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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Teile 6H

März-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

unseren gDllustrativnen.

war in den letzten beiden Jahrzehnten keine kleine Aufgabe, den An-
forderungen des Publikums als „Vorhangmacher" stets voll und ganz
gerecht zu werden. Der moderne Dekorateur sollte nicht nur in dem vor
25 Jahren neu aufgenommenen Renaissancestil, sondern auch in den inzwischen
sämmtlich zur Mode erhobenen übrigen Stilarten bewandert sein.

Heute wird ein englischer, morgen ein ttsuri äsnx. Vorhang verlangt.
Der Line will für sein Rokokozimmer echte, stilrichtige Draperien; der Andere
will eine I-ouis ssi^s- oder eine Lmxire-Draperie und so gehts eine lange,
lange Reihe fort, tvir arbeiten also zur Zeit in allen StilartenI

Mir, in unserem ewigen Hasten und Jagen nach Neuem, haben auch
in den Kunsthandwerkerschulen dieser nervösen Mode- und Stilsucht Rechnung
tragen müssen^ Aber fragen wir uns, ob dieses Studium ein besonders
gründliches sein konnte; fragen wir, ob es der Kunsthandwerker so weit
gebracht hat, daß er in allen diesen Stilen zu Hause ist, — und stellen wir
die weitere Frage, ob derselbe in allen Stücken für das praktische Leben aus-
gebildet sein kann, so müssen wir dies mit einem positiven „Nein" beantworten!

In derselben Zeit, wo er die Schule ver-
lassen will, hat draußen bereits eine andere,
neuere Mode Platz gegriffen! Ls ist ein Jam-
mer, diese ewigen Begriffe und Reden vom
Stil und von der Model

Aber wozu soll auch der Deutsche einen
eigenen Stil besitzen? Ist es nicht hübsch, heute
türkisch, morgen norwegisch, oder spanisch, oder
französisch, oder amerikanisch und englisch wohnen
zu können? Ja — aber, wo bleibt der viel-
gerühmte deutsche National - Karakter? Fast
könnte man meinen, er sei uns abhanden ge-
kommen und wir lebten wieder in der Zopfzeit,
der Zeit des Nachäffens fremdländischer Sitten
und Gebräuche! Wir vergessen wohl, daß auch
wir einmal einen eigenen Stil hatten, daß
die ganze Zeit der Renaissance von echt deutschem,
urdeutschem Geist Zeugniß gibt, wie Herr-
liches, wie Großartiges wurde da erreicht!

Wohl kann auch heute wieder ein solcher
Geist erstehen. Lin Geist, der das Nachbeten
des Fremden, des Undeutschen von sich weist.

Ls kann und wird so kommen, wir haben seit
25 Jahren fast unmenschlich geschafft. Line
äußerst vielseitige Ausbildung ist unseren Kunst-
handwerkern zu Theil geworden. Sie wird viel-
leicht für lange Zeiten als eine unerreichte
dastehen können. — Nun heißts, mit diesen
Pfunden gewuchert!

Der Architekt strebt darnach, sein Material
als solches zu zeigen; er will bei Steinbauten
den Stein zur vollen Geltung kommen lassen
und erstrebt einen übereinstimmenden Aufbau;
er will bei Holzbauten dem Material entspre-
chende logische Konstruktionen erzielen. — Das
find gesunde Ansichten! von solchen Gesichts-
punkten geleitet, muß auch die „innere Dekora-
tion" eine gesunde Basis erhalten. Und die neueren Bewegungen im Kunst-
gewerbe beweisen es. Als einen kräftigen Vorstoß in dieser Richtung darf
man u- A. wohl das werle'sche Werk: „Das vornehme deutsche Haus"
bezeichnen, welches uns eine Fülle neuer Ideen in eigen-geistiger Durch-
arbeitung überkommener Stilarten bietet.

Die werle'schen Ideen haben seit ihrem kurzen Bekanntsein bei ver-
schiedenen deutschen Künstlern Anklang gesunden. So hat der geniale Architekt
H. Bä um er im Vorjahre in dieser Zeitschrift eine Reihe von Fenster- und
Thür-Dekorationen veröffentlicht, denen werle'scher Linsluß wohl nicht abge-
sprochen werden kann. Diese Entwürfe sind so glücklich erdacht, daß sie aus
den ersten Blick erfreuen und Bewunderung Hervorrufen müssen.

Daß die Werle'schen Anschauungen allmählich in Fluß kommen, daß
immer mehr begabte Künstler in sein Fahrwasser zu kommen suchen, beweist
ein Blick auf die in diesem Heft enthaltenen neuen Entwürfe für Thür- und
Fenster. Vorhänge. Als vielseitigster Künstler erscheint uns unzweifelhaft
Robert Grsans, Karlsruhe. Seine Entwürfe verrathen einen weiten
Blick. Namentlich ist eine wohlthuende Harmonie zwischen eigentlichem
Vorhang und seiner dekorativen Umgebung ganz besonders anzuerkennen.
Und keiner seiner Entwürfe entbehrt des Reizes der Neuheit.

