinische Kaiser diese 2 Edelsteine auf der Brust
getragen habe.

Wir unterziehen uns hier dieser Beantwortung
nicht, weil wir den Umfang dieses „Beitrages"
nicht allzusehr ausdehnen wollen. Nur soviel
sagen wir an dieser Stelle, dafs an älteren Kaiser-
bildern diese Platte nicht sichtbar ist, dafs
aber wohl die Kaiser bei feierlichen Gelegen-
heiten ein Buch in der Hand trugen, in dessen
Vorder- und Rückdeckel diese 2 Steine konnten
eingefügt gewesen sein. Abt Martin mochte die
2 Platten zu einem Bilde zusammengestellt haben.

Wichtiger ist uns die Frage: wohin ist diese
werthvolle byzantinische Doppel - Tafel, dieser
Bucheinband mit den 2 Edelsteinen gekommen,
wem hat König Philipp seine Schätze ver-
macht? denn sicher hat er nicht wenig Gold-
werthe und Juwelen aus Konstantinopel heim-
gebracht. Es handelt sich nur um e i n Jahr-
hundert, 1205 bis Ende des XIII. Jahrhunderts.
Die Tafel konnte eingeschmolzen werden; die
Edelsteine haben, abgesehen von ihrer feinen
Arbeit, die zu ihrer Aufbewahrung antrieb, der
Zerstörung in wirksamer Weise widerstanden.

Nun ergeben sich erst recht viele Fragen:
1) haben wir es wirklich mit Originalen zu
thun, älter als 1204; 2) und wenn ja, wie kamen
diese aus Philipps Besitz nach Venedig?

Um diese Fragen zu beantworten, genügt es
nicht, in Bibliothek und Archiv nach den ver-
lorenen Schätzen Philipps nachzusuchen, son-
dern es müssen auch die Gemmensammlungen,
die in Staats- und in Privatbesitz sich befinden,
untersucht werden. Gewifs werden sich Ergeb-
nisse von Bedeutung aus solcher Forschung
herausstellen. -— Da wir sehr wenig byzantinische
Gemmen und Kameen kennen, dürfte ein solches
Nachsuchen fruchtbringend für Erkenntnifs eines
Zweiges byzantinischer Kunst sein. Noch suchen
wir nach manchen archivalischen und Kunst-
schätzen, die aus Palästina und dem oströmi-
schen Reiche zu uns sind herübergerettet wor-
den. Dies Suchen wird eben durch schon ge-
schehene Funde neu angeregt, welche in Italien
gemacht worden sind.

Es lohnt sehr die Mühe, den alten Schätzen
nachzugehen; so sollte auch dem Besitze der
Hohenstaufen ein Bischen nachgespürt werden.

Wien. Professor Dr. YV. A. Neumann.
 
Annotationen