Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

DOI Artikel:
Weinhold, Reinhard: Luxuswaaren, Kunstgewerbe und Kunstindustrie
DOI Artikel:
Wehlau, Karl: Berliner Neuheiten in Oefen, Kacheln und Fliesen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0271

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 202. Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration. Dezember-Heft.

was dem Einen Luxus, ist dem Anderen Bedürfniß, und wenn
erst einmal die einfachsten Gebrauchsgegenstände unter Berück-
sichtigung des Gebrauchszweckes künstlerisch ausgestaltet werden,
so wird es auch keine Luxuswaaren mehr geben.

Es gibt ja in den Großstädten einige Magazine, die wirklich
kunstgewerbliche und nur solideste kunstindustrielle Maaren führen,
aber diese Ausnahmen bestätigen nur die Regel; die Mehrzahl
der Magazine muß aber das führen, was verlangt wird, und
das ist Massenwaare schlechtester Qualität.

„Alle Maaren Stück 3 Mark." Diese Aufschrift an vielen
Läden besagt genug und ist allein schon genügend, um jedes
künstlerische Gefühl zu beleidigen. Mo bleibt da die Individualität?
Ein schönes Stück Arbeit behält immer seinen Merth, das sieht
man beim Durchwandern unserer Museen und wenn man die
Preise studirt, welche für gute alte Stücke bezahlt werden. Das
Geld aber, das für Schund ausgegeben wird, ist unwiderbringlich
verloren. Möchten Diejenigen, die in der Lage sind, die ehrliche
Arbeit thatkräftig zu unterstützen, diese Morte beherzigen. —

Berliners ^Meuheiteri in Mefen. -Macheln und

große Beifall, man möchte fast sagen die Bewunde-
rung, die die Erzeugnisse der Berliner Keramik auf
der vorjährigen Gewerbeausstellung gefunden haben,
muß von Jedem, der Gelegenheit gehabt hat, dieselben näher zu
besichtigen, als vollauf berechtigt anerkannt werden. Auch Ihr
Berichterstatter war, als er bei einigen der größten hiesigen
Firmen*) die Neuheiten auf diesem Gebiet in Augenschein nahm,
von neuem überrascht von der Schönheit und Mannigfaltigkeit,
die darin entwickelt wird.

Mas Oefen und Kamine anbelangt, so sind noch immer
am beliebtesten die altdeutschen Dessins aus glasirten Kacheln
mit tellerförmiger Vertiefung. Einige hübsche Muster dieser Art
möchte ich hier erwähnen: Da ist ein ziemlich kleiner Mand-
kamin, s20 om hoch, f2H om breit, bei dem die Feueröffnung
rechts und links durch zwei schön modellirte Hermen flankirt wird,
die das Gesims tragen. Der Sockel des vollständig grün glasirten
Ofens, ebenso wie der Raum oberhalb der Feueröffnung ist mit
einfachen Renaissance-Ornamenten geschmückt, während an den
Seiten des Ofens Kacheln in der obenerwähnten Art angewendet
sind. Ein anderer Mandkamin, der bei gleicher Höhe wie der
vorige s3ff om breit ist, fällt durch seinen stark abgeschrägten
Sockel auf, vor allen Dingen aber dadurch, daß die halbkreis-
förmige Feueröffnung durch quaderartig geformte Kacheln zuge-
wölbt wird; als Schlußstein dient ein von Schwänen flankirter
bärtiger Kopf. Oberhalb zieht sich ein stark ausladener Lorbeer-
fries herum, wie überhaupt kräftigste Betonung der einzelnen
Theile bei diesem Kamin das Karakterislikum bildet. Von den
Oefen ist in diesem Geschmack ein sog. Plattsims-Fußofen zu
nennen) der bei einer Breite von 85 om die Höhe von 306 om
erreicht. Bei diesem ruht der vordere Theil des Unterbaues auf
zwei kräftigen freistehenden Füßen; nach obenhin wieder durch
ein weit ausladenes Gesims abgeschlossen. Die Kacheln zeigen
bei dem gedachten Ofen ein vertieftes Sechseck, in dem sich ein
reizendes Blumen-Ornament befindet. Ein anderer Ofen, ungefähr
ebenso groß wie der vorige, hal als Hauptschmuck einen Aufsatz
mit einer vertieften halbkreisförmigen Nische auf der Vorderseite,
in der eine Büste steht. Die Nische wird durch Säulchen flankirt,
die zur Stütze für das Gebälk mit dem darüber liegenden Giebel-
dreieck dienen. Sonst ist der Ofen noch bemerkenswerth dadurch,
daß im oberen Theile die großen, fast quadratischen Kacheln mit
wagerecht herumlaufenden Bändern abwechseln, was eine sehr
angenehme Gesammtwirkung hervorbringt. Bei einem anderen
Ofen, der bei einer Breite von sf2 om nur 2H0 om hoch ist,
und ebenfalls die Bänder zeigt, sind die dazwischen liegenden
Kachelschichten an den Ecken abgeschrägt, so daß die Bänder
frei hervorragen. Die dadurch entstandenen Zwischenräume werden
durch Säulchen ausgefüllt, die gleichzeitig die hervortretenden Theile
der Bänder tragen. Säulen und Säulchen sind jetzt überhaupt
sehr beliebt; so ist z. B. bei einem Ofen das Obertheil in der
Mitte stark vorgezogen und ruht auf zwei Säulchen, wodurch das

