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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Mühlke, C.: Das Kunstgewerbe auf der Schleswig-Hohlsteinischen Gewerbe-Ausstellung zu Kiel
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Januar-Heft.

Leite 25.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Das sMuiMgrwcrbe auf der ^chleswig-^Mulsteinifchen

Gewerbe-Ausstellung zu sMiel

von L. Mühlke, Regierungs, und Baurath in Schleswig.

atur und Kunst hatten sich vereinigt, um sür die im Sommer >8Y6
in Kiel veranstaltete Schleswig-Holsteinische Gewerbe-Ausstellung
den denkbar günstigsten Rahmen zu schassen. Das Ausstellungs-
gelände, in sanfter Anschwellung von der Kieler Föhrde aufsteigend, bietet
all die landschaftlichen Reize, welche die Vereinigung von See, Hügelland
und Buchenwald in den Gstseefiorden der zimbrischen Halbinsel erzeugt. Und
der Architekt der Hauptausstellungsbauten, Georg Thielen zu Hamburg,
hatte es verstanden, mit den geringsten Mitteln malerische Außenwirkungen
und harmonische Innenräume zu schassen. Wenn aus den ersten Blick das
aus dem Gebiete des Kunstgewerbes Gebotene, besonders die Menge der aus-
gestellten Arbeiten, nicht in gleichem Maße befriedigt, so muß man berück-
sichtigen, daß die schleswig-holsteinischen Sande seit Jahrhunderten von den
benachbarten Kunstzentren Hamburg und Lübeck politisch getrennt waren, und daß
die dänische Fremdherrschaft am wenigsten geeignet war, die Kräfte des Landes
sür die Wiederbelebung alter, im Grunde deutscher Kunstübung auszunutzen.

Was nun seit den drei Jahrzehnten der Wiedervereinigung des Landes
mit Deutschland an neuerem Kunstgewerbe aufzublühen beginnt, lehnt sich
in glücklichster Weise an die noch leise im Volke schlummernde alte Tradition
an, an die Ueberbleibsel einer einst regen Kunstübung, die das ganze Volk
durchdrungen hatte. Es war daher ein richtiger Gedanke, neben der neueren
Kunst auch die hervorragendsten Zeugen der früheren Kunstgewerbe auszu-
stellen, und so einen vergleich zwischen alter und neuer Kunst zu erleichtern.

Es würde zu weit führen, im Rahmen dieses Aufsatzes die alte
schleswig-holsteinische Kunst, von der bis vor drei Jahrzehnten nur wenig
im deutschen Lande bekannt war, zu schildern. Die Erzeugnisse derselben
füllen noch heute die Kirchen des Landes, die Museen zu Hamburg und
Lübeck, die drei Provinzialmuseen zu Kiel, Flensburg und Meldorf. Und ^
trotzdem viele Stücke nach England und Amerika verhandelt sind, ist noch
eine reiche Anzahl werthvoller Sachen im Besitze von Sammlern, von Adeligen,
Bürgern und des reichen Bauernstandes. Nachstehend sei nur das Wichtigste,
das in der Kieler Ausstellung vereinigt war. erwähnt.

Um eine gute Vorstellung von der Einrichtung eines Pesels (der guten
Stube eines dithmarscher Landmannes) zu geben, wurde in der Kunsthalle
eine von der Flensburger Schnitzschule gearbeitete Nachbildung des Pesels
des ehemaligen dithmarscher Landvogtes Marcus Swyn errichtet. Dieser
jetzt im Meldorfer Kreismuseum ausgestellte Pesel gibt mit seinen Staats-
betten, Schränken. Panneelen, reichen Schnitzereien der Thüren und Decken
ein getreues Abbild einer einst an der Scholle haftenden Kunstübung. Trotz-
dem die Hochrenaissance eben von Süden her ihren Einzug in das Land
gehalten und das Detail der Schnitzwerke beeinflußt, behält die ganze Aus-
gestaltung des Innenraumes doch den Karakter des landeseigenthümlichen.
(Wir behalten uns vor, demnächst eine Besprechung des jüngst erschienenen
ersten Berichtes des Museums Dithmarscher Alterthümer in Meldorf zu
bringen, in welchem der Swyn'sche Pesel ausführlich behandelt ist.) Diese
Peselstube gab den glücklichen Rahmen für die Ausstellung der Erzeugnisse
der alten Snitgermeister, eines Hörnschax's (Eckschrankes), eines sünfthürigen
Schrankes, aus Husum stammend, jetzt im Kieler Thaulowmuseum, und von
Arbeiten des Haussteißes, als da sind Bauernstühle, Stuhlkissen, Bettvorhänge,
Fayencen. Besonders zu nennen sind die aus Leinen und Wolle gefertigten
Bildwebereien der Vorhänge der Wandbetten und die Knüpfarbeiten der
Stuhl- und Bankdecken. Für letztere waren zwei Techniken im Lande heimisch.
Die visier Technik zeigt ein farbiges glattes Grundgewebe. Das geometrische
Muster ist durch eingeknüpfte Noppen hergestellt, deren farbige Wolle auf-

