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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Giani, Carl: Die Einwirkung der Kunstgewerbe-Museen auf das Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0052

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Februar-Heft.

Zllustr. kun st gewerkt. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite 3 s.

Die Miinvirlnmg der »Munstgewerbe-^duseen »Hunstgewerde.

nwillkürlich drängen sich die Worte des unsterblichen
Rörner vor die Seele und in die Feder, wenn man
die ebenso schöne als schwer zu bewältigende Aufgabe
zu lösen versucht, welche in der Ueberschrift angedeutet ist. Fast
will es uns bedünken, ein großes Todtenfeld zu beschreiten, unter
dessen Rasen in überwiegender Zahl jene Männer ruhen, welche
mit Rath und Thal die große Bewegung ins Leben riefen und
verbreiteten, von welcher diese Zeilen ein schwaches Bild geben
sollen. Das heutige Geschlecht, und wahrscheinlich auch spätere,
benutzen und anerkennen wohl das einmal Bestehende in der Ein-
richtung unserer Runstgewerbe-Museen, haben aber kaum eine leise
Ahnung davon, welcher Willens- und Wissenskraft es bedurfte, diese
zu gründen, zu erhalten und zu vermehren. Nicht ganz so fremd
dürften ihnen wohl die Zustände und Verhältnisse sein, in und
unter welchen das Runstgewerbe all überall vor 80 Zähren bis
spät in die Mitte dieses Jahrhunderts wirkte und was es zu jener
Zeit schuf; sind uns doch noch so manche Proben davon wirklich
erhalten und geben die illustrirten Werke sowie die, damals aller-
dings nur sehr verschämt, mit Abbildungen versehenen Zeitungen
Runde davon. Nicht minder einzelne bsaux rsstss von Ausstellungs-
Objekten, welche als der Thimboraffo von Runstsertigkeit galten,
mit den Augen von heute beurtheilt, aber als ebenso hohe Gipfel j
von Geschmacklosigkeit und als warnende Exempel hingestellt werden.

Obwohl bereits gegen das Ende des verflossenen Jahrhunderts
in einzelnen erleuchteten Röpsen der Sinn für die Vergangenheit ^
und deren Werke aufzudämmern begann, als Männer wie Winkel- >
mann und Goethe sich bemühten, die antike Runst wieder zu
beleben, letzterer auch mit der Renaissanceperiode sich ernstlich
beschäftigte, und Lessings Laokoon ein epochemachendes Schrift-
werk für damals gewesen und wahrscheinlich für alle Zeiten
bleiben wird, so waren das alles sehr vereinzelt stehende Bestre-
bungen, welche in der hochbescheidenen Lebensführung der Völker
selbst kaum ein Echo fanden, am wenigsten aber das Bestreben
weckten, diesen Beispielen nachzuwirken.

Die Zeitalter Ludwig XV. und des XVI. haben allerdings
Stile geschaffen, welche auf den Grundlagen klassischer Runst
selbstständig sich entwickelten, es waren aber immer nur die so-
genannten oberen Zehntausend, welche sich dafür interessirten,
wohl zumeist darum, weil ihnen der hieraus sich bildende Aus-
druck von Pracht und Prunk näher gebracht wurde.

Als die Lehren der Encyclopädisten, der Rosenkreuzer sowie
anderer schöngeistiger Francmacons mit den Rlöstern und anderen
Stiftungen früherer Zahrhunderte anfangend, auch die Throne
selbst zu bedrohen begonnen, da kamen auch die Tage, welche
alle bisher in stiller Rlause oder prunkvoller sogenannter Runst- !
kammer ruhenden Schätze früherer Zeit als überflüssiges und !
überlästiges Gerümpel aus den großen Markt des Lebens warfen,
und man mag wohl Merkurius zu Danke verpflichtet sein, daß
er seine Jünger berief, um mit wenig Geld wohl, aber viel
Behagen und gewiß nicht minder großem Wagemuth dieselben
in Sicherheit zu bringen, das heißt soviel davon zu retten als ^
möglich war, ohne selbst Gefahr zu laufen, darum als ein
oi-äsvurck Aristokrat zu gelten und zu büßen.

Was die Reformations-Epoche, die Bilderstürmerei, die Gräuel j
des 30 jährigen Rrieges hier und da noch verschont, die sogenannte
Aufklärungsaera hat reichlich dazu beigetragen, es hervorzuholen
und unbewußt wohl, aber darum nicht minder erfreulich zum
Allgemeingut zu machen.

