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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Merk, D.: Der Festzug und die Ausstellung der Festgaben in Karlsruhe
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Seite 78.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

April-Heft.

Lehrstuhl (Abbildung Nr. 58;), die ueuen Disziplinen durch eine thronende
Technika. Die „Kunst" wurde würdig repräsentirt durch die Festwagen der
Karlsruher Akademie bildender Künste und des Münster-Bau-Vereins Frei-
burg, jenes mit einer von sechs auserlesenen weißen Gchsen gezogenen
Kolossalstatue der Pallas Athene, vor der Fackelträger und Tubenbläser mit
merkwürdig langen, je drei Träger erfordernden Instrumenten einherschritten,
während dienende Priesterinnen in gemessener Haltung und wallenden Ge-

wändern das heilige Feuer nebenhertrugen; dieser mit einem s va hohen,
getreu in Holz geschnitzten Modell des Freiburger Münsters auf mächtigem
Unterbau, an dessen Seiten in Nischen die Gestalten der Tugenden als Nach-
bildungen der Freiburger Originale aufgestellt waren (Abbildung Nr. 58S).
Nun folgte mit zwölf Wagen und zahllosen kostümirten Reitern und Fuß-
gängern „das Gewerbe", in reichster Mannigfaltigkeit die jeweilige Thätigkeit
oder bemerkenswerthe Erzeugnisse des Gewerbefleißes vorzeigend. Da sahen
wir die Glockengießer mit einem einfachen geschmackvollen Glockengerüstbau
und Dreiklanggeläute (Abbildung Nr. 580), die Buchdrucker mit stolzem
Schimmelpegasus, der einen kunstvoll gebundenen Folianten zog (Abbildung
Nr. 583), die Blechner und Installateure mit sprudelnder Fontäne, die Glas-
maler mit gemaltem Fenster, die Bierbrauer mit bekränztem Riesenfaß, die
Metzger und Wurstler mit gemästeten Gchsen und einem Wurstlerladen und
entsprechend die Bäcker, Gastwirthe, Küfer, Konditoren; die Blumen-Industrie
mit einem von Ziegen gezogenen Blumen-Füllhorn, die Bekleidungs-Industrie
mit der „Mode", die Sattler und Wagenbauer mit Galawagen, Schlitten
und einem Lhaisenmodell. Die fünfte Abtheilung wurde von der Schwarzwald-
Industrie mit einer Uhrmacherwerkstätte eröffnet (Abbildung Nr. 587). Dabei
sah man Holzschnitzer, Bürstenbinder, Goldsticker, Strohflechterinnen und
Träger mit Schwarzwalderzeugnissen. Ls folgten die Metallpatronenfabrik
in Karlsruhe mit Adlerthurm, Marine- und Feldgeschützen; Sinner in
Grünwinkel mit dem von vier Hengsten gezogenen Wagen der Urania, um-
geben mit Personifikationen von Industrie, Handel, Gewerbe und kandwirth-
schaft; Bergmann'? Emailwerke in Gaggenau mit Pony-Wagen, auf
dem Gnomen in waldiger Berggegend die Lmailtechnik ausiibten; die Wagen
der Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe, die Technik darstellend, und
der Jinkornamentensabrik Schönenberger in Heidelberg. Besonderer An-
erkennung erfreute sich die folgende Abtheilung „Verkehr". Auf dem Wagen
der Eisenbahn sah man eine mächtige Lokomotive aus einem geschickt
imitirten Tunnel hervorbrausen und die von der Post gestellte Allegorie des
Weltverkehrs eröffnete eine Reitergruppe mit ;6 blasenden Postillonen, während
Beamte aller Dienstzweige folgten. In gewählten Gruppen schlossen sich die
Ruderer- und Radfahrervereine an. Der Gartenbau mit sinnreich ausge-
stattetem Wagen der Flora bildete den Uebergang zur achten Abtheilung, der
Landwirthschaft. Die vier Jahreszeiten wurden durch prächtig geschmückte
Wagen symbolistrt; so erschien der Frühling als reizende Laube (Abbildung
Nr. 58d), bevölkert und umgeben von Hornauer Burschen und Mädchen, der
Herbst durch eine Weinlese mit Volkstrachten des Markgräflerlandes (Abbil-
dung Nr. 590). Zwischen sie eingeschoben waren zwei köstliche volkstrachten-
gruxpen, darstellend einen Hochzeitszug mit Landestrachten aus den Amts-
bezirken Wolfach, Gberkirch und Achern, und einen Taufzug mit Trachten
der Amtsbezirke Gffenburg und Lahr. Als neunte Abtheilung zogen Feuer-
wehren, Turner und Schützen des Landes daher; als zehnte der badische
Sängerbund, flankirt von einer durch Guirlanden verbundenen Kette bild-

