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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Englische Teppiche und Portièren
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Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Juni-Heft.

Leite f08.

Mnglisch^ ^Meppichh und sortieren.

'^Mas für die jetzige Jahreszeit verhältnißmäßig warme Wetter, das die
Ws bunten Krokusblumen auf den grünen Rasenteppichen der Londoner
Parks schon in Menge hervorlockte, wirkt äußerst anregend auf das Früh-
jahrsgeschäft ein, das dieses Jahr einen ebenso frühzeitigen, wie siotten
Anfang nimmt. Indessen hat das erste Frühjahr für einen großen Theil
der Londoner Geschäftszweige nur eine verhältnißmäßig untergeordnete
geschäftliche Bedeutung im vergleiche zu der gegen Ende April beginnenden
großen Londoner Hauptsaison, auf die alle Erwartungen gespannt sind. Zu
den Branchen, die am meisten aus die „oberen Zehntausend" angewiesen
find, gehört in erster Linie die Teppich- und Tapeteriebranche, wie überhaupt
die Jnnen-Dekoration, als ein Zweig der eigentlichen „Saison-Fashion", eine
von Jahr zu Jahr steigende Bedeutung gewinnt. Die Mode, die dem löb-
lichen Grundsätze huldigt, daß im neuen Jahre immer mehr Geld ausgegeben
werden müsse als im alten, stellt gegenwärtig an die Uebereinstimmung all
der vielen Dekorationsstücke, die eine elegante Jimmer-Einrichtung ausmachen,
höhere Ansprüche als je zuvor. Die Kostbarkeit oder der wirkliche Kunst-
werth der einzelnen Stücke kommt weniger in Betracht; der Luxus mag sich
bei näherer Betrachtung als eitler Flitterstaat entpuppen, wenn nur der
Reiz der Neuheit über das Ganze den Zauberduft der Mode legt. Die
Vorliebe für eine Uebereinstimmung verschiedener Theile geht so weit, daß
gegenwärtig mit den fashionablen blaßgeblümten Tapeten fast regelmäßig
ein dazu passender Baumwoll-Musselin verkauft wird, der genau dasselbe
Dessin trägt wie die Tapete und zu Draperien der verschiedensten Art Ver-
wendung findet. Es lassen sich in der That damit hübsche Effekte erzielen,
und in jedem Falle bringt diese Mode der interessirten Geschäftswelt den
vortheil, daß sie von Saison zu Saison die Anschaffung neuer Dekorations-
mittel nothwendig macht. In Teppichen kamen eine Menge von aparten
Neuheiten auf den Markt, und die Mode nahm in diesem Artikel nach langer
Zeit wieder einmal einen ausgesprochenen Karakter an, sodaß sich mit einiger
Sicherheit sagen läßt, was während der kommenden Saison voraussichtlich
modern sein wird. Die zwei bevorzugten Lieblingsfarben der jetzigen Mode
sind roth und grün, die an der großen Mehrzahl der neuen Teppiche den
Grundton bilden, und in einer Menge der verschiedensten Töne vertreten
sind. Hochroth, bordeaux, meergrün und tannengrün können im Allgemeinen
als die beliebtesten Töne bezeichnet werden, worauf blaßbraun, oliv, crsme,
gelb und blaßblau als ebenfalls verwandt, zu nennen find. was die Dessins