Auch die Ausstellungsidee begann damals, wenn auch in

sehr bescheidenem Maße, ungefähr als Nachfolgerin der zünftigen
Schaumessen des Mittelalters, der Renaissance, Fuß zu fassen
und es muß als unwiderlegliche Thatsache festgestellt werden, daß
die vom Grafen Rottenhahn in Prag s79s inszenirte böhmische
Landesausstellung trotz ihrer kaum s00 Aussteller zählenden
Betheiligung dennoch das erste derartige epochemachende Ereigniß
war. Zn allen Ländern folgten in kürzeren oder längeren Zeit-
räumen ähnliche lawinenartig anschwellende Schaustellungen, welche
aber in erster Linie zumeist mehr technischen und kommerziellen
Zwecken dienten, denn das Handwerk selbst gefiel sich in Arbeiten,
welche den Spottnamen „Biedermeierstil" nur allzusehr verdienten.

Erheiternd und belehrend ist beispielsweise das Blättern in
vergilbten Theater- und Runstjournalen jener Zeit, es zeigt in
nicht minderem Maße wie unendlich naiv unsere Väter und Groß-
väter auch in dieser Beziehung gewesen und wie sehr dankens-
werth die Znitiative eines kunstsinnigen deutschen Fürsten war,
welcher endlich auch auf diesem Boden, vielleicht auch unter Bei-
hülfe von kunstgewerblichen Museen, aus der Bühne nicht blos
eine Unterhaltungs- sondern auch Bildungsstätte schuf.

Es kann überhaupt an dieser Stelle nicht oft genug darauf
hingewiesen werden, daß die in politischer Beziehung so beklagens-
werthe Zerklüftung des deutschen Vaterlandes aus dem Gebiete
der Runst und des Runsthandwerks unendlich segensreich sich
erwiesen hat.

Alle diese großen, kleineren und Duodez-Fürsten, alle die
unzähligen reichsunmittelbaren Grafen und Freiherrn haben aus
Liebe zum Schönen, vielleicht auch aus Eitelkeit und gegenseitiger
Eifersucht, größere und kleinere Sammlungen angelegt, in denen
allerdings abnormes Geweih und Gehörne, seltsame Naturprodukte
und mühselige, aber jedes Runstwerthes entbehrende Spielereien
mit wahren perlen hoher Runstsertigkeit vermischt, ein beschau-
liches Dasein führten, in unseren Tagen aber zur lehrreichen
Fundgrube geworden sind. Große Fürstengeschlechter, wie die
Hohenzollern, die Habsburger, Wittelsbacher voran, haben auch
in diesem Falle die Führung ergriffen und behalten, aber auch
die Wettiner und Andere sind nicht zurückgeblieben, wenn es galt,
den Hort kunstgewerblichen Fleißes wohl zu pflegen und zu hüten.

Die französische Revolution hatte ausgetobt; der Schlachten-
heros und selbstgeschaffene Täsar war über Millionen von Leichen
und zertrümmerten Existenzen endlich vom Fatum erreicht, aus
meerumspültem Eiland ein stiller Mann geworden; leise nur und
zumeist in widrigem Tonfall klang die Saite antiker Runst nacb,
welche er, seinen Ehrgeiz befriedigend, angeschlagen hatte. Die
pseudo-römische Runst des römischen Weltherrschers war mehr in
häßlicher Parodie und Verballhornung in dem auf uns gelangte
Empirestil, allmählich noch mehr verflachend und entgeistigend,
ihrem Ende entgegengeeilt — es war nicht das Thaos, welches
hieraus resultirte — nein — es war einfach die Nüchternheit,
Formlosigkeit in optima lorma, die, wie Goethe meint, groß
geworden, aus Hellem Tag ihre Schande zur Schau brachte.

Zn Deutschland war nach dessen tiefster politischer Erniedri-
gung Erholung getreten, welche aber nur in sehr langsamem
Tempo sich geltend machte; man hatte in Hypernationalismus
sich zu dem mehr komisch wirkenden als tief eingreifenden Versuch
emporgerafft, die wieder errungene und auf dem Wiener Rongreß
besiegelte Selbstständigkeit durch deutsch sein sollendes Teutschthum
und national sein sollende teutsche Tracht zu feiern, damit aber
uur Beweise geliefert, daß aus diesem Felde das deutsche Volk
zu jener Zeit nur ebenso lächerliche als nichtssagende Produkte
ersinnen konnte; auch im Herz der Tagesmode, in Frankreich,
vermochte Runst und Runstgewerbe nur höchst nüchterne, hellenisch
oder römisch angekränkelte Objekte zu schaffen. Fortsetzung s-ue s?.)
 
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