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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Zimmermann, Ernst: Die Kunst auf der Berliner Gewerbe-Ausstelllung
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Schliepmann, Hans: Reichskommissar Geheimerath Richter und die Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0074

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Seite H8.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

^ebruar-^eft.

Maß aller Dinge" ist. Nicht besser steht es mit dem Glase. Die zierlichen
Gläser Zitz mann's in Venezianer Art sind ja noch eigentlich kein
ganz heimathliches Knnstprodukt. Zu loben aber sind verschiedene Glas-
malereien, zum Theil schon in amerikanischer Manier, und die Glas-
mosaiken Puhl und wagner's, die hier in Berlin jetzt feste Wurzeln
geschlagen haben.

Die schlimmste Abtheilung aber der Berliner Gewerbe-Ausstellung sowie
des deutschen Kunstgewerbes überhaupt, ist die der Galanteriewaaren.
Glänzende Vertretung fand nur das Leder durch Hulbe, der freilich für
Berlin nur ein Gast ist, und durch einige Berliner Buchbinder, die wirklich
geschmackvolle und technisch solide Einbände ausgestellt haben, ein Zeichen,
daß man auch hier schon zum Buche wieder „Liebe" faßt. Aber sonst schweige
man lieber von diesen Galanteriewaaren aus Galanterie vor jenen vielen
Tausenden und Abertausenden, wohl meistens weiblichen Geschlechtes, die an
solchen „Nichtsnutzigkeiten" noch immer Gefallen finden und ihre Zimmer
damit anfüllen, wenn sie es vielleicht nicht vorziehen, dieselben durch „ver-
schenken" aus ihren Augen zu verbannen! Sie sind traurige Kulturmesser
unserer Zeit, wo Zeder so gern von der „Ärmst" in den höchsten Tönen
spricht und doch, um sich in den Besitz derselben zu setzen, kaum einen
Groschen daran wagt. Hier muß Alles billig sein und das Ideal ist der
Fünfzig.Psennig-Bazar I

Doch damit möge der Bericht über die Berliner Ausstellung sein Ende
finden. Das Resultat ist sestgelegt, wenn auch wohl Wenige, die hier in
Berlin leben und aus den Vorrathskammern der Berliner Zeitungen tag-
täglich ihren Geist füllen, zu dem gleichen gekommen sein werden. Aber
Schweigen wäre hier Sünde und Reden wird Tugend sein, die aber ihren
Lohn erst von der Zukunft erhoffen darf. Und so mag dann auch das noch
ausgesprochen werden, daß man mit einigem Schaudern daran denkt, was

für eine Rolle hier, wenn Berlin wirklich hier alle Nationen zu einer Welt-
ausstellung zu Gaste geladen hätte, der Gastgeber selber hinsichtlich seines
Geschmackes und seines künstlerischen Könnens gespielt hätte. Aber das
Schicksal meint es oft besser mit den Menschen als diese mit sich selber, und
so hat es denn dieses Unheil noch einmal abzuwenden gewußt.