betrifft, so ist es karakteristisch für die jetzige Geschmacksrichtung, daß
naturalistisch ausgesührte, bunte Blumen fast gänzlich fehlen. Ls erschienen
in Brüsseler Teppichen einige höchst aparte Sachen in modernstem Geschmack
gezeichnet, rosige Apfel- oder Mandelblüthenzweige vorstellend, die sich in
unregelmäßigen, etwas japanisch anmuthenden Zickzacklinien über einen
meergrünen Grund hinziehen. Im Uebrigen nehmen indessen dichte Laub-
muster, mit theilweise enorm großen, faltigen Klettenblättern, das Hauptseid
ein, woraus der indifferente, alle Buntheit hassende Karakter der jetzigen
Teppichmode schon von selbst hervorgeht. Die große Mehrzahl der Neuheiten
ist ausschließlich in verschiedenen Tönen einer und derselben Farbe gehalten,
während der Hauptwerth auf die Schönheit der äußerst vielartigen und
komxlizirten Schattirungen gelegt wird, von wunderbar schönem Effekte ist
ein Lotosblumenmuster aus meergrünem Grunde, das mit Ausnahme der
röthlichweißen Blüthen in den verschiedensten Tönen von grün gehalten und
von den mannigfaltigsten Schattirungen belebt ist. Andere Muster stellen
ausschließlich mächtige Klettenblätter in den verschiedensten Stellungen dar,
weitere haben Schilfrohr und Schilfkolben, wohl auch Spinnengewebe, die
sich sehr effektvoll ausnehmen, dazwischen, während daneben dichte groß-
blätterige Rebenmuster, Guirlanden und Fantasiedessins wirkungsvoller, aber
schwer zu beschreibender Art für modern gelten. Solche Fantasiedessins, die,
beiläufig gesagt, mit Arabeskenmustern keinerlei Verwandtschaft besitzen, sind
aus allen möglichen fantastischen Figuren in bunter, aber malerischer Un-
ordnung zusammengesetzt. Polypenartige Ungeheuer, umgeben von Seesternen
mit geschlängelten Zacken, Schlangenfiguren, Schilfhalmen und bandförmigen
Meerweiden, vereinigen sich mit großen Ranken und Blattfiguren. Der
Hauptwerth wird auf eine schöne Gesammtwirkung der vielen matten und
indifferenten Töne gelegt, die fast durchaus in den Farben grün, braun, gelb,
crsme, oliv, weiß und schwarz spielen und zu äußerst seinen Schattirungen
benützt werden. Der gegenwärtige Modegeschmack zeigt indessen einen ent-
schiedenen Hang zur Mäßigkeit und Einfachheit, und zwar nicht nur in den
Farben, die mit Vorliebe matt und unbestimmt gehalten werden, sondern
auch in der Musterzeichnung. Eine der vielen aparten Neuheiten, die durch
vornehme Einfachheit wirken, trägt aus leuchtend hochrothem Sammtgrunde
aus je einem Lorbeer- und Eichenzweig zusammengesetzte Kränze in größeren
Abständen, die in zwei dunkleren Nüancen von roth gehalten sind. Lin
anderes Muster dieses Genres hat fünfzackige Kronen in dunkelgrün auf
meergrünem Grunde, und wieder ein anderes weist regelmäßige geradlinige
Guirlandenketten aus, die sich kreuzen und dadurch ein großes Schrägcarreau
bilden. Aehnlicher Dessins weisen die neuen Kollektionen eine Menge auf,

