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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Volbehr, Theodor: Pietät für kunstgewerbliche Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0143

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Zahlung vierteljährlich für Deutschland Mk. 5.—, für
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Nachdruck nur mit spezieller Lrlaubniß und genauer Vuellen-Angabe gestattet.
Sämmtliche Vriginal-Illustrationen stehen unseren Lesern zur verwerthung frei.
KM- Dir Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten. -MU

Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.

Nur Sonder »Hefte sind auch einzeln erhältlich.

Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions»Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.

VIII. Iahrg. 1897.

-U Leipzig Darmstadt Wien. W


Juni-Heft.

Pietät Me kunstgewerbliche Mrbeiten.

von Or. Theodor volbehr, Magdeburg.

Ms bedurfte in unserem nieder-
gehenden Jahrhundert nicht
erst der Brutalität jenes „gesun-
den Menschenverstandes", wie
Max Nordau ihn interpretirt,
um allerlei zarte Empfindungen
zum alten Eisen zu werfen;
tausend Erlebnisse der Nationen,
innerliche und äußerliche, thaten
das Ihrige, um mit der Gefühls-
schwärmerei schäferlicher Zeiten
aufzuräumen. Und man kann
sich nicht darüber wundern, wenn
hin und wieder ein Freund der
guten alten Sitten eine herbe Be-
merkung darüber macht, daß auch
die Pietät dem modernen Ge-
schlecht abhanden gekommen sei.
Es wird ihm nicht schwer wer-
den, eine Fülle von Illustrationen
zu dieser Behauptung zu geben;
und dennoch dürfte es fraglich
sein, ob er mit seinem verall-
gemeinernden Urtheil das Rechte
trifft. Denn selbst aus dem Ge-
biete, aus dem man das Ver-
schwinden der Pietät am leich-
Abbiidllng Nr. SIS vignriik von g. Schill,, testen begreifen könnte, auf dem

Gebiete der Ausstattung des eigenen Heims, das doch der Gegen-
wart gerecht werden muß, selbst auf diesem Gebiete, das man
kurz mit dem Namen Kunsthandwerk bezeichnet, ist die Pietät
sicherlich nicht geschwunden. Ja vielleicht ist die kunstgewerbliche
Pietät lebendiger in dem Geschlechts der Gegenwart als in irgend
einem Geschlechts der Vergangenheit.

Mit welchem Stolze zeigen wir in den Museen der Gegen-
wart „unserer Väter Merke", mit welcher Andacht bewundern
wir die heterogensten Leistungen verblichener Epochen, wie studiren
wir den Reiz jeder einzelnen Leistungen, wie fleißig kopiren wir!
Gehen wir in die Möbelmagazine, dann stehen wir vor Arbeiten,
die ein liebevolles Nachempfinden großväterlicher Möbel zeigen,
dann werden uns all die karakteristischen Liebhabereien unserer
Ahnen in Bezug auf Konstruktion und Dekoration des Mobiliars
wieder unmittelbar lebendig; und treten wir in die Häuser unserer
Mohlsituirten hinein: auf Schritt und Tritt umweht uns der
weiche Hauch kunstgewerblicher Pietät. Mie häufig spricht aus
einem Gemache der biderbe, ehrenfeste Karakter des s6. Jahr-
hunderts vernehmlich zu uns; und wir empfinden es nur als
peinliche Störung, wenn der moderne Besitzer mit modernen
Allüren ins Zimmer tritt.

Gewiß, das ist kunstgewerbliche Pietät; und zwar eine Pietät
von ungewöhnlich scharfer Ausprägung. Aber man geräth in
Verlegenheit, wenn nun die Frage gestellt wird, ob diese Pietät
wirklich ein köstliches Gut sei, dessen Erhaltung in dem allge-
meinen Schiffbruch der pietätvollen Empfindungen mit besonderer
Freude begrüßt werden müßte. Zweifellos liegt in diesem Zug
des Festhaltens, in dieser Freude an Merken, die schon einer fernen
Vergangenheit Freude bereitet haben, etwas Liebenswürdiges;
aber — ich kann die Empfindung nicht unterdrücken — bisweilen
hat diese Art von Liebenswürdigkeit etwas Lästiges; ja mehr als
 
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