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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Minkus, Fritz: Die Weihnachts-Ausstellung des Wiener Kunstgewerbe-Vereins
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Juni-Heft.

Illustv. kunftgewcrbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite fOY.

Die ^deilp^chts-MnssteUung des ^Eienee sMurlstgewerde-

von Fritz Minkus, Wien.

^erems.

lus zweierlei Gründen haben die hiesigen Fachkreise der vorjährigen,
wie immer in den Räumen des k. k. österreichischen Museums
für Kunst und Industrie abgehaltenen weihnachts-Aus-
stellung des Wiener Kunstgewerbe-Vereines mit besonderer
Spannung entgegengesehen, weil sie einerseits Heuer zum ersten Male durch
die Bestimmung, daß nur die Mitglieder des Vereines zur Ausstellung zu-
gelassen würden, eine glückliche Einschränkung durch Ausschließung zahlreicher
minderwerthiger Leistungen — na-
mentlich Dilettanten - Arbeit! —
andererseits durch die Betheiligung
des k. k. Hoftiteltaxfonds")
eine neue großartige Bereicherung
erfahren sollte. — Aber nicht nnr
die Fachkreise, das ganze Wiener
Publikum bringt den Ausstellungen
unseres Kunstgewerbe-Vereines stets
das lebhafteste Interesse entgegen:
der Wiener hat es sich längst zur
liebgewordenen Gewohnheit ge-
macht, der Meihnachts-Revue über
die Leistungsfähigkeit unserer Kunst-
Industrie beizuwohnen, nicht nur,
um aus den zahlreichen, ihm dar-
gebotenen Schätzen auszuwählen,
was er seinen Lieben unter den
Thristbaum stellen will, sondern
auch um seines Amtes zu walten
als Glied der hunderttausend,
köpfigen Prüfungskommission bei
der großen Schlußxrüfung über die
Fortschritte unseres Kunstgewerbes!

Mögen sich die „freien" Künste
das Privileg nehmen, nur von
Demjenigen beurtheilt werden z»
wollen, der sie „versteht" — und
bei dem gegenwärtig grassirenden
Symbolismus, Mystizismus u. s. f.
schrumpft die Zahl der angeblich
„verstehenden" zu einem gar arm-
seligen Häuflein zusammen — dem
Kunstgewerbe ersteht sein Richter
im großen Publikum, das sich
mit seinen Werken umgibt, das mit
ihnen lebt, dessen Geschmacksrich-
tung, dessen Kunstgeist es verkörpern

soll. — Und unser Publikum, das viel verlästerte Wiener Publikum — in
Sachen des guten Geschmacks läßt es sich kein F für ein U vormachen: das
ist ja der alt-angestammte Ruhm des Wieners, der seinen Rainen überallhin
begleitet, wie der gute Ruf seiner Küche, seiner ehemaligen Gemüthlichkeit,
wie der schlechte und unbegründete Ruf seines Phäakenthums: „ja, der
Wiener, die Wienerin hat Geschmack!" — So nimmt er denn auch, so leicht
er sich sonst vielerlei zu machen liebt, sein Richteramt über die Leistungs-
fähigkeit unserer Kunst-Industrie sehr ernst: der gutmüthigste, harmloseste
Mensch setzt in der Weihnachts-Ausstellung die Miene eines bitterbösen Schul-
insxektors auf, die scharfe Brille des unerbittlichsten Kritikers: unsere
Kunst-Industrie kann ihr Stand halten! Was uns die diesmalige Aus-
stellung liefert ist so vollendet, so vornehm, so großartig, daß fast jeder

,

Nr. S2Z. Atelier Ihrer Kgl. Hoheit der Fürstin von Bulgarien in Sofia.

einzelne der ausgestellten Gegenstände, ja beinahe jedes Detail derselben eine
volltönende Note abgibt im Lobeshymuus unseres Kunstgewerbes!

Die Harmonie dieses Zusammenklanges ist eine so vollkommene, daß
sie selbst die oft recht unglückliche Art der Aufstellung der ausgestellten
Gegenstände nicht zu zerstören vermag. Hier, wie in allen Ausstellungen, ist
Raummangel die Ursache dieser erdrückenden Massenzusammenxferchung, die
sowohl den Beschauer ermüdet, als die einzelnen Objekte um einen guten

Theil ihrer Wirkung bringt; da,
wo die Ausstellung Platz hat, sich
auszudehnen, wie in dem grandiosen
Arkadeuhof, vielleicht der genialsten
Innen-Architektur Meister Ferstel's,
spürt man die künstlerische Hand,
die scheinbar zufällig, hier verthei-
lend, dort verbindend, mit Formen
und Farben, mit Licht und Schatten,
aus den dissonnantesten Werken der
Kleinkunst ein malerisches Gesammt-
bild schaffen konnte, in dem das
Kleinste, Unscheinbarste zur vollen
Wirkung gelangt. In den engen
Räumlichkeiten des ersten Stockes
konnte angesichts des ungemein
reichhaltigen und differirenden Ma-
terials nicht vermieden werden, daß
funkelndes Glas, zu riesigen strah-
lenden Hausen vereinigt, den milden
Glanz des nachbarlichen Porzellans
verdunkele, daß neben matten» Zinn
gleißendes Email zu stehen kam.
Was gab es in dieser Hinsicht in
der sonst so überaus gelungenen
Nürnberger Gewerbe - Ausstellung
des Vorjahres zu klagen! Dort
stellten riesige Pyramiden von Kon-
servenbüchsen, von Lebkuchen die
feinen, zarten Werke der Gold-
schmiedekuust in Schatten, die
graziösesten Nippes wurden von
mächtigen Stahlwagen erdrückt, von
ungeheuren Stoffballen gleichsam
zermalmt! Gerade bei kunstgewerb-
lichen Ausstellungen sollte die
ungereimte Nebeneinanderstellung
großer Waarenmassen vermieden
werden: beabsichtigt man in München für Gemälde-Ausstellungen statt endloser
Säle traute, stimmungsvolle kleine Räume zu schaffen, die nur immer wenige
harmonirende Bilder enthalten und mit Teppichen, Draperien und Klein-
knnstwerken wohnlich ausgeschmückt werden sollen, um wie viel mehr ver-
langen kunstgewerbliche Ausstellungen eine detaillirtere, der Interieur-Bildung
sich nähernde Aufstellung, da doch die Erzeugnisse der Kunst-Industrie weit
mehr noch als Gemälde — die ja auch in Gallerten ihren Platz finden —
von vornherein zur Ausschmückung unseres Heims bestimmt sind und in
diesem isolirter, nicht in einem Wust gleichartiger Gegenstände und nicht
erdrückt von störenden Nachbarn zur Aufstellung gelangen.

Die drei „Interieurs" unserer Ausstellung find, vielleicht mit Aus-
nahme von Einem, das uns einen mit Glas, Porzellan und Silber aufs
Allerprächtigste gedeckten Tisch zeigt, Interieurs nur dem Namen nach, im
Grunde genommen, da sie nur Möbel und Tapezier-Arbeit enthalten, nichts
als hierher versetzte Auslagen von Dekorateurs-Firmen.

Das Möbel in all seinen Unterarten bildet selbstverständlich den
 
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