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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Schwindrazheim, Oskar: Eigen-Modernes - Zukunftversprechendes im modernen Stil, [2]
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Monumentale Schornstein-Bekrönung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0199

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Seite fH6.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

schon deutliche Spuren eines erwachenden bewußten Deutschthums
— es sei z. B. nur an werle's Kompositionen erinnert. Die
Münchener Renaissance hatte auch in mancherlei Richtungen etwas
National-Deutsches an sich, das wohlthuend von andersartigen
Auffassungen abstach, leider ist mit dem Ausgehen dieser Rich-
tung auch der eigenthümlich national-volksthümlich anmuthende
Zug verloren gegangen. Ls wäre zu wünschen, daß München
sich freundlicher zu den neuesten Strömungen stellte und insbesondere
die Zugrundelegung des Naturstudiums für das Ornament sich
zu eigen machte. Gerade München mit seiner frischen, fröhlichen
Art würde viel in dieser Richtung versprechen!

Kurz sei noch an zwei eigen-moderne Bewegungen unserer
Zeit erinnert: an die Bestrebungen für Handfertigkeitsunterricht
und für Neubelebung und -beseelung des Dilettantismus; beides
Bewegungen, die weniger bahnbrechend, selbständig erfinderisch
wirken werden, als vielmehr dazu dienen werden, in breiteren
Kreisen Kunstverständniß und damit eine treffliche Grundlage für
eine tiefer im Volke wurzelnde Kunst zu schaffen. Daß sie eine
Rolle spielen werden, zeigt schon der Umstand, daß sie sich an
die angedeuteten formalen Symptome des Ligen-Modernen,
Zukunftversprechenden eng anschließen.

Und nun zum Schluffe! Stellen wir einmal zusammen, was
wir fanden: Freiheitssinn und Selbstgefühl, Sinn für Linfachheit
und Zweckmäßigkeit, Lust zum Naturstudium und zur Verwendung
desselben in der Zierkunst, starke Persönlichkeit in eben dieser
Verwendung, erwachendes Nationalbewußtsein — sind das nicht
recht gute, in der That eigen-moderne Strömungen und verheißen
sie nicht eine recht erfreuliche Zukunft?

Mögen die Anzeichen nicht täuschen! —

Monumental^ «d^^^ustem-Gekrönung.

^isie von dem Architekten Kühn in Heidelberg konstruirten
Schornstein-Aufsätze (durch mehrere D. R. G.-M. gesetzlich
geschützt), welche bezüglich ihrer heiztechnischen Wirkung in den
verschiedenen Baufachzeitungen mehrfach erörtert worden sind,
verbinden mit der Ligenschaft des saugend wirkenden Apparates
zugleich diejenige eines architektonischen Dekorationsmittels.

Aus dem letzteren Grunde glauben wir auch unseren Lesern
diese Neuerung in Kürze vorführen zu sollen und zwar in einigen
Abbildungen, welche speziell die zuletzt genannte Ligenschaft der-
selben betonen. Diese in reichlicher Auswahl bezüglich Größe und
Form von der „Deutschen Steinzeugwaarenfabrik" Friedrichsfeld
in Baden zur Herstellung gelangenden Schornstein-Aufsätze aus
glasirtem Steinzeug, gestatten in Folge ihrer nach architektonischen
Grundsätzen bestimmten Grundform ein vollkommen organisches
Lingliedern in den Schornsteinbau. Der Architekt hat es dabei
in der Hand, durch entsprechende Gestaltung des Unter- oder
Linbaues den Schornsteinkopf mit den übrigen Bautheilen in
Linklang zu bringen ohne damit den Zugverhältnissen des Schorn-
steines zu schaden, was bei willkürlicher Formengebung sehr
häufig der Fall ist und dann zu großen Nachtheilen führt. Die
Abbildung Nr. 665 z. B. zeigt einen Doppeldeflektor Modell III,
welcher durch entsprechenden Sandstein-Unterbau dem Barockstil
angepaßt ist und ist hierbei zugleich der dekorative Theil vor
Verrußung geschützt. Abbildung Nr. 666 zeigt die „saugende
Kreuzdachhaube in gekuppelter Anordnung", welche durch ent-
sprechende Gestaltung des Fußgesimses und der tragenden Pfeiler
dem gothischen Stil genähert ist, während Abbildung Nr. 668
einen „saugenden Abschlußdeckel" darstcllt, welcher auf ähnliche
weise der modernen Renaissance gerecht gemacht worden ist.
Abbildung Nr. 667 endlich gibt eine Ansicht der gekuppelten
Kreuzdachhaube in einfachster Ausstattung.— wir verweisen auf
die diesbezüglichen illustrirten Preislisten, welche die sämmtlichen
Modelle in ihrer Grundform zur Darstellung bringen. —

u unseren

llustrationen.

