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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Dankwardt, L.: Typus und Symbol im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0174

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Juli-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite

Typus undbZDymvul imsMmytgewerbh.

von L. Dankwardt.

M>ie Natur kennt Einzelwesen, Arten und Gattungen und der
endlose Reiz alles Lebenden und Werdenden beruht zum
großen Theil auf
den mannigfalti-
gen Beziehungen,
die aus der Gleich-
artigkeit und der
Verschiedenheit
aller Lebewesen
hervorgehen. Das
Zufällige wider-
strebt der Regel-
mäßigkeit, weil
das Einzelwesen
sein relatives Un-
abhängigkeitsrecht
gegenüber der ab-
soluten Gesetz-
mäßigkeit der Ge-
sammtheit geltend
macht. Die Ge-
sammtheit kann
aus ihr kollekti-
vistisches Recht
nicht verzichten.

Alle würden unter-
gehen, wenn Alle
darauf bestehen
wollten, ihr rela-
tives Recht zum
Absoluten zu er-
heben. Der Aon-
flikt zwischen dem
relativen Recht
des Einzelnen und
dem absoluten
Recht der Ge-
sammtheit ist un-
löslich. Er muß
es bleiben, weil
ohne ihn der
Aultur-Hortschritt
ins Stocken ge-
rathen würde. —

Die wechselnden Rulturperioden kennzeichnen sich vorwiegend
dadurch, daß jeweils das Einzelrecht oder das Gesammtrecht
überwiegt. So steht es im politischen Leben der Völker, so auch
in ihrem Geistesleben. Die verschiedenen Zeitalter räumen ihren
Rindern bald mehr, bald weniger Gedankenfreiheit ein.

Bisweilen wird die Ansicht ausgesprochen, die Gedanken-
freiheit des Einzelnen sei von der Gesetzgebung der Länder

abhängig. Seit die großen Revolutionen in der Politik ihre
Wirkungen geltend machten, ist das nur noch im beschränkten
Maße der Hall. Um so stärker aber ist die Gewalt und der
Zwang geworden, die von der menschlichen Gesellschaft auf die
Bildung von Ueberzeugungen und Lebensanschauungen ausge-
übt werden. Wir
Deutschen haben
für diesen Druck
der „öffentlichen"
Ukeinung den
schönen Ausdruck
Philisterthum (?!)
erfunden. Wir

kämpfen alle mit
Leib und Seele
dagegen,Zeder für
sich, bis wir flügel-
lahm sind und auf
unsere spezielleArt
den Rompromiß
mit der öffent-
lichen Meinung
schließen, die wir
so eifrig bekämpft
haben. Wir wer-
den es eigentlich
nie gewahr, daß
wir den Waffen-
stillstand über uns
ergehen lassen.
Denn das ist das
Unheimliche an
der öffentlichen
Meinung, daß sie
an Hensterritzen
und Thürspalten
auf uns lauert und
doch niemals zu
packen ist. Sie ist
recht eigentlich das
Gespenst in Zeder-
, manns Schrank
^ und sehr wohl im
Stande, uns das
Leben unbehaglich
zu machen. Auf
unserm Sofa sitzt
sie neben uns. Es ist ein altdeutsches, auf dem der Rücken
ohnehin schon keinen rechten Halt findet. Unter den Ausstattungs-
Möbeln unserer Mütter, die etwa um das Zahr s860 Hochzeit
gemacht haben, gab es Sofas, in denen man herrlich bequem
saß — wie im hohen Lehnstuhl. Das waren ja freilich die Tage
der trostlosesten Verödung im Runstgewerbe. Wenigstens sehen
wir sie heute noch dafür an. Es kann freilich Niemand dafür

Abbildung Nummer S29. Erker-Einbau in leichtem Stabwerk in neu-englischem Karakter.
 
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