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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Luthmer, Ferdinand: Der Fenster- und Thür-Vorhang
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0075

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Zu beziehen nur halbjährlich (Januar bzw. Juli).
Zahlung vierteljährlich für Deutschland Mk. 5.—, für
Mesterr.-Ungarn u. das gesammte Ausland Mk. 5.50.

Nachdruck nur mit spezieller Lrlaubniß und genauer Vuellen-Angabe gestattet.
Sämmtliche Original-Illustrationen stehen unseren Lesern zur verwerthung frei.
Dir Zeitschrift ist verbreitet in allen Vulturstaatrn.

Nur Sonder-Hefte sind auch einzeln erhältlich.

Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt» Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.

VIll. Iahrn. 1897.

-U Leipzig Darmstadt Wien.

März-Heft.

m über die stilistische
Bedeutung des Vor-
hanges und die sich aus
derselben ergebende Warm-
behandlung klar zu werden,
muß man sich zunächst
fragen: was ist ein Fenster?
Die Antwort scheint sehr
einfach: ein Loch in der
Außenwand unseres Zim-
mers, durch welches Licht
und Luft eindringen. Halten
wir einmal hieran fest; dies
Loch thut noch etwas an-
deres, als daß es Licht in
unfern Raum hineinläßt: es verbindet ihn auch mit der Außen-
welt. Dadurch, daß mein Blick jeden Moment von den Wänden,
den engen Grenzen meines Zimmers abgleiten kann auf die freie
Natur, den Garten, die Straße, die vor meinem Fenster liegt,
empfange ich vielleicht unbewußt jeden Augenblick den Eindruck,


von

F. Luthmer.

dieser Außenwelt anzugehören. Dem armen Gefangenen, dessen
Fenster mehrere Meter hoch über dem Fußboden angebracht ist,
bringt die Entziehung dieses tröstenden Gefühls der Zugehörigkeit
zur Außenwelt die grausamste Verschärfung seiner Haft. Also,
bewußt oder unbewußt sehen wir bei jedem Blick, den wir durch
unser Fenster werfen, die uns beengende, aber auch schirmende
Wand unterbrochen, sehen uns der freien Natur gegenüber —
einerlei ob das Fenster offen oder geschlossen ist, wenn es nur
hell, d. h. durchsichtig verglast ist. Die moderne Verglasung, die
möglichst große Scheiben, am liebsten wohl gar eine große Spiegel-
scheibe ohne Theilung bevorzugt, wirkt wesentlich zur Steigerung
dieser Empfindung des Raum-Meffnenden oder Raum-Vereinenden
mit. Die frühere, allerneuestens übrigens wieder aufgenommene
Mode der kleingetheilten Sprossenfenster, oder auch die Aunst-
verglasung in Blei heben diese Empfindung zum Theil wieder
aus, indem sie in das Fensterloch ein weitmaschiges Gitter stellen.

Nun ist das Auge des Menschen — sei es durch Gewöhnung
oder durch ein angestammtes ästhetisches Bedürfniß — so geartet,
daß es einen schroffen Gegensatz, wie ihn die geschlossene Wand
und der Blick in die freie Natur bildet, mit Unlust empfindet,
wenn nicht von der Dekorationskunst eine Ueberleitung geschaffen
ist. Wir verlangen, bewußt oder unbewußt, nach einem Rahmen
für die Meffnung, die uns plötzlich in der dunkelen Wand entgegen-
tritt, einer Verbrämung sozusagen, die uns allmählich auf die
Meffnung vorbereitet. Französische Aesthetiker, die sich mit dieser
Frage beschäftigt haben, halten dies Verlangen für etwas natürlich
im Menschen liegendes. Sie behaupten, daß man, plötzlich vor
eine leere Raumöffnung, z. B. in einen Neubau geführt, eine Art
Schwindel, eine „Scheu vor dem Leeren" empfinde, jenen borror
vavui, mit dem die frühere Physik so gern rechnete. Thatsächlich
hat wohl Zeder ein diesem ähnliches Gefühl schon empfunden,
 
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