hübscher, weißgekleideter Jungfrauen und gefolgt von germanischen Barden
im Eichenhain und einer Gruppe fränkischer Minnesänger. Wunderbare
Pracht entfaltete die folgende Abtheilung. Markgrafen in glänzenden
Rüstungen aus dem Hause der Zähringer von Berthold bis Karl Wilhelm,
dem Gründer von Karlsruhe, fesselten das Auge, die Denkmalgruppe mit
dem Modell des Karl-Friedrich-Denkmals brachte die Aufhebung der Leib-
eigenschaft in Erinnerung und der prächtig dekorirte Huldigungswagen (Ab-
bildung Nr. 58-P trug auf stolzem Unterbau die Kolossalbüste des 70jährigen
Jubilars, umlagert von den Allegorien der Vaterlandsliebe, der Weisheit
und Gerechtigkeit. Den Abschluß des unvergleichlichen Zuges bildeten
Abordnungen aller badischen Regimenter und ein ganzer Wald von Fahnen-
trägern mit den wehenden Bannern der badischen Militärvereine. —

Dankbar wurde es begrüßt, als in der zweiten Hälfte des September
die zahlreichen Festgaben während mehrerer Wochen zur allgemeinen Besich-
tigung im Großh. Kunstgewerbemuseum ausgestellt wurden. Sie füllten drei
große Säle des zweiten Stockes aus. von diesen Räumen war namentlich
der nach Dsten liegende zur Aufnahme der hervorragendsten Kunstwerke
bestimmte Hauptsaal von Direktor Götz in köstlicher Weise durchgebildet
worden und erzielte mit seiner langen Perspektive eine ungemein noble
Wirkung. Die Decke ward mit einem Teppich bespannt, kostbare Gobelins
schmückten die Wände (Beilage II). Im Lichthofe hatte die Festgabe S. M.
des Deutschen Kaisers Aufstellung gefunden: der Griginal-Entwurf zu dem
für Berlin bestimmten National - Denkmal Kaiser Wilhelms I., ein groß
gedachtes Reiterstandbild mit dahinterliegender Rokoko-Säulenhalle. Unter
den übrigen plastischen Werken fesselte besonders die künstlerisch vollendete
Festgabe der badischen Städie der Städte-Brdnung von Professor volz. Die
wuchtige Gestalt der Zeit trägt auf den Schultern ein von einem Genius
umschwebtes Schiff, welches von dem Großherzog mit sicherer Hand gelenkt
wird, sodaß Nähr-, Lehr- und Wehrstand ungestört ihres Amtes walten
können. Dem sinnigen Gedanken entspricht die geschmackvolle Durchbildung
im Ganzen und Einzelnen. Professor Heer's Bronzebüste gab die wohl-
getroffenen Züge Wilhelms I. Der badische Sängerbund hatte einen sitzenden
Lautenspieler in Bronze, der Turnerbund einen Schnellläufer, der Ruderklub
einen Ruderer, A. Waldbauer in Stuttgart eine bronzene Löwengrupxe
gestiftet. Hierher ist auch zu zählen die Widmung der Universität Freiburg,
ein Marmorrelief von Bildhauer Tuaillon in Rom in der Art frühgriechischer
Epitaphien aber mit fragwürdiger polychromer Behandlung. In ernst
gemessener Handlung entbieten die vier Fakultäten dem ebenfalls in antiker
Gewandung dargestellten thronenden Jubilar ihre Glückwünsche. — Die
Gemälde weckten in ihrer überwiegenden Zahl Erinnerungen an wohlbekannte