wie famos ist z. B. das Linienspiel der Draperie, eine Fenster-Dekoration,
(Abb. Nr. 5sq), wo das Holzwerk mit seinen reizenden gothisirenden Formen
Einfluß auf die Zeichnung des Lambrequins übt und das in einer freien

und zugleich einfach klaren weise, sodaß sich das Ganze wirklich graziös
darstellt. Als weitere Vorzüglichkeit kommt hierbei der Vorhang selbst in
Betracht. Dieser zeigt sich in einer Musterung voll Fantasie und bewegt sich
in gelungenem Faltenwurf abwärts, hin und wieder durch Schnüre, Bänder
und (puasten aufgehalten oder geziert. In Abb. Nr. S6Z imxonirt die Thür-
Dekoration mit der Büste, namentlich durch den äußerst vornehmen Linien-
schwung in der Gallerie und durch die prächtige Wirkung der Draperie.
Endlich zeigt uns Gräans an seiner Fenster-Draperie, Abb. Nr. 55H, ein äußerst
feines verständniß für das Gothische. Die Draperie ist gleich gut durch-
dacht und fein empfunden.

wie Vröans mit geringen Ausnahmen für die Ausführung seiner
Draxirungen und Lambrequins Tuche und gewebte Stoffe in Betracht gezogen
zu haben scheint, so sind die Lambrequins eines anderen, hier sehr gut ver-
tretenen Künstlers, Ehr. Hövel, für Lederpressung und Lederschnitt bestimmt.
Interessant ist die Auffassung Hövel's insofern, als er durchweg für alle
seine fünf vorgeführten Fenster- und Thür-Vorhänge Rundstangen als Träger
für die Lambrequins verwendet. Mithin ist der Vorhang nicht wie bei
Oröans in die umgebende Dekoration hineingezogen. Hierdurch ist insofern
eine größere Freiheit in der Unterbringung der einzelnen Stücke gegeben,
als auch der Miethswohner, welcher wand,
Gesimse und Decke als schon bestehende Objekte
vorfindet, dieselben sehr gut verwerthen kann.
Die sonst beim Vorhang fast allgemein übliche
Art der Anbringung vermittelst Ringen, welche
die tragenden Stangen umgeben, ist von Hövel
bei allen seinen Zeichnungen verschmäht worden.

^ Die Ringe sind durch Schleifen ersetzt, die sich
aus der Draperie selbst heraus entwickeln. Das
geschieht aber nicht ohne Absicht auf die Drna-
j mentation, vielmehr gehören sie zur Zeichnung,
wie dies in Abb. Nr. S5l u. 552 deutlich zu Tage
tritt. Aeußerst originell erscheint die Art der Auf-
hängung in Abb. Nr. 5H7. Hier sind eine Anzahl
senkrechter Einschnitte in gleichen Zwischenräumen
unterhalb der Oberkante des Lambrequins be-
wirkt, so daß die Stange die Rolle eines durch das
Gewebe gehenden horizontalen Bandes spielt.
Hierdurch ist ein Beispiel gegeben, wie die Ober-
kante eines Lambrequins über der Aufhängestelle
noch eine dekorative Wirkung ausübt. Daß bei den
Hövel'schen Entwürfen der eigentliche Vorhang
einer eigenen Aufhänge bedarf, welche hinter
dem Lambrequin verborgen liegt, erscheint selbst-
verständlich. Line Ausnahme macht der Vor-
hang aus Seite 50, dessen Oberkante an den
zwischen den Schleifen sichtbaren Ringen hängt.

Die auf der Beilage von F. I. Müller,
Berlin, skizzenhaft flott entworfenen Draperien
zeigen die dem Empire- und dem Lhixpendale-
Karakter eigenen Formen. Man muß sich einige
Fantasie zu Hülfe nehmen und die zu verwen-
denden Farben und eventuell Seidenstoffe oder
Tuche in Betracht ziehen, um sich in die gute
Wirkung der Zeichnung hineinzufinden. —
Noch sei auf die in der Doppel-Beilage gegebenen
Entwürfe von Kiefer, München, hingewiesen,
die in ihrer Anordnung unverkennbar werle'schen Einfluß errathen lassen.
In flotter Strichmanier sind malerische Falteneffekte versucht. Leicht könnte
man einige Faltenbewegungen daraufhin beurtheilen, als ob auf Kosten des
Malerischen einige Grundgesetze des Faltenwurfs übergangen worden seien.
Aber nehmen wir eine logische, harmonische Farbengebung an, und diese
Zeichnungen verlangen eine mehrfarbige Behandlung, so werden wir durch
die prächtige Wirkung der Gesammt-Dekoration ausgesöhnt.

Diese und die vorgenannten Künstler zeigen uns gesunde Bahnen.

Folgen wir! — - (L Schwinghammer.l

Parkett- und Mosaikfußböden aus Gummi finden als Treppen-
und Korridorbelag immer mehr Verwendung. Ein solcher Fußboden besteht
aus Stücken von verschiedenen zusammensetzbaren geometrischen Formen und
Farben, deren Kanten mit Verzinkungen versehen sind, so daß alle Stücke ein
festes Ganzes aus irgend einer ebenen oder unebenen Unterlage bilden. Vor-
theile dieses Fußbodens sind: z. daß sie durch Wetter sehr schwer zerstörbar
sind; 2. daß sie den Schall der Tritte darauf gehender Personen bis zum
Minimum dämpfen; 2. daß sie wegen ihrer geringen Abnutzung lange halten
und sozusagen unzerstörbar sind; q. daß sie durch einfaches Abwaschen leicht
gereinigt werden können und dann wieder wie neu aussehen; 5. daß sie
nicht schälen oder brechen; s. daß sich selbst bei langem Gebrauch keine
Geffnungen zeigen, durch welche Wasser sickern könnte, und 7. daß sie das
Ausgleitcn von darauf gehenden Personen gänzlich verhindern. —

Abbildung Nr. 566. Stoff-Dekoration für eine Thür.
 
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