Mag aber auch diese Ausstellung für die Gegenwart betrübend gewesen
sein, für die Zukunft hat sie doch einen Trost gewährt. Ls hat hier eine
Kunst gegeben, die Triumphe gefeiert hat, die Allen zeigte, daß noch nicht
alle Jugendlichkeit, alle Fantasie, alle Persönlichkeit bei uns verdorrt und
gestorben ist, daß wir nicht ein Geschlecht blos gedankenlos wiederkäuender
Epigonen sind: das ist die Architektur. Die Baukunst Berlins ist jetzt
entschieden der gesündeste Theil seiner ganzen Kunst, der einzige, der frei ist
von aller Pedanterie, Uebertreibnng und allem Krankhaften, und der, wenn
auch aus filteren Traditionen ruhend, doch frei und selbstständig ist, wie es
ihr leuchtendes Vorbild, die Schinckelsche Baukunst schon einmal der Antike
gegenüber war. Mag diese Thatsache schon deutlich in der Anlage und
Durchführung des reizvollen „Bauhofes" in der Ausstellung zum Durch-
bruch gekommen sein, so noch viel mehr in den Ausstellungsbauteu selber.
Den lustigen Scheiufassaden des genialen Bruno Schmitz, die fast ein Aus-
sehen annahmen, wie es den fantastischen Bauten au den Grenzscheiden der
orientalischen und occidentalischen Kultur eigen ist, stellen sich die solideren,
organischeren Bauten Hoffackers gegenüber und auch der größte „Fantast"
unter Berlins Baumeistern, Sehring, hat hier eine Probe seiner Kunst
gegeben. Das ist aber deshalb so ungemein wichtig für alle Zukunft, weil
es eine unumstößliche Erfahrung der Kunstgeschichte ist, daß gerade die
Baukunst die Führerin aller Kunst zu allen Zeiten gewesen ist. Darum wir
wohl mit aller Zuversicht hoffen dürfen, daß unsere Zukunft nicht dieses
Resultat der Vergangenheit wird Lügen strafen! —

Reichskmlumssav Geheimeralh Richte^ und die Parisee Weltausstellung.

mkm „Verein für deutsches Kunstgewerbe" in Berlin machte am d.Dezember V.I.
^ der zum Reichskommissar für die Pariser Weltausstellung ernannte Geheime
Regierungsrath Or. Richter einige allgemeine Mittheilungen über dieses große
Unternehmen und dessen «Organisation. (Obwohl die meisten unserer Leser
inzwischen durch die Tageszeitungen über den allgemeinen Inhalt dieser Aus-
führungen unterrichtet sein werden, dürfte es erwünscht sein, au dieser Stelle
noch den Stimmungseindruck eines Augen- oder besser Ghrenzeugen wieder-
zugeben und die Stellung sestzulegeu, die wir nach der bisherigen Richtung
dieses Blattes zu diesen Mittheilungen einuahmesi.

Der Herr Reichskommissar wies gleich zu Beginn seiner ungemein frisch,
lebendig und zielbewußt vorgetragenen Mittheilungen allzu große Hoffnungen
auf neue Eröffnungen zurück, die beim jetzigen Stande der Angelegenheit
auch füglich nicht zu erwarten waren. Line Beschränkung auf die allge-
meinsten Gesichtspunkte ist vorerst durchaus geboten, da eine Erörterung in
breiter Veffentlichkeit den schwebenden diplomatischen Verhandlungen nur
schaden könnte.

Andererseits ist die Frage der Beschickung der Ausstellung längst ent-
schieden, und die Angelegenheit ist damit in ein Stadium gerückt, bei welcher
eine Erörterung aller derjenigen Fragen, die ich in meinem Aussatz „Das
jetzige Ausstellungswesen und das Kunstgewerbe" im letzten Dezemberheft
zu behandeln suchte, nicht mehr möglich war. Ls ist ganz klar: wir müssen
jetzt Paris glänzend beschicken, es koste was es wolle! Ls konnte sich
also in jedem Falle nur darum handeln, wie dies am Besten zu machen sei,
mit einem Worte: um das allgemeine Programm des Herrn Reichskommissars;
und dieses verdient ungetheilteste Zustimmung.

Herr Geheimeralh Vr. Richter setzte auseinander, daß der für das
Deutsche Reich erlangbare Platz, trotzdem wir mit guter „preußischer"
Promptheit von allen Nationen zuerst unsere Ansprüche geltend gemacht
haben, doch jedenfalls noch hinter dem Ausmaß, das uns in Lhicago zuge-
theilt worden, etwas Zurückbleiben werde, da die ganzen Raumverhältnisse
in Paris erheblich geringer als in Lhicago sein werden. In diesem engen
Rahmen müßte daher nur das Allerbeste zur Schau gestellt werden, was
wir zu leisten vermögen. Man solle nicht glauben, daß man durch Aus-
stellung von Massen-Artikeln und besonderer Exportwaare den Welthandel
Deutschlands heben könne; dies geschehe vielmehr nur daun, wenn unsere
Erzeugnisse in jeder Beziehung obenan ständen, wie es in Lhicago der Fall
gewesen. Denn man möge nur aus der ausländischen, auf Deutschlands
Welthandelserfolge eifersüchtigen Presse lernen, daß man uns noch immer
mit dem zum leeren Schlagwort gewordenen „Billig und schlecht" aus dem
Felde zu schlagen suche; es gälte durchaus, zunächst diese Ansicht des Aus-
landes zu zerstören, zumal der Wettbewerb der Nationen in Paris ein viel

