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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Merk, D.: Der Festzug und die Ausstellung der Festgaben in Karlsruhe
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April-Heft.

Seite 77.

Festzug und die, Musstellung der irr ^Marlsruhe.

von Professor v. Merk, Karlsruhe.

9. September des vergangenen
Jahres vollendete Großherzog
Friedrich von Baden sein 70. Le-
bensjahr. Wenige Jahre zuvor war
es ihm vergönnt gewesen, auf eine
vierzigjährige Regierungszeit zuriick-
blicken zu können. Seine Verdienste
um das Deutsche Reich haben ihm
Anerkennung und Verehrung auch
im weiteren vaterlande verschafft.
Für Badens Volk aber ist seine bald
HS jährige Wirksamkeit zu einer
(puelle reichsten Segens geworden.
Aus alle Zweige des öffentlichen
Lebens hat sich seine hohe Für-
sorge erstreckt. Allen Landes-
kindern ist er ein Vorbild der
strengsten Pflichterfüllung, der
edelsten Selbstlosigkeit, der un-
ermüdlichen Arbeit, der herr-
lichsten Vaterlandsliebe ge-
worden. Darum ist es nicht
zu verwundern, daß sich der
70. Geburtstag zu einer groß-
artigen Jubelfeier gestaltete, daß
jedes Dörfchen bei diesem Anlaß
r 7^- , seines Landesherren gedachte und

-- ' seine Vertreter nach der Hauptstadt

„ sandte, um ihm Huldigung und Dank

darzubringen. Letztere aber, die
unter dem jetzigen Fürsten einen
wunderbaren Aufschwung genommen hat, war der Schauplatz von Festlich-
keiten, die wegen ihrer Großartigkeit jedem Theilnehmer unvergeßlich bleiben
werden, die aber insbesondere auch beredtes Zeugniß ablegten von dem engen
Verhältniß, welches zwischen dem badischen Volke und seinem Fürstenhause
besteht. — Reichen festlichen Schmuck hatte Karlsruhe angezogen. Auf
hohem Säulenxiedestal entbot die Badenia am Eingang zum Marktplatz den
heranwallenden Schaaren von Landeskindern und auswärtigen Gästen freund-
lichen Gruß und Willkomm. Mit einer farbenprächtigen Illumination, die
sich auch auf die entlegensten Vorstädte ausdehnte, begann die Jubelfeier am
Vorabend des denkwürdigen Tages. Den Höhepunkt des Festes bildete am
Haupttage selbst der imposante Festzug, der um die Mittagsstunde vor den
Fürstlichkeiten vorbeidefilirte, die auf einer vor dem Schloßportale errichteten
Tribüne Platz genommen hatten. Der dritte Tag brachte einen großartigen
Huldigungsakt. In den von Künstlerhänden glänzend geschmückten weiten
Räumen der Festhalle nahm das Großherzogliche Paar an der Seite der
Kaiserin und umgeben von den Prinzen und Prinzessinnen des badischen
Herrscherhauses die Glückwünsche und Geschenke entgegen, die von etwa
200 Abordnungen aus allen Kreisen dargebracht wurden. — Die bald darauf
erfolgte Ausstellung der Ehrengaben und der zahlreichen Adressen in den
Räumen des Großh. Kunstgewerbemuseums übte wochenlang mächtige An-
ziehungskraft und schloß die mannigfaltigen Veranstaltungen in würdiger
weise ab. Ueber den großartigen Festzug und die oben erwähnte interessante
Ausstellung versuchen die folgenden Zeilen eine kurze Uebersicht zu geben,
der zur weiteren Erläuterung einige Bilder beigefügt sind.

Wie unter Großherzog Friedrichs Regierung alle Stände und Gewerbe
gleicher Förderung sich erfreuen, so sollten an seinem Ehrentage auch alle
huldigend sich dem Throne nahen, der Nähr-, Lehr- und Wehrstand. Das
war die ebenso bedeutsame als einfache, von Kunstgewerbeschul-Direktor Götz
stammende Grundidee des Festzuges, die von ihm mit so großer Meisterschaft
zu einem aus zwölf Abtheilungen bestehenden Prachtzug ausgestaltet wurde.

Zu diesem Zwecke hat er gegen 50 sorgfältig durchgearbeitete Entwürfe
geschaffen, die auch bei der Ausstellung der Festgaben zu sehen waren und
die verdiente Anerkennung fanden, nachdem sie schon vorher in kleineren
Nachbildungen und in einem schmucken Hefte vereinigt, als Wegweiser und
als Erinnernngsblätter von den Festtheilnehmern begrüßt worden waren.
Auf denselben Schultern lag aber auch zum großen Theile die organisatorische
Gestaltung des Festzuges, wie mancher Berathung hat es bedurft, wie
vieler Unterhandlungen, Sitzungen, Reisen und Vorschläge, bis der große
Gedanke in die That umgesetzt war! Aber die bekannte zähe Ausdauer des
Meisters wußte alle Hindernisse zu überwinden und unter der treuen Mit-
arbeit zahlreicher Hülfskräfte kam ein vollendetes Werk zu Stande. Ueber
Hv Prunkwagen wurden erstellt, den Z2 Abtheilungen konnten über tHooKostü-
mirte zugetheilt werden. Die Gesammtzahl der Theilnehmer einschließlich
der Deputationen, Landestrachten, der Sänger, Militär- und Turnvereine,
Fahnenträger, Feuerwehr- und Sportsleute wird die Zahl Hooo überschritten
haben. Auch die letzte Voraussetzung für völliges Gelingen erfüllte sich:
nach regnerischen Tagen zeigte sich am Festmorgen ein klarer Himmel und
bei prachtvollem Sonnenschein begann gegen t2 Uhr der Vorbeimarsch am
Großh. Schlosse, der über eine Stunde währte. Eröffnet wurde der Zug
durch Herolde und Fanfarenbläser, denen der Zugsmarschall vorausritt. Als
erste Abtheilung erschienen weißgekleidete
Mädchen, die heiteren Blicks den Riesen-
Geburtstagsstrauß geleiteten und blond-
lockige Knaben in Scholarentracht, um
das Banner des hiesigen Gymnasiums
geschaart, das diesem zur 200 jährigen

Abbildung Nr. 58^.

Jubelfeier gewidmet worden war. Mit drei prächtigen Wagen vertraten
die blühenden Hochschulen unseres Landes die zweite Gruppe, die Wissen-
schaft; die humanistische Seite derselben durch eine thronende Minerva, die
mittelalterliche Scholastik durch einen reizend durchgebildeten akademischen
 
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