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Schönermark, Gustav [Editor]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 16): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Delitzsch — Halle a. d. S., 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.25510#0105
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Glesien.

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sind, läuft ein Kleeblattbogenfries her (wie an der Glocke zu Radefcld); zwischen
den Schnüren diese Minuskelschrift:
- H)$-n!min- $f!iturttf-$f!t !)(!![$-$ntHt ff t)nutu$-
Das dreimal vorkommende sen soll wohl sanctus bez. sancta heissen, ob jedoch
die Heiligen Ursula, Johannes und Paulus gemeint sind, lässt sich nicht angeben.
Die Entstehungszeit dieser Glocke, die eine schöne schlanke Form hat, wird in
die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu setzen sein.
Glesien.
Pfarrkirchdorf mit einem Rittergute derer von Wuthenau liegt 11 km süd-
westlich von Delitzsch. 1538 besass ein Heinrich von Rünau das Rittergut. Die
Dorfform weist, nicht auf wendischen Einfluss. Neben der im Dorfe gelegenen
Kirche soll sich, wie in den Kirchenbüchern steht, ein Kloster zu „St. Elenden"
befunden haben: eine Erklärung dieser Bezeichnung giebt es nicht; im Harze
finden sich Elendskapellen aus (früh?) romanischer Zeit. Eine Spur von einem
Klosterbau ist nicht aufzufinden.
Die Kirche ist dem h. Johannes geweiht gewesen. Thurm und Schiff
stammen noch aus romanischer Zeit. Der Zwiebelspitzenaufbau mit Laterne auf
dem Tlmrme ist zwar barock, aber das Mauerwerk ist bis einschliesslich der Glocken-
stube alt. Letztere hat je ein Fenster in ihren gegen Norden und Süden gerichteten
Schmalseiten und je zwei in den gegen Osten und Westen liegenden Längsseiten.
Diese Fenster oder vielmehr SchalHöcher sind durch eine Säule mit zwei Bögen
getheilt. Die Basen aller Säulen haben Eckblätter, die Capitäle sind von Würfelform;
sattelholzartig gebildete Steine bilden die Ueberführung in die Bögen, welche von
der Wandstärke sind. Das Ueberführungsstück in dem südlichen Fenster ist nach
aussen als ein Kopf mit der Hand am Barte ausgebildet.
Das romanische Schiff ist niedriger als der im Anfänge des 16. Jahrhunderts
angebaute, zwei Joch lange, dreiseitig schliessende und mit einhüftigen Strebe-
pfeilern versehene, sowie verschiedene Heiligennischen zeigende Chor. Das Material
desselben besteht aus Bruchsteinen mit backsteinernen Structurtheilen, die mit
Quaderputz in rother, hier gut erkennbarer Färbung (wie in Gollme und anderen
Orten der Gegend) überzogen sind. An der Südseite des Chors baut sich eine
Kapelle wie ein Kreuzarm heraus mit dreiseitigem Schluss- und mit Strebepfeilern,
in gleicher Weise ausgeführt, wie der Chor uud wie dieser auch mit einem Netz-
gewölbe überspannt, sodass die Gleichzeitigkeit der Entstehung wohl zweifellos ist.
Später dagegen wird der westlich neben diesem Ausbau gelegene vierseitige, doch
weniger hervortretende Anbau entstanden sein, da er in Backstein hergestellte
Renaissancegiebel zeigt. An der Nordseite des Chores liegt die vierseitige Sacristei
in deren Nordwand man eine Piscina bemerkt. Der Raum ist mit einem einfachen,
rippenlosen Kreuzgewölbe überdeckt; er enthält in seiner Südwand (Kirchenwand)
einen Sacramentsschrein, ausserdem an der Ostwand einen Altar; im Fussboden
findet man (wie in der Kölsaer Sacristei) ein Stück Holzbelag, welcher möglicher-
weise die Schrift eines Grabsteins vor den Tritten schützt. Eine spitzbogige
Thür zwischen dem Schiffe und der Sacristei hat einen die Zeit charakterisirenden
Thürflügelbeschlag. Die Thür, welche von aussen in das Schiff führt, liegt auf der
 
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