heißeres Ringen bedeute als in Lhicago. Man werde daher auch mit
äußerster Strenge, nöthigenfalls Rücksichtslosigkeit unter den zur Ausstellung
augemeldeten Erzeugnissen sichten müssen. Lin besonderes Augenmerk werde
auf die künstlerische Aufstellung zu richten sein, die erhebliche Mittel erfordern
werde, da die ganze Ausstellung in zwanzig Gruppen zerfalle, in deren jeder
— wie schon in Lhicago angebahnt — die Erzeugnisse aller Nationen
nebeneinander zum vergleiche ausgestellt sein würden. Als Neuerung von
noch zweifelhaftem Erfolge sollen übrigens bei jeder Gruppe von waaren
sogleich auch die Erzeugungsmaschinen — möglichst in Thätigkeit — vor-
geführt werden; nur Holz- und Metallbearbeitungsmaschinen werden mit
den Kraftmaschinen zusammen in einer besonderen Maschinenhalle zur Aus-
stellung gelangen.

Wie in den einzelnen Gruppen eine gewisse Harmonie und Einheit-
lichkeit der Ausstellungsgegenstände von der Lentralleitung aus durchaus
hergestellt werden muß, so werden auch auf vielen Gebieten die Theilnehmer
sich zu Kollektiv-Ausstellungen zusammenschließen müssen, um eine größere,
imposantere Einheit herzustellen. Dies ist um so eher möglich, als vorgesehen
ist, daß bei einer Preisvertheilung an Kollektiv-Ausstellungen jedem der
einzelnen Theilnehmer ein Diplom mit sämmtlichen Namen ausgehändigt
werden soll. Ebenso sind, sehr erfreulicher Weise, »eben Preisen für die
Erzeuger auch solche für die Erfinder der Muster in Aussicht genommen.
Eine wesentliche unserer Forderungen übrigens wird, wenn die Versprechungen
eingehalten werden, in Erfüllung gehen: die Preisvertheilung soll bereits
im September spätestens beendigt sein, so daß man also die prämiirten
Gegenstände noch in Muße wird besonders studireu können.

Von größter Wichtigkeit wird es sein, daß Alle, die in Paris
ausstellen wollen, sich sofort um den entsprechenden Platz beim
Reichskommissar bewerben, denn nur dann werden sich alle Interessen
gleichmäßig berücksichtigen lassen. Höchst erfreulich klang die Botschaft, daß
Herr Richter sich als Feind jedes Schematismus bekannte und statt der Arbeit
am grünen Tisch ein Zusammenwirken mit bewährten Männern der Praxis
für geboten halte. Er werde demnächst für alle einzelnen Gruppen solche
Männer zu gedeihlicher Mitarbeit auffordern.

In den warmen Dank, welchen der Vorsitzende des Vereines, dev
bewährte Architekt Karl Hofsacker, dem Vortragenden aussxrach, werden
alle Interessenten von Herzen einstimmen können. In Herrn vr. Richter,
der sich bereits in Lhicago neben und nach Herrn Geheimerath Mermuth dio
lebhafteste Anerkennung der Aussteller erworben, hat Deutschland ganz ent-
schieden einen ganz ungewöhnlich hervorragenden Vertreter seiner Interessen
gewonnen, dem man mit vollstem vertrauen die Leitung der Deutschen
Abtheilungen auf der Pariser Weltausstellung überlassen darf.

Dans Schliepmann.
 
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