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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Koch, Alexander: Billige, einfache - aber geschmackvolle Wohnungs-Einrichtungen, [2]
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Hagen, L.: Mode und Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0024

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Seite W.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

gewöhnlichen Aufwand an Kraft und Zeit begabter und streb-
samer Zeichner und Architekten forderte, erübrigt es noch, einige
Schlußworte zu sprechen, und so können wir zu unserer großen
Freude mit Genugthuung hervorheben, daß die durch unser Preis-
ausschreiben erstrebte Vertiefung in die Aufgabe der künstlerischen
Gestaltung des bürgerlichen Heims wesentliche Anregung und
Förderung erfahren hat! Diese Erfolge sind um so höher zu
schätzen, als die in früheren Jahren von einzelnen Vereinen,
Industriellen und Behörden angebahnten ähnlichen Bestrebungen
wenig günstig für die gute Sache verlaufen sind. Mehr oder
weniger war daran wohl der stets rein „lokale" Karakter dieser
Versuche schuld. Diesen Unternehmungen fehlte vor Allem die
nachträgliche bildliche und publizistische Verbreitung ihrer Ergebnisse,
denn nur so hätte eine nachhaltige Läuterung des Geschmackes
innerhalb des gebildeten Mittelstandes erfolgen können. Daß man
unserem redlichen Wollen und überzeugungstreuen Vorgehen in
dieser Angelegenheit größtes Vertrauen zollte, beweist der immerhin
erfolgreiche Verlaus unseres Preisausschreibens, über dessen Aus-
gang wir das vorliegende reich ausgestattete Heft als Rechen-
schaftsbericht ausgeben konnten. Auch im nächstfolgenden
Februar-Heft werden wir noch einige weitere Beispiele für ein-
fache Zimmer-Einrichtungen bringen.

Die unsererseits gestellte Aufgabe war, wie wir uns von
Anfang an bewußt waren, äußerst schwer zu lösen, und das
Resultat kann deshalb auch nicht gerade „als neue Bahnen
weisend" bezeichnet werden. Es fehlt z. Th. noch an klarer Ein-
sicht über den einzuschlagenden Weg, der nur in der Richtung
liegen kann: das Konstruktive direkt künstlerisch wirken
zu lassen. Gb Stil- und Füllungskonstruktion, ob Brett- oder
Stollen-Möbel gewählt werden sollen, ist auch nach dem Ergebniß
des Ausschreibens nicht als entschieden zu betrachten. Dagegen
scheint allgemein vom „Hausfleiß der Frauen" Wesentliches
erwartet zu werden, denn die gewählten Zier-Borden usw. dürften
zu theuer sein, um anders als durch „eigene Handarbeit" für
bürgerliche Familien erschwinglich zu werden.

Hieraus ergibt sich die weitere Nothwendigkeit, die Frauen
für die Freude am künstlerisch Schönen zu erziehen, und
damit wird dann gleichzeitig das Festhalten am Althergebrachten,
die quasi Furcht vor neuen Formen fallen und den Möbelfabrikanten
leichterte Möglichkeit geboten sein, Neues und Besseres zu leisten.

Abbildung Nr. 5>>2. Schreib- und Näh-Tisch fürs Wohnzimmer, Seite

Gerade größere Möbelfabriken haben sich an unserem preis-
Ausschreiben fast gar nicht betheiligt und es läßt sich dieses Fern-
bleiben wohl zum Theil dadurch motiviren, daß das Alte „im ^
Geleise bleiben" bislang eben noch lukrativer ist, als sich an

Neues heranzuwagen, und doch wird Durchschlagendes auf
der von uns betretenen Bahn erst dann zu erzielen sein, wenn
die ebengenannten führenden Firmen darangehen: in ein-
fachsten aber sinnvollsten und gefälligsten Formen gut
gearbeitete Möbel auf den Markt zu werfen und so das
Publikum nicht nur theoretisch, sondern vor Allem auch praktisch
über die wesentlichsten Schönheits-Anforderungen an gutes Material
aufgeklärt wird, in welchem Sinne zu wirken wir fortgesetzt
bemüht bleiben werden.