Gegenden des Landes, mehrere waren auch Porträts von Mitgliedern des
Großh. Hauses, so das vortreffliche Miniaturbild des allzufrüh verstorbenen
Prinzen Ludwig von Professor Keller und das sehr karakteristische Bildniß
des Prinzen Karl von Professor Schurth. Schönleber's flottes Bild der
Mainau zeigte die Gstseite des Eilandes mit dem kleinen Hafen und dem
über steilem, mit köstlichem Grün geschmückten Abhang sich zeigenden Groß-
herzoglichen Schloß. Fast dieselbe Ansicht bot ein kleines Gemälde von
M. Roman, während das wirkungsvolle Velbild von W. Frey in Mann-
heim die ganze östliche Hälfte der Insel und im Hintergründe die Höhenzüge
bei Ueberlingen zur Darstellung brachte, von Professor Kalkreuth war
ein stimmungsvolles Bild des Freiburger Münsters und seiner Umgebung,
von Professor Weishaupt ein in breiter Manier behandeltes Landschafts-
bild, von Professor Goethe ein Narinebild mit vortrefflicher Wiedergabe
der sturmbewegten See, von Professor Ritter ein anziehendes Mädchenbildniß
und von Straßberger ein frischer Studienkopf zu sehen. Professor Pötzel-
berger versetzte uns durch seine Festgabe in das Innere eines reizenden
Rokokosaales, Maler Hartwig in Düsseldorf an das rechte Ufer der Mosel
bei Koblenz, Tenner an den Konstanzer Hafen. Unter den vorgeführten
Bildern heben wir noch eine Studie aus St. Blasien von Freifrau von Gay-
ling, ein hübsches Aquarell mit dem Lbersteinschloß von M. Fahrbach,
eine Waldesidylle in getuschter Kohlenzeichnung von Riedmuller in Stutt-
gart, die schöne Lhrenscheibe des badischen Landesschützenvereins, gemalt von
H. Kley, und eine radirte Metallplatte mit Waldlandschaft von Professor
Krauskopf hervor. — Sehr vielseitig war die kunstgewerbliche Abtheilung,
unter denen wir ganz hervorragende Metall- und Holzarbeiten, keramische
Erzeugnisse und weibliche Handarbeiten, namentlich auch eine größere Reihe
feiner Buchbinderarbeiten bemerkten. Line sinnige von Direktor Götz ent-
worfene Gabe der Universität Heidelberg stellte eine Art Jubiläumssänle
dar, überragt von einem Genius der Wissenschaft, dem fürstlichen Jubilar
den Lorbeerkranz darreichend, an den Seiten die Embleme der fünf Fakultäten
und in wohlgelungener Lmailtechnik die Porträts der früheren Lehrer aus
der Studienzeit des Großherzogs. Gleichfalls von Direktor Götz entworfen
die Festgabe der badischen Brauer, ein prachtvoller silbervergoldeter Pokal
mit einer Badenia auf dem Deckel und reichster Ornamentik, sowie eine
reizende kleine Rokoko-Uhr als Gabe der Lrbgroßherzoglichen Hoheiten und
des schwedischen Kronprinzenpaares. Line kostbare kleine Tafel mit reizendem
Rahmen und elegantem Widmungsbildchen wurde von Sen Lehrern an der
pforzheimer Kunstgewerbeschule gestiftet, ein entsprechendes Stück mit dem
 
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