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Happel, Eberhard Werner; Wiering, Thomas von [Bearb.]; Härtel, Zacharias [Bearb.]
E.G. Happelii Gröste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosæ (Der fünfte Theil): Worinne fürgestellet und angeführet werden Die Merckwürdigste Historien und Geschichte Der vorigen und jetzigen Zeiten/ welche sich auff diesem grossen Schau-Platze der Welt zugetragen: Dabey auch die sehr blutige und merckwürdige Auffzüge der vorigen eiferigen Christen nach dem Hl. oder gelobten Lande/ in sieben wunderseltzamen Creutz-Fahrten abgehandelt sind: Allen und jeden curieusen Liebhabern zur Lust/ Lehre und Nachricht in Druck verfertiget/ und mit schönen Kupffern und Contersaiten durchgehends gezieret — Hamburg: Gedruckt und verlegt durch Thomas von Wiering, 1691 [VD17 12:109624Z]

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.67343#0731

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k^o. 8 2.

^VK.l0§M. 64-

Der ungestalte doch tapffere Prtntz.

jMS ist bekant/daß die eufferliche Schönheit
des Leibes nichts anders scy / als eine ge-
naue Übereinstimmung aller Glieder/ mit einer
untermischten Liebligkeit der Geberden und des
Angesichts: Diese theure Gabe ist ein sonderli-
ches Geschencke des Allerhöchsten / und kan der-
selbe Mensch / Gott seinem Schöpffer nicht ge-
nugsam dafür dancken; je schöner nun ein
Mensch von Gottgebildet ist / je höhere Ursache
hat er auch/demselben dafür Danck abzustatten.
Dannenhero beliebete seiner unerforschlichen
Weißheit auch / die ungestalten und heßlichen
Menschen / bey die schönen und wohlgestalten
zu setzen / damit aus diesem Gegenscheine der
sonst vergeßliche Mensche/ allezeit seine nnendli-
HeWohlthaten fürAugen und im Hertzen habe
möchte. Ein mächtiger König in Persien/Hatte
unter vielen Wohlgestalten Printzen auch einen
Ungestalten/welchen er aber lieber oben aufdcm
Simse/als in demKönigl. Zimmer gesehen hät-
te. Diesen sähe er einsmahl im Zorne mit sehr
ungünstigen Augen an / und verwiese ihm seine
Ungestalt/als einem bösen unartigenMenschen.
Den jungen Printzen schmertzte dieses/ als ei-
nem nicht unedelen Gemüthe/ über allemaffen;
muste jedennoch geschehen lassen/ was zu endern
vor dißmahl in seinen KräMn nicht stunde.
Als ihm aber dieser wegen auch seine andern
Brüder sehr zusetzten / und der König darüber
zukam/ bath er unterthanigst von demselben/ ih-
me zu sagen / ob die Natur die sterblichen Men-
schen / oder ob die Menschen die Natur herfür
gebracht hatten ? Worauff er vom Könige die
Antwort erhielt/ daß die grosse Zeige-Mutter/
die Natur/nebst dem allmächtigen Wesen/ alles
erschaffen und an das Tages-Licht gestellet hat-
te: Nun wohlan / sagte der junge Printz/was
habe ich denn verschuldet / daß man mich unbil-
lig hasset/weil mir die Natur versaget/ was mir
kein Sterblicher geben kunte; Ich gestehe ger-
ne/daß mich die ungünstige Natur heßlicher als
«ndere/ meines gleichen/ an das Tages-Licht ge,
Ivl». v.

stellet hat. Eie hat Schönheit mir entzogen/
welche Augenblicklich in Gefahr stunde/ von ei-
ner Kranckheit verderbet / von dem Alter ent-
blöffet/ und von dem Tode gäntzlich verstöret
zu werden. Höret anff zu klagen über meine ent-
zogene Schönheit/welche ich mir selbst nicht ge-
ben kunte / und welches so wenig in eurer als in
meiner Macht gestanden hat. Wisset auch/ daß
die nichtige Schönheit viel tausend / unter dem
Scheine der betrüglichen Wollust / in unauß-
leschliche Schande und Spott gesetzet hat / wel-
che sonsten bey ihrer Ungestalt ohne Furcht gelo-
bet hetten: ich wil sehen und dahin trachten/daß
ich meine Ungestalt des Leibes / mit der Schön-
heit der unsterblichen Lugend und Tapfferkeit/
bekleide; und solcher Gestalt hoffe ich hinfürs
niemande/ als der Boßheit und Lastern selbst za
mißfallen. Hat mir die Natur die eufferliche
Schönheit entzogen / so habe ich Ursache / mich
dißfalls über ihre Ungunst zu beklagen. War
wird mir aber ein so geringer Verlust/gege« die
verliehene Schönheit der Seelen und des Ver-
stsndes/ zu rechnen seyn ? werde ich nicht einen
so schlechten Verlust/gr M ein so überwichtiges
Geschencke/großmüthia pachten können t waS
kan mir eine kleine unam )e Statur scha-
den? Ebensowenig / e's eine ansehnliche Lan-
ge einem andern geben ka^, Lasset euch eureGe-
danckev nicht übereilen/zu schelten/wasihr nicht
zuvor wohl überleget habt - der Schade ist nicht
so groß/ als ihr euch einbildet: Ist nicht eine
kleine Statur viel behender und geschickter zu
allen Verrichtungen ? Ist ein Hauß klein/ waS
hinderls / daß nicht in selben ein grosser Herr
wohnen könne; eben als in einem kleinen Leibe,
ein groß und tapferes Gemüthe. Und was hin-
derts / daß nicht ein kleines Hüttchen / ne H ei-
nem hohen Pallaste stehen könne? Meinet ihr
aber/ daß eine solche kleine Statur verächtlich
sey/fo sage ich euch ohne Scheu/ daß/ gleich wie
äusser der Tugend nichts herrliches noch lob-
würdiges ; also auch im Gegencheil / äusser de»
Kkkk La-
 
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