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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Rücklin, Rudolf: Japanischer Blumenschmuck im Zimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0235

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Gktober-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite s?3.

spanischer Blumenschmuck im -Dimmer.

von R. Rückt in in Pforzheim.

Grundzug altjapanischer Kunst ist ihre staunenswerthe
Beherrschung der Naturformen. Diese wird erreicht
nicht nur durch ein eindringliches Naturstudium der
Künstler, sondern auch durch die liebevolle Beschäftigung mit der
Natur überhaupt, die ihren ver-
klärenden Schimmer über alle
Zustände des häuslichen Lebens
gießt und für die dekorative
Ausnutzung ihrer Formen den
Boden bereitet. Der Japaner
kennt nicht nur die äußere Er-
scheinung etwa der Pflanzenwelt,
er hat sie in ihrem Leben und
Wachsen, in ihrem Blühen und
Vergehen, an ihrem naturge-
mäßen Standort und zu allen
Jahreszeiten beobachtet und be-
lauscht, er kennt nicht nur ihre
Schönheit, sondern auch ihren
Karakter und ihre Lebensbeding-
ungen. Wie weit wir gerade
hierin ihnen nachstehen, beweist
die vergleichende Betrachtung
einer so einfachen Sache, wie die
der Blumenbinderei zum Zim-
merschmuck. Ich würde richtiger
sagen: Pflanzenbinderei, denn
der Japaner wenigstens faßt die
Sache in diesem Sinne auf, er
arrangirt nicht nur Blumen mit
einigen wenigen Blättern unter-
mischt, wie es bei uns Sitte,
sondern er komponirt pflanzen-
wuchsbilder. Während wir in
erster Linie die Farben, in zweiter
die Form der Blumen und
Blätter einer Pflanze würdigen,
und Sträuße, Kränze und Guir-
landen lediglich nach diesen
Gesichtspunkten Herstellen,den Ge-
sammthabitus des freiwachsen-
den Pflanzenbildes aber gar nicht
berücksichtigen, unter Umständen gar nicht einmal kennen, baut
der Japaner auf der Beobachtung dieses Letzteren seine ganze
Behandlungsweise auf. Daher ist er viel bescheidener, aber auch
feiner in der Wahl seiner Wittel; wo wir Blüthen und Blätter
zu leuchtenden Farbenkomplexen, zu festen Waffen vereinigen,
begnügt er sich mit wenigen Zweigen, die unter Umständen gar
keine, jedenfalls nicht mehr Blüthen ausweisen, als ihnen natur-
gemäß zukommt. Gr geht der schlichten Schönheit des natürlichen

Wuchses nach, statt, wie wir, möglichst starke dekorative Effekte
zu erstreben. Dieses Ziel gewährleistet der japanischen Blumen-
binderei eine weit größere Wannigfaltigkeit des verwendeten
Waterials. Es werden alle Arten von Blättern, blüthenbesetzte

Stengel, selbst dicke Aeste ver-
wendet; der schmuckloseste Baum-
zweig ist je nach Umständen
ebenso beliebt wie die farben-
prächtigste Blüthe. Diese Einzel-
glieder werden aber nicht ohne
Weiteres zu Zusammenstellungen
verwendet, sondern sie sollen ein
Bild des Wuchses der ganzen
Pflanze darbieten, müssen also
erst einer bestimmten künstlerischen
Behandlung unterzogen werden.
Was wir an Sträußen in unser
Zimmer stellen, ist so in der
Natur nirgends zu sehen; der
Japaner will sich damit ein
künstlerisch komponirtes Bild der
Natur, seiner Natur, darstellen.
Denn auch das ist karakteristisch,
daß nicht künstlich gezüchtete,
nicht fremde, staunenerregende,
sondern schlichte, allbekannte,
einheimische Pflanzen, wie er sie
draußen sieht und pflücken kann,
de,«Japaner das beliebteste,weil
ursprünglichste Waterial sind.

Unter der anscheinenden
Ueberfülle und Verwirrung des
vegetabilen Wuchses nimmt der
Aünstler gewisse Gesetze der Linie,
der Verzweigung, der Gruppi-
rung wahr, auf deren Wieder-
gabe er seine Regeln gründet.
Dabei scheidet er sorgfältig ge-
wisse Formen aus, die nur irgend
einem Zufall oder einer Laune
der Natur ihre Entstehung ver-
danken, denn diese würden in
seiner abgekürzten und zusammengezogenen Darstellung ganz anders
als in der freien Vegetation, und jedenfalls unkünstlerisch wirken.
Der ganzen Komposition endlich werden bestimmte Linien zu
Grunde gelegt, die geeignet sind, die Kraft, Freiheit und Schön-
heit des natürlichen Wuchses zu versinnbildlichen. Symmetrie
wird stets und unter allen Umständen vermieden und dafür das
Gleichgewicht der Nassen bei größeren Gegensätzen erstrebt.

Der Japaner nimmt für seine Pflanzenkomposition 3, 5, 7,

Abbildung Nr. roH. Allgem. Gartenbau-Ausstellung Hamburg ;8g7.
 
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