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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0032

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Vestibulum oris.

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Spalte heißt: primäre schräge Gesichtsspalte. Sie zieht um den Nasen-
flügel herum nach der inneren Partie des Auges. Auf der ganzen Strecke liegt
bei normalem Verschluß der Tränennasenkanal, Canalis nasolacri malis,
in der Tiefe verborgen (siehe Nasenhöhle und Tränenapparat des Auges). Statt
des Kanals kann bei jenen Hemmungsbildungen (wie regelmäßig beim jungen
Embryo) eine offene Rinne bestehen. Entweder setzt sich die Hasenscharte,
wenn sie mit dem schrägen Gesichtsspalt zusammen vorkommt, durchlaufend
um den Nasenflügel herum in ihn fort (anfangs zwischen Violett und Rot, dann
zwischen Blau und Rot), oder sie spaltet sich an der Nase und schneidet außer
in die Wange und Lidspalte auch in das Nasenloch ein (Abb. 12d, ausgezogene,
gestrichelte und punktierte rote Linie).

Tiefgehende Spalten gelangen nicht selten in den Knochen (Cheilognatho-
schisis). Unter der Oberlippe liegt jederseits der Zwischenkiefer, Os inci-
sivum, der beim Embryo selbständig ist und bis hoch auf die Nasenkapsel
hinaufreicht (Abb. 15). Beim Erwachsenen ist er mit dem Oberkiefer ver-

Abb. 13. Zwischenkiefer, a) Frühestes Entwicklungsstadium beim Maiüwurf (Vorknorpel). Auslnouye,
Anat. Hefte 1912. b) Nähte zwischen dem Os incisivum und seinen Nachbarn (Sutura incisiva und S. inter-
incisiva) und innerhalb des Os incisivum (Sutura intraincisiva) beim einjährigen Kind (die beiden
Zwischenkiefer durch graue Tönung hervorgehoben).

schmolzen (in Abb. 12e schematisch aus letzterem herausgelöst). Man könnte
daran denken, daß die beiden Zwischenkiefer anfänglich auf den mittleren Nasen-
fortsatz beschränkt seien (schwarze Stelle der Zwischenkieferanlage, Abb. 13a)
und erst nachträglich in den Oberkieferfortsatz hineinwüchsen (mehr lockere
Stelle der Anlage), nachdem beide Fortsätze miteinander verschmolzen sind.
Dies ist aber nicht der Fall. Denn bleibt die Verschmelzung aus, so entstehen zu
beiden Seiten der Spalte Zwischenkieferanlagen. Gewöhnlich ist in solchen
Fällen auch der zweite Schneidezahn in zwei Zähne getrennt (Abb. 14). Diese
Mißbildungen beweisen, daß das Material für den Zwischenkieferknochen und
den zweiten Schneidezahn, ehe es mikroskopisch sichtbar wird, hüben und
drüben von der Grenze zwischen dem mittleren Nasen- und dem Oberkiefer-
fortsatz in loco bereit liegt, solange die beiden Anlagen getrennt sind. Bleibt
die Vereinigung aus, so entwickelt sich jedes Stück für sich weiter. Sehr
häufig ist eine feine Naht innerhalb des Zwischenkiefers von kleinen Kindern
sichtbar, Sutura intraincisiva, welche der Verwachsungslinie der beiden
Anlagen entspricht (Abb. 13b). Die Weichteilanlagen des Gesichtes und der
Lippen haben also nichts mit dem darunterliegenden Skelett zu tun: die Grenzen
der ersteren liegen an ganz anderen Stellen als die Grenzen der Knochen.
 
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