und dabei ist bemerkenswerth, daß die meisten dieser einfachen Sachen, ebenso
wie die vielen neuen Blatt- und Rankenmustcr zum großen Theil je in
rother oder meergrüner Grundfarbe erschienen, ein Beweis für die große
Bevorzugung dieser beiden Töne. Die Randborten, sowie das mittlere
Medaillon, das indessen sehr häufig fehlt, werden stets lebhafter in der Zeich-
nung, sowie in helleren Tönen gehalten, wie auch häufig einzelne bunte
Farben zur besseren Hervorhebung eingeführt werden. Brüsseler Teppiche,
die eine je nach Dualität mehr oder weniger glänzende Textur aufweisen,
eignen sich besser für lebhafte und bunte Muster, während die sammtartigen
Axminsterteppiche, auf welchen zarte Schattirungen mit wundervollem Effekte
zum Vorschein kommen, in der Regel nur indifferente, aber mannigfaltig
abgetönte Tinten aufweisen. In lvilton - Teppichen, die eine plüschartige,
gleichmäßig glatte «Oberfläche besitzen, wird ein satter, hochrotster oder meer-
grüner Grundton mit einem Muster in dunkleren Tönen der entsprechenden
Farbe bevorzugt.

Um nun auf die Hängeteppiche zu kommen, die in der kommenden
Saison zu einer hervorragenden Rolle berufen zu sein scheinen, so macht sich
in diesem Genre insofern eine überraschende Uebereinstimmung mit der Mode
in Bodenteppichen geltend, als roth und grün neben blaßblau, braun und
oliv, die nur eine untergeordnete Rolle spielen, in Hängetapeten die fast
ausschließlich herrschenden Farben bilden. Der Grundton wird in der Regel
ziemlich hell gehalten, während ein kleines stilisirtes Rankendessin oder auch
ein altes gothisches Muster, entweder in einer dunkleren NLance derselben
Farbe, oder in einem abstechenden Ton darüber liegt. Die Muster sind in
der Regel nur zweifarbig, aber meist von graziöser und wirkungsvoller
Zeichnung, deren Effekt durch einen hübschen Farbenkontrast noch gehoben
wird. Schön z. B. nimmt sich eine Tapeterie von Hellem, blaß ziegelrothem
Grunde aus, mit einem meergrünem Rankenmuster, oder eine solche von
blaßblauem, etwas ins Grünliche spielenden Grundton mit olivensarbigenr
leicht geranktem Rebenmuster. Die schon obengenannten stimmungsvollen
gothischen Dessins, die alten (Originalen entnommen wurden, machen sicss
am besten in zwei verschiedenen Tönen von meergrün oder purpurroth. Der
künstlerische Effekt und die Klarheit der Farben an diesen Teppichen sind
einem neuen Verfahren zu verdanken, das in letzter Zeit patentirt wurde.
Das Garn, das die Vberstäche des Teppichs einzunehmen hat, wird zuerst
in der Grundfarbe des Teppichs gefärbt, und dann erst wird das Dessin in
dem dunkleren Ton aufgedruckt, wodurch jede Unklarheit vermieden wird.*)
Das Gewebe selbst erscheint äußerlich ripsartig und es fällt in schönem
weichen Falten.

Auch in Portisrenstoffen werden grüne und rothe Töne allen an-
deren Farben vorgezogen, aber die Mode neigt in diesem Zweige der
Innen-Dekoration in entschiedener Weise zu luxuriöser Prachtentfaltung.
Schwere, faffonirte Seidensammte mit glänzend hervorleuchtendem Grunde
und goldstrotzende Seidenbrokate in wundervollen Mustern werden in der
kommenden Saison besonders sashionable sein, während für gewöhnlichere
Zwecke Lhenille-Portiören in hübschen und wirkungsvollen Arabeskenmustern,
dienen. Die Zahl der Neuheiten ist in Portieren erdrückend groß und dem-
entsprechend ist auch ihre Mannigfaltigkeit in Geschmack und Ausrüstung.
Indessen läßt sich der Gang der Mode in der Regel nach einigen wenigen
besonders aparten Neuheiten, die des Erfolges sicher sind, am besten beur-
theilen, weshalb wir statt auf die große Masse der geringeren portisrenstoffe-
und Druckkattune einzugehen, nur einige der elegantesten Neuheiten flüchtig
beschreiben wollen, von wunderbar eleganter Wirkung ist ein schwerer
Seidenbrokat in einem vielfarbigen, etwas unbestimmten Muster, das in
indischem Stil gehalten, ein mattglänzendes Altgold zum Grundton hat. Der
Stoff sieht keineswegs bunt aus, da nur abgestumpfte Töne darin verwandt
wurden, und das ganze belebte Dessin in dem stark vorherrschenden Altgold
gleichsam verschwimmt. Aus Altgold und Silber zusammengesetzt ist das
Muster an einer anderen prachtvollen Neuheit, die einen glänzenden Atlas-
grunde von sattem, leuchtendem, etwas ins violette spielendem Blau ausweist.
Das Dessin ist ein großes, schweres Rankenmuster mit einzelnen stilisirten
Blumen dazwischen, vielleicht etwas weniger prunkvoll, dafür aber höchst
fein und apart im Geschmack ist eine Kombination von Atlas und Plüsch,
die eine ganze Serie von neuen Mustern umfaßt. Man kann sich nicht leichb
etwas Eleganteres vorstellen, als eine schwere Portiöre mit einem olivbraunen,
viel durchbrochenen Rankenmuster in Sammtplüsch auf schneeweißem, glän-
zendem Seidengrunde, der überall zwischen den braunen Sammtfiguren hervor»
leuchtet. Dasselbe Muster macht sich auch in purpur auf altgoldfarbigem,
glänzendem Seidengrunde gut, indessen ist die Wirkung weniger fein. Durch
vornehme Einfachheit wirkt eine andere schwere Seidenxlüsch-Portiöre in
bordeaux mit einem durchbrochenen gothischen Muster, das aus kleinen
rechteckigen Kreuzchen mit dazwischenliegenden quadratischen Punkten zu-
sammengesetzt ist, und einen Hochrothen Seidengrund dazwischen sehen läßt.
Line Serie von Seidendamasten von blassem Grundton und wolkenartigem
Dessin, dessen einzelne Figuren mit eingeschossenem Gold breit eingesaßk
find, wird ebenfalls für hochfashionable erklärt. Das Muster erschien in.
einer Menge von rothen und grünen blassen Tönen. —
 
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