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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Etwas über Fransen und Quasten, [1]
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5eite 60.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

!Närz-^eft.

Silvas über Mranlen und Wuasten.*)

Abbildung Nr. 557.

Dunste von roth und gelber Seide und Goldbahn.

^üin eigenartiger Zweig des textilen Kunstgewerbes, halb der maschinellen
Kunstindustrie, halb dem eigentlichen Kunsthandwerk zugehörig und
mit seinen Erzeugnissen beinahe ausschließlich der Verzierung dienend, ist
die „Passementerie", oder, wie sie deutsch bezeichnet wird: Posamentir-

arbeit, kurzweg: Borten-
wirkerei. Nit der letzteren
Benennung ist jedoch der Um-
fang der Leistungen dieses Ge-
werbes ebensowenig gekenn-
zeichnet, wie z. B. bei denjenigen
der Schlosserei, Tischlerei und
anderen deutschen Handwerks-
bezeichnungen, welche in ihrem
Namen vielleicht nur einen
Hinweis auf die ehemalige
Hauptthätigkeit enthalten mö-
gen. So ist bei den Borten-
wirkern — „posamentirer" ist
wohl aus dem französischen
hervorgegangen
(8. Jahrhundert

„Passement"
und erst im
entstanden—
offenbar
mehr ihre
mechanische
technische
Leistung als
die künstle-
rische Hand-
arbeit be-
zeichnet, wie

auch die Herstellung von Borten, Tressen und ähnlichen
Linfaffungsmitteln das gewöhnliche Lrzeugniß des hand-
werksmäßigen Betriebes dargestellt haben mag. Tine
höhere künstlerische Thätigkeit tritt jedoch bei dem Ge-
brauche der Nadel ein, wenn es sich um die Gewinnung
freierer Gebilde, unabhängig von dem schematischen Wechsel-
spiel zwischen Kette und Schuß des Gewebes, um unge-
hinderte Bestimmung der Formen ohne des Zwanges der
Wiederholung handelte. In diesem Falle schließt sich die
Leistung der Nadel an die Erzeugnisse der Stickerei an
und wird damit noch eine Verschlingung oder verknotung
verbunden, so entstehen diejenigen Werke des „posamen-
tirers", welche sein Handwerk ganz besonders zum Kunst-
handwerk erheben. Die aus demselben hervorgehenden
Ziermittel bestehen vorherrschend sowohl in Besatzorna-
menten auf Unterlagen von gewebten Stoffen, als auch in
Einfassung?- oder Abschlußgebilden, die den Rändern,

Säumen oder anderen Endigungen als naturgemäßer
Schmuck dienen. Nach dieser Theilung kann man also
Besatz und Behang unterscheiden, von welchen nament-
lich der Letztere am unmittelbarsten mit den Eigenthüm-
lichkeiten des Gewebes verwandt, als Befestigung oder
Verknüpfung der Endfäden zu
betrachten ist. Aus dieser
Sicherung der letzten Gewebe-
fäden eines Textilstoffes durch
ihre verknotung unter sich ist
zunächst die Franse in ihrer
einfachsten Form hervorge-
gangen, durch eine abermalige Verbindung ein-
zelner Gruppen derselben ist sodann die (Pu aste
entstanden, zwei Typen der Passementerie, die,
obgleich sie streng genommen nicht zu selbststän-
digen Gebilden bestimmt sind, doch je nach Zeit-
geschmack und Node nicht selten üppige Kunst-
werke oder auch bizarre Ausartungen darstellten,
jedenfalls aber als Schöpfungen des Kunstgewerbes
einer Beurtheilung hinsichtlich des guten Ge-
schmacks unterworfen sind. Der wesentlicheKarakter
von Fransen und (puasten besteht daher in der ausgesprochenen Eigenschaft
des Hängens und der Verbindung von einzelnen Fäden oder fadenartigen
Gebilden in hängender Richtung. Die Beobachtung einer gewissen Unselbst-
ständigkeit, d. h. ein organischer Zusammenhang mit Werken der Textilkunst,
bildet ferner ein wichtiges Merkmal richtiger Anwendung von Fransen und

Abbildung Nr. 560.

