d-lo. §4 LLrx'riorrxz LvLiosL. 745
Die kluge Unvmmnfft.
MTAvon der weise Vilnius in seinem 8.Buche.
«A c. L8. außführlich handelt / und sich son-
derlich beklaget über das Stückwerck menschli-
cher Wiffenschafft : Das meiste/ saget er / was
wir wissen/ ist das wenigste von dem / was wir
Wissen sollen oder können. Viel lieget in seinen
Ursachen verborgen/und wird niemahls ergrün-
det und an das Lages-Licht gebracht; Viel ist
auch dem Menschen / wegen des besorglichcn
Mißbrauchs verborgen/und vermeynen wir öff-
ters daß es übernatürlich zu gehe/ was offters
seine in der Natur gegründete Ursachen hat;
Nur lieget es daran / daß der verfinsterte Ver-
stand/ es nicht verstehen oder begreiffen kan:
Daher ist des weisen kiinü Klage / nicht so gar
ungegründet/ zumahl man weiß/ daß die Natur
in vielen/ ja in den meisten Stücken dem Men-
schen zu wieder / und als eine Stieffmutter sich
gegen denselben erweiset:Da sie imGegentheile
der unvernünfftigen Lhiere rechte Mutter und
Säugamme begrüßet wird. Hat sie nicht den
wilden und unvernünfftigen Thieren so viel
Verstandes gegeben / daß sie alles/was ihnen
dienet/ erkennen/ und zu ihren Nutzen und Ge-
brauch anwenden; Hergegen was ihnen schäd-
lich ist/ fliehen und meiden. Wenn die Störche
saget er weiter/ mit denSchlangen streiten wol-
len / verwahren sie sich mit dem Kraute wohlge-
muth/und schützen sich damit/weil sie wissen daß
die Schlangen sich dafür entsetzen / und durch-
aus nicht leiden können. Wenn der Bar ver-
wundet wird / heilet er die Wunde mit Omey-
feneyer; Und das wilde Schwein mit Winter
grün: Das Wiesekein heilet und reiniget sich
mit Wein-Rauten und Salbey; Die Tauben
mit dem Eisen Kraute; DerHabicht mit dem
Habicht Kraute; Die Enken und Hüner mit
Windig oder Zaunglocken; DieSchwalbe mit
Schwalben Kraute; Der.Hirsch mit Hu sch-
Zungen ; Und der Hund mit Hundes-Zunge /
oder grünen Grase. Der Mensch allein ist so
unglücklich und vnverstaWg in den natürliche
Td- V» .
Dingen/ daß er öfters opium pro spio, und an
stat heilsamer Mittel Gisst und Galle ergreift/
und dadurch die Erfahrung mit Verluste seines
Lebens/gar theuer erlernen oder crkauffen muß/
indem er diese hohe Wiffenschafft durch de»
kläglichen Sünden-Fal! verschätzet; Und weü
er über das aus Unverstand und Schwachheit
im essen und trincken keine Maassehalten kan/
und in solche verderbliche Gewohnheit verfält /
muß er sich nicht schämen von diesen unvernünff-
tigen Lehrmeistern zu kernen; Allermaffen schon
vermeldet worden/ daß solche der KräuterKraft
besser wissen und verstehen als der Mensch / der
täglich damit umgehet / und darauff studie-
ret. Eben dahin zielet der Prophet Esaias/
wenn er die Menschen und Lhiere gegen einan-
der hält/und will daßjene ihr Gebühr von die-
sen lernen sollen/sagende: EinOchse keunet sei-
nen Herren/und ein Esel die Krippe seinesHer-
ren; Aber Israel kenneks nicht/ und meinVolck
vernimmets nicht/ c. i. v.;. Und Jeremias:
Ein Storch unter dem Himmel weiß seine Feit/
eine Turtel - Taube / Kranich und Schwalbe
mercken ihre Zeit/wenn sie wiederkommen sol-
len ; Aber mein Volck will das Recht des Her-
ren nicht wissen/c. 8. v. 7. Und daher schreibet
Plinius, 8olinus, Licero und viel andere mehr/
daß die Menschen von diesen unvernünfftigen
Lehrmeistern / die meisten Wissenschaften in
diesen natürlichen Stücken erlernet haben/ und
beziehen sich deßwegen aufExemvel: DasAder-
lassen/ sagen sie/ und Clystircn/ ist eines von den
vorträglichsten und gebräuchlichsten Artzeney-
en des Menschen l Beydes haben die Mm von
denThieren erlernet: Jenes/ nemlich das Ader-
lässen/ von den Egyptischen Pferden/ welche ih-
nen selbst in dem Frühlinge/ wan sich die Feuch-
tigkeiten mit der Natur erneuern / die Adern
auffdcn Schenckeln fassen und mit den Zahnen
auffritz 'n/ um sich von aller überflüssigen F. uch-
te zu erledigen: Dieses aber/ nemlich das Cly-
stiren haben sie erlernet von den Sötrchen / wei-
Zkxxx che
Die kluge Unvmmnfft.