Ganze etwas an einen Kredenzschrank erinnert. Bei einem anderen
Ofen gehen sogar Ecksäulen vom Plattsims bis zur Bekrönung.
Uebrigens werden derartige Obertheile gewöhnlich aus die zuerst
beschriebenen Mandkamine gesetzt, um mit diesen sog. Kaminöfen
zu bilden, was vielfach sehr schön wirkt.

Ehe ich zu den Ofenformen im Rokoko- und Barockstil über-
gehe, möchte ich noch einige andere, besonders schöne besprechen.
Da ist zunächst ein im gothischen Stil gehaltener Kaminofen,
275 om hoch, f36 om breit; die Ornamente sind hier flach auf
die Kacheln gepreßt; die Feueröffnung hat nach innen abgeschrägte
Kanten, ist durch einen Flachbozen überwölbt und macht, beson-
ders da auch die eiserne Thür in streng gothischem Stil gehalten
ist, den Eindruck einer Kirchenthüre. Der ganze Ofen wirkt mit
seinem breiten Unterbau außerordentlich dekorativ. Ein anderer,
ebenfalls gothischer Ofen, 3,HO m hoch und f m breit, hat einen
quadratischen, auf freistehenden Füßen ruhenden Unterbau und
einen runden Oberbau. Die vier Seiten des ersteren sind mit dem
Reichsadler geschmückt, die Ecken nach Art hoher gothischer Fenster
ausgebildet und mit anderen Mappen geziert. Oben um den
Unterbau herum läuft ein doppelter Zinnenkranz. Der runde
Oberbau ist in Felder getheilt, die die Mappen verschiedener
deutscher Bundesstaaten enthalten. Die Bekrönung besteht aus
gothischen Ornamenten in Form von Tudorbogen mit Kreuz-
blumen an der Spitze. Der ganze Ofen macht einen prächtigen,
ja monumentalen Eindruck.

Drei ganz absonderliche, zu keiner der bisher genannten Stil-
arten gehörende Oefen möchte ich noch erwähnen. Der erste ist
ein ganz aus schwarz glasirten Kacheln, deren Herstellungsweise
ein Geheimniß des Fabrikanten*) ist, zusammengesetzter Kamin-
ofen im Stile der deutschen Renaissance. An dem prächtig orna-
mentirten, von Pilastern flankirten Unterbau fällt vor allen Dingen
der Rost auf, um dessen beide Ecken sich fantastische geflügelte
Schlangen herumwinden, ein wahres Meisterstück der Schmiede-
kunst. Der Oberbau hat ebenfalls Eckpilaster, an die sich nach
innen vielfach eingeschnürte Säulchen lehnen. Die Fläche ist durch
ein ebensolches Säulchen in der Mitte getheilt, von dem nach
rechts und links je drei Rundbögen zu den beiden Ecksäulchen
gehen. In den beiden so entstandenen quadratischen Feldern
befinden sich ein männlicher und ein weiblicher Medaillonkopf,
umgeben von allerlei Ornamentik; die kleinen Rundbogen sind
durch Muschel-Ornamente ausgefüllt. Die Bekrönung bildet ein
Hauptgesims mit einem prächtigen Aufsatz, an den vier Ecken
Vasen. Darüber erhebt sich das ziemlich steile Dach — ich finde
keinen anderen passenden Ausdruck dafür —, ebenfalls mit leichten
Linien Ornamenten verziert. Der ganze Ofen hat eine Höhe von
3,HH m bei s,77 m Breite, was natürlich zu der imposanten
Wirkung wesentlich beiträgt. Beiläufig bemerkt, beträgt der Preis
dieses Ofens einschließlich Setzen die Kleinigkeit von fOOOO Mk.,
wobei allerdings der kupferne Rost mit einbegriffen, der allein
schon mit Modellkosten über 2000 Mk. kostet.

L. ff. fferm. Schmidt.

*) L. ff. fferm. Schmidt für Defen, villeroy L Boch für Vefen und Kacheln.
 
Annotationen