E^en meisten der Abbildungen des vorliegenden Heftes sind
(M bereits Sonderbesprechungen gewidmet, so den Vorplätzen
der alten Nürnberger Häuser, dann den Abbildungen der schönen
traulichen niederdeutschen Bauernstube, des sogenannten Marcus
Schwin'schen Pesels im Museum Dithmarsischer Alterthümer
j zu Meldorf in Schleswig, wenngleich wir in erster Linie den
neuzeitlichen Lrzeugnissen unsere Spalten öffnen, halten wir es
doch für unsere Pflicht, den hervorragendsten guten alten Kunst-
erzeugnissen, soweit sie in unseren Rahmen passen, also der Raum-
Ausstattung und -Schmückung dienen, hin und wieder unsere
besondere Aufmerksamkeit zu widmen — denn auch viele unserer
Leser hängen ja noch mit jeder Faser ihres Herzens an der
historischen Richtung und damit an der Kunst alter Tage. Eigentlich
ganz absichtslos hat auch das übrige Zllustrationsmaterial sich
den ausgesprochen historischen Vorbildern angepaßt; das sehen
wir in den eigenartigen vier Schornstein-Bekrönungen, denen
auch ein kurzer Text gewidmet ist, ganz besonders aber in den
übrigen Abbildungen, die, mit Ausnahme der beiden Schlotke'schen
Blätter, Abbildung Nr. 662 u. 673, und der Nrn. 663 u. 66H,
sich stark an die Motive der alten Kunst anlehnen. So könnte
der kleine Bildhauer, der in Abbildung Nr. 6Hfl die Bildnerei,
die Plastik, personifizirt, nach einer Zeichnung von Z. Schillr
in Gengenbach, sehr wohl an die Schlüter'sche Periode erinnern.
Das in Abbildung Nr. 66s wiedergegebene Prunk-Büffet, nach
einem Entwürfe von Walter Dehring, Groß-Lichterfelde-Berlin,
geht ganz auf die schweren Einzelheiten der kompakten süddeutschen
Architektur-Möbel des s7. Jahrhunderts zurück; interessant wirkt
die Lösung des Oberbaues durch die Hinausschiebung der beiden
Seiten-Lrker und die durchgehende Verglasung.

Streng historisch ist die in der Nr. 66fl und 67 s zur Ab-
bildung gebrachte Vorhalle im Karakter des s8. Jahrhunderts
durchgeführt, die sich für ein Jagdschloß wie geschaffen zeigt und
in Allem, nicht zuletzt in der Bestellung mit alten deutschen Möbeln
des s7. Jahrhunderts einen geläuterten Geschmack ihres Urhebers
wie auch des Besitzers verräth. Die Ausführung besorgte die
bekannte Firma w. Z. von Skramlik, Möbelfabrik in Ham-
burg. Die in zwei Farben ausgeführte Beilage des II. Bogens
führt uns ganz in die Blüthezeit der Spätgothik zurück, in der
so überaus üppig und fantasievoll das Distelornament fast bis zu
naturalistischer Gestaltung zur Entfaltung gelangte und darin sich
mit den Bildungen der Frührenaissance verquickt. Der zu einer
Wandmalerei in einem gothischen Treppenhause gedachte Ent-
wurf stammt von dem Münchener Maler Zoses Rösl, dessen
Studien dafür in tiroler Motiven wurzeln.

Der Robert Orsans'sche Entwurf: Kamin-Wand mit
Panneel-Schränken, Abbildung Nr. 672, soll eine neue Lösung,
unter Benutzung alter Motive sein, die besonders der französischen
Renaissance entnommen sind. Der schwere Architektur-Karakter
des Kamins stimmt nicht besonders gut zu der bewegten Linien-
führung der modern englischen Tapete; zu der Gesammtstimmung.
würde eine schwerere Leder- oder satte Ton-Tapete besser geeignet
sein. — Die beiden Schlotke'schen Entwürfe in Abbildung
Nr. 662 und 673 schließen sich aufs engste den im Mai-Heft
publizirten Entwürfen desselben Künstlers an, der in der Haupt-
sache die Verwendung der heimischen Flora in seinen reizvollen
Flach-Ornamenten überall da erstrebt, wo derartige Motive stilistisch
am gerechtfertigsten sind, so auf den Wänden, dem Plafond und
dem Teppich. Gerade die beiden genannten Entwürfe sind hübsche
karakteristische Leistungen dieser Art. Modern gehalten sind des
Weiteren die in den Abbildungen Nr. 663 u. 66H wiedergegebenen
beiden vornehmen Räume: Bibliothek und Konversations- u. Spiel-
zimmer im Offiziers-Kasino der Dragoner zu Karlsruhe, ausgeführt
von der Firma M. Rcutlinger L To. in Mannheini u. Karlsruhe.
 
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