MTAvon der weise Vilnius in seinem 8.Buche.
«A c. L8. außführlich handelt / und sich son-
derlich beklaget über das Stückwerck menschli-
cher Wiffenschafft : Das meiste/ saget er / was
wir wissen/ ist das wenigste von dem / was wir
Wissen sollen oder können. Viel lieget in seinen
Ursachen verborgen/und wird niemahls ergrün-
det und an das Lages-Licht gebracht; Viel ist
auch dem Menschen / wegen des besorglichcn
Mißbrauchs verborgen/und vermeynen wir öff-
ters daß es übernatürlich zu gehe/ was offters
seine in der Natur gegründete Ursachen hat;
Nur lieget es daran / daß der verfinsterte Ver-
stand/ es nicht verstehen oder begreiffen kan:
Daher ist des weisen kiinü Klage / nicht so gar
ungegründet/ zumahl man weiß/ daß die Natur
in vielen/ ja in den meisten Stücken dem Men-
schen zu wieder / und als eine Stieffmutter sich
gegen denselben erweiset:Da sie imGegentheile
der unvernünfftigen Lhiere rechte Mutter und
Säugamme begrüßet wird. Hat sie nicht den
wilden und unvernünfftigen Thieren so viel
Verstandes gegeben / daß sie alles/was ihnen
dienet/ erkennen/ und zu ihren Nutzen und Ge-
brauch anwenden; Hergegen was ihnen schäd-
lich ist/ fliehen und meiden. Wenn die Störche
saget er weiter/ mit denSchlangen streiten wol-
len / verwahren sie sich mit dem Kraute wohlge-
muth/und schützen sich damit/weil sie wissen daß
die Schlangen sich dafür entsetzen / und durch-
aus nicht leiden können. Wenn der Bar ver-
wundet wird / heilet er die Wunde mit Omey-
feneyer; Und das wilde Schwein mit Winter
grün: Das Wiesekein heilet und reiniget sich
mit Wein-Rauten und Salbey; Die Tauben
mit dem Eisen Kraute; DerHabicht mit dem
Habicht Kraute; Die Enken und Hüner mit
Windig oder Zaunglocken; DieSchwalbe mit
Schwalben Kraute; Der.Hirsch mit Hu sch-
Zungen ; Und der Hund mit Hundes-Zunge /
oder grünen Grase. Der Mensch allein ist so
unglücklich und vnverstaWg in den natürliche
Td- V» .
Dingen/ daß er öfters opium pro spio, und an
stat heilsamer Mittel Gisst und Galle ergreift/
und dadurch die Erfahrung mit Verluste seines
Lebens/gar theuer erlernen oder crkauffen muß/
indem er diese hohe Wiffenschafft durch de»
kläglichen Sünden-Fal! verschätzet; Und weü
er über das aus Unverstand und Schwachheit
im essen und trincken keine Maassehalten kan/
und in solche verderbliche Gewohnheit verfält /
muß er sich nicht schämen von diesen unvernünff-
tigen Lehrmeistern zu kernen; Allermaffen schon
vermeldet worden/ daß solche der KräuterKraft
besser wissen und verstehen als der Mensch / der
täglich damit umgehet / und darauff studie-
ret. Eben dahin zielet der Prophet Esaias/
wenn er die Menschen und Lhiere gegen einan-
der hält/und will daßjene ihr Gebühr von die-
sen lernen sollen/sagende: EinOchse keunet sei-
nen Herren/und ein Esel die Krippe seinesHer-
ren; Aber Israel kenneks nicht/ und meinVolck
vernimmets nicht/ c. i. v.;. Und Jeremias:
Ein Storch unter dem Himmel weiß seine Feit/
eine Turtel - Taube / Kranich und Schwalbe
mercken ihre Zeit/wenn sie wiederkommen sol-
len ; Aber mein Volck will das Recht des Her-
ren nicht wissen/c. 8. v. 7. Und daher schreibet
Plinius, 8olinus, Licero und viel andere mehr/
daß die Menschen von diesen unvernünfftigen
Lehrmeistern / die meisten Wissenschaften in
diesen natürlichen Stücken erlernet haben/ und
beziehen sich deßwegen aufExemvel: DasAder-
lassen/ sagen sie/ und Clystircn/ ist eines von den
vorträglichsten und gebräuchlichsten Artzeney-
en des Menschen l Beydes haben die Mm von
denThieren erlernet: Jenes/ nemlich das Ader-
lässen/ von den Egyptischen Pferden/ welche ih-
nen selbst in dem Frühlinge/ wan sich die Feuch-
tigkeiten mit der Natur erneuern / die Adern
auffdcn Schenckeln fassen und mit den Zahnen
auffritz 'n/ um sich von aller überflüssigen F. uch-
te zu erledigen: Dieses aber/ nemlich das Cly-
stiren haben sie erlernet von den Sötrchen / wei-
Zkxxx che