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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Schwindrazheim, Oskar: Eigen-Modernes - zukunftversprechendes im modernen Stil, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0187

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Seite s36.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

August-Heft.

Migen -Modern es — -Hukunstversprechendes im modernen -ZHiil.

von V. Schwill drazheim, kjainburg.

^^^lVer Begriff: moderner Stil ist ein zweideutiger. Einmal
kann er einen Stil bereichern, der heut Mode ist, der
dem Gaumen eines uouvsuubs - lüsternen Geschmacks
heute einmal zusagt. Das andere Mal kann er eine künstlerische
Formensprache bezeichnen,
welche typisch ist für die
moderne Zeit. Diese Formen
spräche kann alten oder
fremden Kunstweisen ent-
lehnt, und weil den modernen
Bedürfnissen gut passend,
von der modernen Zeit
adoptirt sein — oder sie
kann eigen-modern, aus der
modernen Zeit heraus ge-
boren sein.

Moderne Stile der erste-
ren beiden Arten hat unsere
Zeit mehrfach gehabt, einen
eigen-modernen Stil hat sie
noch nicht hervorgebracht,
keinen Stil, der typisch ein
Spiegelbild seiner Zeit gibt,
wie die Gothik, die Renais-
sance es thaten. Wir können
direkt sagen: die Zeit der
Gothik, das Zeitalter der
Renaissance — wie wollten
wir unsere Zeit in dieser
Weise taufen?

Man hat gesagt: das
eben ist das Aarakteristische
unserer Zeit, daß wir alle
erdenklichen Stilarten neben
einander haben, einen ein-
heitlichen Stil im alten Sinne
wird es überhaupt nicht mehr
geben. Ersteres ist richtig,
letzteres aber schießt übers
Ziel hinaus.

Wir haben in dieser
Zeit des Nebeneinanders
aller Stilarten eine Periode
des Ueberganges zu einem
neuen Stil gehabt — das ist
die Sache, eine Periode,
welcher wir in der Kunst-
geschichte keine gleiche, keine
so lange währende, so vieles-
versuchende an die Seite zu
stellen haben. Das liegt
daran, daß wir viel mehr
Stilarten kennen gelernt ha-
ben als frühere Zeiten; die
Kunstwissenschaft hat uns alle alten, der Weltverkehr alle fremden
Stilweisen nahe gebracht, daher war die Versuchung zu vielfäl-
tigeren Versuchen eine viel größere!

Sonst haben wir in der Zeit des Uebergangs von der Gothik
zur Renaissance in kleinem Maße wenigstens doch etwas Ähn-
liches gehabt; da finden wir Versuche, die neuerworbene Aenntniß
der Antike zu verwerthen, Versuche, aus dem Romanischen neuen
Stoff zu holen, Versuche, das durch den Levantehandel bekannt

werdende Orientalische zu benutzen, Versuche endlich, eigene Natur-
studien zu verwenden — all das neben der Allen noch in den
Fingern steckenden Gothik. Aus dem Widerstreit und dem Sich-
Fügen dieser verschiedenen Strömungen entstand dann endlich ein

Neues, Eigen-Modernes —
eben die Renaissance. Und
so wirds auch heute sein.
Die Periode der Stilversuche
wird wie damals auslaufen
in das Entstehen eines neuen
eigen-modernen Stiles.

Sind von dem Kom-
menden heute schon Spuren
zu bemerken, Spuren, die
Ausschlüsse geben könnten
über seine Gestaltung? O
gewiß, wennschon sie nicht
allzusehr hervortreten, wenn-
schon man bisweilen sehr
scharf Zusehen muß, um sie
zu erkennen.

Sehen wir nur all die
gothisch oder Renaissance
oder Rokoko sein sollenden
Ornamente unserer Zeit an
— was ist darunter, das
uns auch weiter in Täuschung
verharren ließe, es möchte
vielleicht aus jenen Zeiten
stammen? Es hat Alles
einen leisen, jenen Zeiten
fremden Beigeschmack, den
wir schwer in Worte fassen
können. Es steckt unter der
Maskirung ein mit ihr sich
wohl verhüllendes, aber
durchaus nicht deckendes an-
dersartiges Eigenwesen, eben
der eigen-moderne künstle-
rische Zeitgeist.

Aber freilich, wir sehen
wohl seine Einwirkungen,
wir hören ihn aus dem neuen
Accent jener alten Formen-
sprachen heraus — aber
positiv darstellbar ist er aus
diesen Spuren nicht, insbe-
sondere können wir durchaus
keine Schlüsse auf die Zu-
kunft ziehen. Höchstens liegt
darin, daß der moderne Zeit-
geist in keinem alten Stil
volle Befriedigung fand, nun
wir mit allen zu Ende sind,
die Gewähr, daß kein alter Stil die Herrschaft sich in Zukunft
erobern kann. Aber das ist eigentlich ja nur die Negation von
etwas Gewesenem. — Suchen wir daher nach positiven eigenen
Ansprüchen unseres Zeitgeistes auf kunstgewerblichem Gebiete.

Da treffen wir zunächst auf allerlei Versuche, durch Ver-
mischung mehrerer Stilarten Neues zu schaffen — der naheliegendste
Weg für Denjenigen, der des gewohnten äußerlichen Rüstzeugs
nicht zu entrathen vermag. Früher — wehe dem, der sich erdreistete,

Abbildung Nr. 6SS. Thür in Marcus Schwins Pesel.
 
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