Zür neu hinzugetretene Leser bemerken wir, daß die „Ausstellungs-Berichte" über Berlin,
Nürnberg, Stuttgart, Dresden, Budapest bereits im September-Heft189b zu erscheinen begonnen
haben und mit zahlreichen Illustrationen hervorragender Innenräume und kunstgewerblichen
Erzeugnissen versehen sind (das Dezember-Heft als sogen. „Ausstellungs-Heft" ist, so lange der
noch geringe Vorrath reicht, auch einzeln s, Mk. 3.— zu beziehen) und wahrscheinlich noch bis
zum März-Heft fortgesetzt werden, da verschiedene interessante Aufnahmen, trotz des wesentlich

geschnitten einen hochwolligen Plüsch 'ergibt. Die Langenhorner Technik
dagegen ähnelt der persischen und orientalischen Teppich-Knüpfarbeit. An
alter Kleinkunst hat das Kieler Thaulowmuseum Silberfiligranarbeiten, die
hauptsächlich an der Westküste hergestellt wurden, hergegeben, Filigranschmuck
an Trachten, Hemdenspangen. Mantelschlösser, Mieder, Vierländer Spangen,
Ketten. Schuhschnallen u. dergl.; ferner Schmuckgegenstände; Gebrauchsstücke,
wie Messer- und Gabelstiele, Buchbeschläge, Dosen und Riechkissen. Dazu
treten die Fayencen der alten sogenannten „Porzellainefabriken", deren das
Land eine ganze Anzahl beherbergte, zu Lckernförde, Kiel, Stockelsdorf bei
Lübeck, Schleswig, Flensburg, Kellinghusen und Rendsburg. Endlich seien noch
die kleineren Holzschnittarbeiten, vor Allem die Kerbschnittarbeiten erwähnt, von
denen besonders das Flensburger Museum seine besten Stücke ausgestellt hat.

Line besondere Abtheilung der Ausstellung umfaßt ältere und neuere
Frauenarbeiten. Bei den Altsachen mag es dahin gestellt sein, ob dieselben
alle von Frauenhand erzeugt sind. Dieselben enthalten gleichfalls schöne
Stücke der schon erwähnten Webe- und Knüpftechniken, vollständige Bauern-
und Fischeranzüge aus Alsen, Blankenese, Brautkleider aus Dithmarschen,
Mieder und Miederlatze mit Gold- und Silberstickereien, Stickereien der ver-
schiedensten Ausführung, von letzteren besonders bemerkenswerth eine Kelch-
decke und eine Altardecke des ehemaligen Klosters, jetzt adeligen Stiftes
Preetz aus dem tH- Jahrhundert.

Line Ergänzung findet diese Ausstellung alter Kunstgegenstände noch
in den Bildern derjenigen schleswig-holsteiner Maler, welche mit Vorliebe
^ das Innere friesischer und niedersächsischer Bauernstuben darstellen. So hat
Alberts, der Maler des bekannten Königsxesels auf der Hallig Hooge (das
Bild befindet sich jetzt im Thaulowmuseum) zwei friesische Bauernstuben
ausgestellt. Jessen hat die Sitzung einer Landgemeindevertretung in einem
alten friesischen Zimmer mit Kachelbekleidung und farbigem Holzwerk gemalt.
Das Bild gibt genau die Eigenart des friesischen Volksstammes und seiner
Wohnstätten wieder. Wer Land und Leute der Provinz aus Bildern studiren
will, findet noch vorzügliches Studienmaterial in den malerischen fotografischen
Aufnahmen von Wilhelm Dreesen aus Flensburg und dessen Sammelwerken
über Sylt. Flensburg bis Alsen. Helgoland, Föhr, Amrum usw.

An Erzeugnissen neuerer Kunst verdienen an erster Stelle die Arbeiten
der unter Sauermann's thatkräftiger Leitung stehenden Flensburger
Schnitz- und Kunstschule genannt zu werden, derer bereits im September-
Heft unserer Zeitschrift gedacht worden ist. Die Kopie des Swyn'schen Pesels
gibt ein Zeugniß dafür, mit welcher Liebe alte Schnitzarbeiten von der
Schule wiederhergestellt und kopirt werden. Außerdem hat Direktor Sauer-
mann noch eine Zimmerkoje ausgestellt, welche unseren neueren Bedürfnissen
angepaßt ist und doch in der Technik und Durchbildung der Einzelheiten mit
Glück an alte niederdeutsche Zimmer anknüpft. Die Abbildung auf Seite 27
gibt eine Darstellung der Arbeit. Der Kerbschnittfries des hohen Panneels
ist nach alten Vorbildern in blau, roth und gold gefärbt. Das Muster der
Stoffbekleidung der Wand ist einem alten friesischen Bettvorhang nachgewebt.

Reste guter alter Schnitz- und Tischlertechnik haben sich auch in der
östlich von Schleswig und Flensburg gelegenen Landschaft Angeln erhalten.
Tischler Bend ixen, dessen Werkstätten in dieser Landschaft in dem Dorfe
Steinfeld stehen, hat eine Zimmer-Linrichtung aus Mahagoniholz ausgestellt,
deren Form an die zu Anfang dieses Jahrhunderts üblichen anklingen. Lin
Ecksofa ist in malerischer Weise mit einem Eckspiegel, ein Lrkerabschluß mit
einem Ruhesitz und Blumenständern verbunden. Ein Lckschrank mit Glas-
anfsatz für die Unterbringung von Silberzeug ist vorzüglich gezeichnet.
Schade nur, daß der grüne Damastbezug der Polster und die theilweis reiche
Durchbildung der Stücke immerhin auf einen reichbegüterten Käufer berechnet
sind, weitere Arbeiten eines Kunsttischlers Johannsen in Kiel, der einen
Stollenschrank und eine gothische Truhe ausgestellt hat, ein altdeutsches
Zimmer von Nord Horst mit schönem Stollenschrank und kräftigen mit
 
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