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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Mühlke, O.: Das Museum Dithmarsischer Alterthümer: zu Meldorf (in Schleswig)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0186

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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite s35.

prunkbetten mit den bankartig vortretenden Bettkasten und Bett-
himmeln auf. Der Inhalt des figürlichen Reliefs ist für das
männliche und weibliche Bett streng verschieden. Die Vertäfelung
am Kopfende des männlichen Bettes ist mit Szenen aus dem
Leben des starken Helden Simson ge-
schmückt, an deren Stelle am Bett der
Hausfrau zur Andacht stimmende Bilder
treten. Vom Drittelfeld der Deckenkasfette
strahlt dort das runde Antlitz der Sonne,
hier das Profilgesicht des Mondes herab.
Die ruhenden Löwen auf der Arkaden-
stellung an der Bettschmalseite gelten
hier nicht nur als stumme Wächter der
nächtlichen Ruhe, sondern dienten zugleich
zur Aufnahme des
Bettstrickes, der dem
Schläfer das Auf-
stehen erleichterte.

Der auf Seite s37 dargestellte Schrank zeigt
mit seinen vielen Fächern und Thüren den
Typus des niederdeutschen Schrankes der
Spätgothik und Frührenaissance. Das reich-
liche Bildwerk läßt die Konstruktion im
Gegensatz zum schmückenden Beiwerk schon
zu viel zurücktreten. Dagegen bieten die
schlichten Vertäfelungen der Wandflächen
und die einfache, wenn auch etwas schwerer
lastende Holzkassettendecke einen erfreulichen
Gegensatz. — Für die Beurtheilung der
kunstgeschichtlichen Bedeutung des Schnitz-
werkes des Pesels gibt besonders die Aus-
bildung der auf Seite s36 dargestellten
Thür einen guten Anhalt. Vr. Deneken
weist durch Vergleich der Linienführung und
Modellirung der Füllungen mit denen einer
Schrankvorderwand im Rathhaus zu Rends-
burg (S. P5 d. Abhandlung), sowie alter
Meldorfer Schrankfüllungen, die jetzt im
Hamburger und Berliner Kunstgewerbe-
museum aufbewahrt werden, nach, daß

der Schnitzer-
meister des
Swin'schen Pe-
sels mehr von
holländischen
und niederlän-
dischen, bezw.
nieder - rhei-
nischen als von niedersächsisch deut-
schen Vorbildern beeinflußt war. Das
Relief der mittleren Thürfüllung, der
Sündensall, läßt zugleich erkennen,
daß die holsteinischen Schnitzermeister
mit Vorliebe ihren Bildwerken Kupfer-
stiche, im vorliegenden Fall Dürer's
Stich „Adam und Eva" vom Jahre
s50H, zu Grunde legten. Leider hat
sich kein Anhalt gefunden, den Namen
des Meisters selbst festzustellen, dem
vielleicht die letzte künstlerische Schulung
versagt geblieben war, dessen Werk
jedoch jene scharf ausgeprägte Persönlichkeit voll gesunder fröh-
licher Naturwüchsigkeit der Meister des s6. Iahrh verräth.

Der aus Einrichtungsstücken einer alten Bauernstube zu
Bunsch zusammengebaute zweite Pesel zeigt die Eigenart einer

weniger reich durchgebildeten dithmarsischen Bauernstube aus dem
vorigen Jahrhundert. Die Wandschrankbetten mit ihren Bild-
webereien, der Beilegeofen mit Stülp und Gfenheck, die gedrechselten
Stühle mit den handgewebten Kissen, der Hörnschrank, das Wand-
schränkchen, der Pfeifenbort, Alles bis zum kleinsten Gebrauchs-
gegenstand ist so aufgestellt, als ob der alte Besitzer eben den
Raum verlassen hätte. In dem zweiten Aufsatze des genannten
Museumberichtes sind diese Einrichtungsgegenstände, gleichwie die
wichtigsten sonstigen Sammlungsstücke von der Feder des Vor-
standsmitgliedes Johannes Goos unter Beigabe trefflicher Zeich-
nungen ausführlich geschildert.

Hiernach kann der Museumbericht, der vom Museumsvor-
stande zum Preise von 3 Mark abgegeben wird, zum Studium
und zur Anregung für weitere Forschungen auf dem gerade für

die jetzige Richtung unseres Kunstgewerbes höchst wichtigen Gebiete
nur dringend empfohlen werden. Die Museumverwaltung über-
nimmt es auf Wunsch auch, Nachbildungen alter Handwebereien,
passend für Fenster- und Thürvorhänge, für Kissenbezüge, Truhen-
decken usw. an Grt und Stelle anfertigen zu lassen, stellt überdies
auch Fotografien von Stühlen und sonstigen alten Einrichtungs-
gegenständen für die Nachbildung zur Verfügung. G. Mühlke.

Die Restaurirung des Schwin'schen Pesels hat durch den
bekannten Kunstschreiner H. Sauermann in Flensburg stattgefunden,
dem wir auch eine ganze Reihe trefflicher Nachbildungen dithmar-
sischer, friesischer und niederrheinischer Möbel und Holzschnitzereien
verdanken. — Ganz besonders möchten wir hier auf den oben
genannten ersten Jahresbericht des Meldorfer Museums verweisen,
der ein äußerst werthvolles Material kunstgeschichtlichen Inhaltes
bietet, das leider in vielen derartigen Berichten immer mehr von
trockenen Zahlen und Aufzählungen verdrängt wird. Die Redaktion.

Abbildung Nummer 655. Vorplatz im Peller-ksaus. Besitzer: 4. Lyßer, Bof-Möbelfabrikcmt.

Abbildung Nr. 654- Fembo-Haus.
Besitzer: Bechmann, Burgstr.
 
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