Abbildung Nr. 558.

Tuasten und die Rücksichtnahme auf Material und Technik ist, wie bei allen
Erzeugnissen des Kunstgewerbes, der prüf- und Schlußstein ästhetischer For-
derungen, welche bei denselben ebenso Geltung beanspruchen wie bei einem
Prachtwerke der Goldschmiedekunst oder dem einfachsten Möbel. — Die Franse,
wie auch die (puaste, welche Letztere man
auch als eine zusammeugerollte Franse
betrachten kann, besteht in der Hauptsache
aus zwei Theilen, den hängenden Fäden
und deren oberen Verbindung durch Knoten,

Flechten, Weben oder Nähen. In dieser
einfachsten Grundform bereits eine Zierde
bildend, mußte naturgemäß die Kunst in
erhöhtem Maße sich der beiden Theile be-
mächtigen, wenn dieselben an höheren
Kunstwerken ihre begleitende Aufgabe zu
erfüllen hatten. Dies geschah sowohl in der
Erfindung und Anwendung von Schmuck-
formen, als in der Verbindung von Farben
und Metallen, wodurch zuweilen in den
Zeiten einer üppigen Geschmacksentwicke-
lnng Werke entstanden, die beinahe, sich
vom Zwecke der Un-
terordnung loslö-
send, zu selbststän-
digen Erzeugnissen
wurden und die Be-
deutung derselben
beanspruchten. Line
natürliche Folge der-
artiger Uebertrei-
bung wurde sodann

die Ausartung sinngemäßer Vrnamentirung und dem
Material entsprechender Technik, wodurch auch Stoffe
zur Verwendung gelangten, die dem textilen Karakter
dieser Gegenstände fremd und schädigend erschienen.

Der natürliche Drang, einen Gegenstand des per-
sönlichen Gebrauchs und der täglichen Umgebung durch
die Mittel der Kunst zu veredeln, führte auch bei den
Fransen und tpuasten zu Verzierungstechniken, die sich
auf ihre beiden Hauptbestandteile, zunächst und vor-
herrschend aber auf die ursprüngliche verknotung
erstreckten. Die Franse, aus den Fadenenden hervor-
gegangen, wurde bald als ein besonderer Besatzgegen-
stand angefertigt, indem durch eine Art Gewebe das
Stoffende nachgeahmt und damit die hängenden Fäden
unter sich verbunden wurden (Abbildung Nr. 558). Line
weitere Schmuckform wurde sodann durch partienweise
Verknotung dieser Fäden gewonnen (Abbildung Nr. 56()
bis sie schließlich in breites und reiches Flechtwerk über-
ging. Damit wäre, streng genommen, den ästhetischen
Anforderungen an die Form zu genügen gewesen; allein
das einmal erwachte Bedürfniß nach üppigem Reich-
tums war damit keines-
wegs befriedigt. Die Gleich-
mäßigkeit der verknotung
wie der hängenden Fäden
wurde unterbrochen durch
rhythmische Wiederholung
besonderer Besatzkörper auf
der Lrsteren, durch Wieder-
kehr von Zwischengehängen in Letzteren, ja selbst
durch Ueberfransen, welche sich in Form und
Technik von der einfacheren Unterlage unter-
schieden haben.

Die Besatzausschmückung bestand nicht nur
in aufgelegtem geflochtenen Schnurwerk, in
sammtartig geschorenen Knüpfungen (Pompons),

Schleifen und (Puasten, sondern verflieg sich
sogar zu freiliegenden Schnur- und Perlen-
gehängen, zu Knöpfen, Rosetten, Guirlanden usw.

Die Ausschmückungsweise des Fadenbehangs bediente sich ebenfalls einer
reicheren Ausstattung und fügte auch noch gesonderte Hängekörper aller
möglichen Formen ein, von welchen sogar diejenigen aus gedrechseltem Holz
und mit Faden überzogen große Beliebtheit gefunden haben. (Schluß folgt.)

*) Aus den Mittheilungen des Gewerbe-Museums, Bremen.

Abbildung Nr. 559.

Abbildung Nr. 56^.
 
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