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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Giani, Carl: Die Einwirkung der Kunstgewerbe-Museen auf das Kunstgewerbe, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0077

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März-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 5 s.

Die Mimuirkung dev auf das »HuMtgewerde.

um zehnten Male fährt sich Heuer der furchtbare pfingst-
sonntag, an welchem ein großer Geist in den Fluthen
des Starnberger See's Ruhe suchte und fand. Mit
vollen Händen, in Manchem vielleicht irrend, immer und stets
aber das bayerische Kunstgewerbe in wahrhaft mediceischer Groß-
herzigkeit unterstützend, haben seine, wenn auch bisweilen bizarren
Ideen einen reichen Goldsegen über das Kunstgewerbe in allen
seinen Zweigen ergossen.

Mer hätte wohl jemals solche jedes Vorbild erreichende, das-
selbe zuweilen überragende Nadelarbeiten einer Iörres ins Leben
gerufen, wer hat Miller, Radspieler, pössenbacher und Mollen-
weber zu dem gemacht, als welche ihre Namen heute in der
Geschichte der Gewerbe glänzen, als jener unglückliche in Ein-
samkeit sich verzehrende Fürst? Und heute noch wirken jene
großen Geistesregungen nach, als Vorbild dessen, was deutsche
Kunst und deutsches Kunstgewerbe vermag, wenn ihm, ungleich
den Morten Schillers von der deutschen Sprache, „eines Mediceers
Güte lächelt".

Künstler wie Seitz und Seydl unter Anderen haben sich in
der Sonne fürstlicher Huld zu wahren Führern deutschen Geschmackes
heraufgearbeitet. Mit und durch Ludwig II. ist eine wahre
Oiricsus-oeiito-periode über das sonst ziemlich prosaische Bayern,
ja mittelbar über ganz Deutschland emporgestiegen und wurde
so recht vor Augen geführt, welch unermeßlicher geistiger und
materieller Nutzen der Mit- und Nachwelt aus der Schatzkammer
vergangener Tage erblühen kann, wenn mit ihnen in engem Bunde
die Munificenz der Großen wandelt. In der Gstmark, stamm-
und sprachverwandt mit den Bayern, doch leichteren Sinnes wie
auch durch stetige Rassenvermischung lebhafter und empfänglicher,
fast südlichen Temperamentes, veranlagt, herrschte nur allzulange
„laisssr luirs, luisssr aller", und als Tapua der Geister war
es selbst von seinem glühendsten Verehrer und treuesten Sohne,
Grillparzer, bezeichnet.

Mer Anfangs der 50 er Jahre einem Miener Gewerbsmanne
von Stil oder Aehnlichem hätte etwas erzählen wollen, der wäre
dem Fluch der Lächerlichkeit, wenn nicht Aergerem verfallen, und
trotzdem regte und rührte sichs bereits unter der verwelkenden
Rosenhülle sybaritischer Lebensweise. Die großen Meister Führich,
Kuppelwieser und Ammerling versuchten ihren Einfluß auch aufs
Aunstgewerbe hinüberzuleiten und besonders der letztere hatte bereits
als gründlicher und glücklicher Sammler ein Museum su miniaturs
zusammengebracht, doch hatte noch keine große Aufgabe, noch
kein führender Geist die Sinne erweckt und die Herzen gerührt.

Die Architektur als Stamm- und Pflegemutter aller Kunst
und Aunstgewerbe lag noch zumeist in den Banden des aller-
nüchternsten Bureaukratismus und mehr einem glücklichen Zufall,
als selbstbewußtem Entschlüsse verdankt das erste breschemachende
Bauwerk seine Entstehung und spätere glänzende Vollendung.
Mir meinen hiermit die Altlerchenfelder Pfarrkirche, welche durch
das fast explosiv wirkende endlich einen Bethätigungspunkt findende
Zusammenarbeiten von Künstlern und Aunstgewerbetreibenden als
Gase in der großen Müste entstanden ist.

Der dieses Bauwerk erdachte und damit seinen Namen für
immer mit der Renaissance des XIX. Jahrhunderts innig ver-
knüpfte, er konnte dessen Fertigstellung nicht mehr schauen, seine
Nachfolger im Geiste und Verständniß, die Architekten Van der Nüll
und Siccardsburg, ihnen war es vergönnt, den Schlußstein in
das Merk zu legen, der als Merk- und Grenzstein für Mien und
dessen gewerbliches Schaffen geltend geblieben ist.

Als nun endlich gar durch des hochherzigen Monarchen Ruf
und Machtspruch der allerdings unendlich gemüthliche, das alte

Mien so unwiderleglich kennzeichnende Basteiengürtel der Demo-
lirung überantwortet wurde, da zog mit einem Heranwachsenden
Geschlechts auch neues Sinnen und Streben in die altehrwürdige
Aaiserstadt ein. Die ewig denkwürdigen Märztage des Sturm-
und Drangjahres s8H8 hatten die Geister in andere Bahnen
gelenkt und der unter den Auspizien von Männern wie Kenner,
Heider, Hieser, Eitelberger, Essenwein, Earmesina und Anderen
gegründete Alterthumsverein zog geistig und werkthätig bedeutende
Gewerbtreibende wie Girardet, Hollenbach, Lehmann in seinen
befruchtenden Bannkreis. Die von dem genannten Vereine An-
fangs der 50 er Jahre ins Leben gerufene Ausstellung kirchlicher
Alterthümer wirkte ebenso belebend; und als zur selben Zeit ein
hoher Kirchenfürst die besser gemeinte als gut inszenirte Encyklica
an seine Diöcesengeistlichkeit vom Stapel ließ, worin er für die
Krefelder Textilarbeiter eine Lanze brach und die österreichische
Arbeit verurtheilte, da fand sich unter den Wiener Gewerbetrei-
benden sogar Einer, jung an Jahren, aber voll Schaffenslust und

Abbildung Nr. 5^7. Thür-Draperie, von Christian Hövel.

Liebe zur heimischen Kunst, der nicht nur allein dieser Erklärung
offen und öffentlich entgegentrat, sondern auch durch die That
sofort und in späteren Jahren energisch bewahrheitete, was er
damals vertrat. Der Boden war vorbereitet, das Samenkorn
ausgestreut, mit der Gründung des österreichischen Museums für
 
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