Allen betheiligten Künstlern aber und jenen Männern, die
uns in der Ausübung des schwierigen Preisrichter-Amtes mit
ihren reichen Erfahrungen und künstlerischem Wissen und Können
so thatkräftig unterstützten, sagen wir unseren herzlichsten Dank,
also allen Jenen, die freudig unserem Rufe auf dem beschrittenen
Wege folgten: dem deutschen Bürger ein „Heim", und in
diesem der „Kunst im Hause" eine Heimstätte zu geben! —

Alexander Roch.

und sMunstgewerbe.

von L. Hagen.

-M^ie Mode ist der pulsschlag der Industrie. Alle Perioden
einer vorherrschend industriellen Entwickelung sind von der
Erscheinung einer hastig wechselnden Mode begleitet gewesen.
Die römische Kaiserzeit kannte einen Modenwechsel, der an
Geschwindigkeit demjenigen der Neuzeit nichts nachgab, wenn
auch die Formen seiner Lebensäußerungen von der unserigen
verschieden waren. Eine Zeit, die, gleich derjenigen des Augustus,
zwei und zwanzig verschiedene Purpurarten kannte, mußte einen
Modewechsel ebenso nöthig haben wie das Zeitalter der Anilin-
farben. Das vierzehnte Jahrhundert hallt wider von den Klagen
der Ehronisten über den verwerflichen Kleider-Luxus und die
Unbeständigkeit der Modelaunen. Dennoch ist es die Zeit, wo
das Schneiderhandwerk, gleich den übrigen Gewerben, anfängt,
sich seiner Kraft bewußt zu werden. In diesem Kraftbewußtsein
reckt und dehnt es sich; es tummelt sich in tollem Uebermuth
und zeitigt allerhand Ungeheuerlichkeiten, die den Moralisten und
Scheinphilosophen viel Anlaß geben, sich über die Narrheiten der
Menschheit weidlich zu entsetzen. Dem Sachkundigen zeigen gerade
die närrischen Trachten jener Zeit, wie das Ringen nach Zweck-
mäßigkeit und Schönheit unter allem Wust jener Thorheiten zum
Ausdruck kommt. Es ließe sich eine umfassende Abhandlung
darüber schreiben, wie allein das Ringen nach der Erfindung
zweckmäßiger, stilvoller Aermel sich fast durch zwei Jahrhunderte
hindurchzieht. Dieses Ringen ist freilich nur dem verständlich,
der selbst einmal versucht hat, Kleiderärmel von vollkommenem
Sitz und vollkommener Proportion zu schaffen. Aehnlich dürsten
die Verhältnisse auch auf anderen Schaffensgebieten liegen. Die
Unzulänglichkeit alles Irdischen, theils auch die unverbrüchliche
Thatsache, daß nicht nur in der Politik „weitergewurstelt" wird,
weil immer die kommende Generation etwas von dem wieder
vergißt, was die vorhergehende gelernt hat, ist eben daran schuld,
daß das Streben nach Verbesserungen und damit nach Ver-
änderungen nicht aufhört.

Iehring nannte die Mode das Bestreben der Massen, es den
begüterten Klassen gleich zu thun; Fischer hat in seinem Buch
über Sozialogie und Sozialpolitik nachgewiesen, daß die Theorie
vom Zukunftsstaat an dem Modebedürfniß der menschlichen
Natur scheitern muß. Er weist u. A. nach, daß sogar das Bier
seine Modelaunen hat. Wolfgang Kirchbach hat verschiedentlich
den inneren Zusammenhang zwischen dem Wechsel der Jahres-
zeiten, dem Naturtriebe nach Farben- und Formenwechsel und
dem Modebedürfniß der Menschen nachgewiesen.

Jede von diesen Ansichten enthält einen Kern von Wahrheit,
ohne daß durch diese Vielseitigkeit der Anschauung das Wesen
 
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